Ende der 80er spielte beinahe jeder Amiga Besitzer mit Begeisterung Turrican. Doch die gewaltige Raubkopiererszene zwang ihrer Schöpfer Factor 5 auf den Konsolenmarkt, wo sie für LucasArts Star Wars und Indiana Jones Spiele programmierten. Stets auf die neusten technischen Innovationen fokussiert, brachten Sony und Superman ihren Untergang. Dies ist die Geschichte von Factor 5.
1987 machte die Düsseldorfer Firma Rainbow Arts durch einen kleinen Rechtsstreit auf sich aufmerksam. Eines ihrer Entwickler-Teams, zu denen Grafiker Manfred Trenz und Musiker Chris Hülsbeck gehörten, hatte mit „The Great Giana Sisters“ eine 1:1 Kopie von „Super Mario Brothers“ auf dem C64 programmiert, nur mit anderen Grafiken für die Spielfigur und Gegner. Der Klon wurde vom Markt genommen, als Nintendo davon Wind bekam und mit einer Klage drohte.
Manfred Trenz wandte sich anderen Sidescrollern zu, den Shootern. Von den Darius, Defender und R-Type Automaten inspiriert programmierte er mit Unterstützung von Leveldesigner Andreas Escher und erneut Chris Hülsbeck für den Sound-Part Katakis. Ein Name der genau wie bei Zak McKracken einfach durch einen Griff zum Telefonbuch entstand. Manfred und Andreas reizten vor allem die großen Endgegner, die bis dahin noch keiner auf dem C64 realisiert hatte. Was ein technisches Problem war. Denn der C64 konnte gar nicht so viele Sprites gleichzeitig darstellen und animieren, weshalb das Team den normalen Zeichensatz für Schüsse verwendete. In 12 seitlich scrollenden Leveln musste der Spieler auf einem relativ hohen Schwierigkeitsgrad Schüssen ausweichen und Gegner abknallen. Der Clou war der Satellit des Schiffes, welcher durch Power-Ups entstand und Schüsse absorbierte. Wenn ein zweiter Spieler beitrat, konnte er diesen Satelliten sogar separat steuern und damit den Weg frei machen.
Während das Rainbow Arts Team in Düsseldorf das C64 Spiel entwickelte, entstand parallel in Köln eine zweite Gruppe. Achim Moller, Willi Bäcker und Lutz Osterkorn trafen sich Freitagsabends bei Quelle und sahen sich an, was die anderen so machten. Sie programmierten hauptsächlich Demos und Intros, um die Hardware des Amiga 500 auszutesten. Zu der Zeit gab es noch keine Internet-Cafes oder ähnliche Treffpunkte und Grafikdemos waren auf dem Amiga extrem verbreitet. Als das Trio am NEC Stand der CeBit 87 die PC-Engine Version von R-Type sah, kam ihnen die Idee, ihren Spielhallenliebling selbst für den Amiga nach zu programmieren. Am nächsten Tag gingen sie in die örtliche Spielhalle und fotografierten die Spielszenen des R-Type Automaten, um Gegnerverhalten und die Grafik studieren zu können. Für dieses, ihr erstes Spiel, wandten sie sich von ihrem Hacker-Namen „The Light Circle“ ab und nannten sich Factor 3. Ihnen wurde jedoch relativ schnell klar, dass sie Unterstützung brauchten und so nahmen sie Lutz Freund Holger Schmidt zur Programmierung sowie Stefan Tsouparidis für Grafiken und Leveldesign auf und nannten sich nun Factor 5. Das Quintett lebte zu der Zeit noch bei ihren Eltern und befand sich zwischen Schule und Ausbildung. Sie arbeiteten teilweise zuhause an ihrem Neutralizer getauften Titel und brachten ihre Disketten dann zu Achim in den Keller, um es dort zusammen zu setzen. Da die Grafiken mit Deluxe-Paint entstanden und so schnell den Speicher füllten, programmierten sie in Assembler statt C, wodurch sie die maximale Leistung aus dem Amiga holten. Als sich Neutralizer der Fertigstellung näherte, versuchte das Quintett einen deutschen Publisher dafür zu finden. Kingsoft lehnte sie mit einem freundlichen Lächeln ab, aber Rainbow Arts Geschäftsführer Marc Ullrich bot ihnen direkt 20.000 DM für das Spiel an, plus Umsatzbeteiligung und eine 20 MB Festplatte. Marc Ullrich dachte sich einen geschickten Marketing Schachzug aus. Er nannte Neutralizer in Katakis um, damit Rainbow Arts das Manfred Trenz Spiel und den Factor 5 Titel parallel als ein Spiel für verschiedene Plattformen verkaufen konnte. Manfred Trenz gefiel das gar nicht, weil die Spiele abgesehen vom groben Sidescroller Konzept vollkommen unterschiedliche Level hatten und er die Amiga Version von Katakis gerne selbst gemacht hätte. Aber er beugte sich seinem Chef. Als Katakis 1988 erschien, pries die Presse beide Spiele und zog umgehend Vergleiche zu R-Type, wodurch deren Publisher Activision auf das Klonen ihres Spiels aufmerksam wurde. Activision erwirkte eine einstweilige Verfügung gegen Rainbow Arts und unterband somit den Verkauf der Spiele. Geschäftsführer Mark Ullrich fand jedoch relativ schnell eine Lösung für beide Seiten. Rainbow Arts bot Activision an, die C64 und Amiga Versionen ihres R-Type Automaten zu programmieren. So bekam Activision neue Spiele und Factor 5 seinen ersten offiziellen Auftrag von einem großen Publisher. Manfred Trenz lieferte seine C64 Version in sechs Wochen ab und Factor 5 die Amiga Version in dreieinhalb Monaten. Activision war beeindruckt und Rainbow Arts durfte Katakis nun unter neuem Namen, Denaris, weiter vertreiben.
Rainbow Arts und ihre Mutterfirma Softgold waren zu der Zeit deutscher Publisher und Übersetzer der Lucasfilm Games Adventures. Durch diese Verbindung bekam Factor 5 Mitglied Achim Moller ein Treffen, mit Loren Carpenter von der ehemaligen Lucasfilms Graphics Group. Achim war von Lorens Fraktalgrafiken fasziniert und wollte einen Nachfolger zu Lucasfilms Rescue on Fractalus programmieren, weshalb er sich ein paar Kniffe von Loren Carpenter beibringen lies. Bedauerlicherweise ließen sich diese Techniken der 8-Bit Systeme nicht bei gleicher überwältigender Qualität auf die 16-Bit Systeme des Amigas konvertieren. So verschwand das Spiel selbst wieder in der Schublade und die Technik kam lediglich im Intro von Masterblaser zum Einsatz. Aber Factor 5 hatte einen ersten Kontakt zur Lucasfilm Gruppe hergestellt.