Sonic the Hedgehog war die Antriebskraft des Mega Drive Senkrechtstarts. Sega führte die Erfolgsgeschichte auf dem Mega CD fort. Doch das 32X und Saturn sahen Sonic nie. Viele behaupten das hätte maßgeblich zu deren Misserfolg beigetragen. Wie auch immer, lag Sonics Abwesenheit nicht daran, dass Sega nicht versuchte ihn auf die Konsolen zu bringen. Dies ist die Geschichte von Sega Technical Institute holprigem Weg zum ersten dreidimensionalen Sonic the Hedgehog.
Anfang 1990 kehrte der in Japan lebende Amerikaner Mark Cerny in sein Heimatland zurück. Wo er für Sega of America ein neues Entwicklerstudio in Palo Alto, Kalifornien errichtete. In den vorangegangen Jahren hatte er sich mit Segas Top-Entwicklern Yuji Naka und Yu Suzuki angefreundet. An deren Seite Mark Master System Spiele und das SegaScope 3-D entwickelte. Die Pionierarbeit an Segas erster 3D Brille brachte ihm das Vertrauen von Hayao Nakayama, Segas japanischem Oberhaupt, ein, das Sega Technical Institute in Palo Alto errichten zu dürfen. Der Funke des Ansporns war es, erfahrene japanische Programmierer einfliegen zu lassen, um amerikanische Berufsanfänger in dem Studio anzulernen. Was sich simpel anhörte, wurde zu einer Jahre anhaltenden Farce, bei der Mark im Monatswechsel zwischen Japan und den USA herpendelte, um alles zu koordinieren. Die amerikanische Regierung tat ihr übriges. Visa für die japanische Crew zogen sich über Monate hin und so begannen die amerikanischen Entwickler bereits früh im Alleingang neue IPs wie Dick Tracy oder Kid Chameleon zu kreieren.
Währenddessen schufen Zeichner Naoto Ohshima, Level-Designer Hirokazu Yasuhara und Programmierer Yuji Naka im AM8 Entwicklerstudio Japans Segas großen Durchbruch auf dem Videospielemarkt: Sonic the Hedgehog. Beinahe unmittelbar nach der Vollendung des Plattformers machten sich Yuji und Hirokazu auf den Weg zum Sega Technical Institute, wo sie zusammen mit den Amerikanern Sonic 2 produzieren sollten. STI hielt interne Sprachkurse für beide Parteien ab und Mark sowie weitere geübte Übersetzter dolmetschten parallel zwischen den Gruppen. Aber je länger die Parteien zusammenarbeiteten, desto mehr kristallisierten sich ihre Differenzen heraus. Dabei ging es nicht nur um die Unerfahrenheit der Amerikaner, sondern ebenso die Arbeitsethik. Die japanischen Entwickler waren es gewohnt bis tief in die Nacht zu arbeiten und schliefen teilweise sogar in ihren Cubicals. Während die Amerikaner pünktlich den Stift fallen ließen und nachhause zu ihren Familien fuhren. Auf der anderen Seite zolten die Japaner ihren amerikanischen Kollegen nicht den gleichen Respekt, wie sich selbst gegenüber. Das führte dazu, dass neben Mark letztlich nur sehr wenige amerikanische Kollegen tatsächlich an Sonic the Hedgehog 2 mitwirken durften. Konzeptzeichner Chris Senn und Komponist Howard Drossin zählten zu den Auserwählten, die Yuji Naka als seinem Team ebenbürtig anerkannte. Die Mixtur ging nicht auf und effektiv arbeitete die japanische A-Mannschaft an Sonic 2, während die amerikanische B-Mannschaft zeitgleich STIs neustes IP Greendog: The Beached Surfer Dude! produzierte.
Viele von Segas Spielen der Master System und anfänglichen Mega Drive Ära wurden von zwei oder drei Mann Teams innerhalb von drei Monaten fertiggestellt. Einen Maßstab, nach dem Hayao Nakayama auch STIs Leistungen bemaß. Mark Cerny versuchte jedoch einzigartige Spielerfahrungen zu kreieren, die umgehend jedem Spaß machen sollten. Das kostete deutlich mehr Zeit. So musste er sich früh Beschwerden von Segas japanischem Geschäftsführer anhören.
Dann setzte der unglaubliche Durchbruch von Sonic 2 ein. Woraufhin Yuji Naka darauf drängte, den Sonic Franchise seinerseits kontrollieren zu dürfen. Also ohne sich Mark unterordnen zu müssen. Mark löste das Problem, indem er sich kurz nach der Sonic 2 Vollendung aus der Formel strich. Er wurde mit deutlich besserer Bezahlung der technische Leiter des 1992 neu entstandenen Crystal Dynamics. Marks Posten übernahm dessen alter Arbeitskollege aus Atari Zeiten, Roger Hector. Der damals für Atari-Klassiker wie Battlezone oder Warlords verantwortlich gewesen war, später für Electronic Arts an Jordan vs. Bird: 1 on 1 sowie Skate or Die! mitwirkte und zuletzt für Disney Interactive Caslte of Illusion produziert hatte.
Die beiden Sega Technical Institute Teams grenzten sich in Folge von Marks Ausscheiden weiter ab. Das japanische Sonic Team verblieb im Palo Alto Studio, während die amerikanische Mannschaft in das neue Sega Hauptgebäude in Redwood Shores umzog und somit weniger Autonomie genoss.
Yuji und sein Team werkelten in ihrer Abgeschiedenheit am ersten dreidimensionalen Sonic Jump’n’Run, was sich auf den, in der Entwicklung befindlichem, Sega Virtua Processor stützte. Ein Vorhaben, bei dem sich ein halbes Jahr später herauskristallisierte, dass es zeitlich nicht bis zum Weihnachtsgeschäft aufgehen würde. Weshalb die A-Mannschaft im Juli 1993 von Vorn anfing und sich doch wieder dem bewährten Sonic Konzept zuwandte. Da Sega of America jedoch zwingend einen weiteren Sonic Titel fürs Weihnachtsgeschäft benötigte, der zweifellos nicht vom Sonic Team kommen würde, fiel diese Aufgabe der B-Mannschaft zu. Peter Morawiec ein tschechischer Designer, der sich STI ein Jahr zuvor angeschlossen und Sonic 2s Bonus-Runden kreiert hatte, verwandelte den Wunsch, nach der Fortführung der Sonic 2 Casino Stage, in Sonic Spinnball. Innerhalb der wenigen Tage, die ihnen bis zur Sommer CES blieben, schusterte die B-Mannschaft eine Demo zusammen. Diese Demo wurde später der anfängliche „Toxic Caves“ Level des ungewöhnlichen Flippers. Mit der Unterstützung von zwei externen Programmierern, die Roger Hector angeheuert hatte, stellte das B-Team ihr erstes Sonic Spiel fristgerecht fertig. Ungeachtet der schlechten Presse-Kritiken, verkaufte es sich sehr gut und festigte somit das Vertrauen Segas in ihr junges Team.
Der enorme Erfolg der ersten Sonic Spiele ließ Sega Kooperationen mit amerikanischen Fernsehsendern eingehen. Gemeinsam produzierten sie mehrere Sonic Zeichentrickserien. ABC sollte „The Adventures of Sonic the Hedgehog“ Ende 1993 im Samstagmorgenprogramm ausstrahlen. Roger Hector führte beide STI Teams nach der Sonic Spinball Fertigstellung in die DiC Animation Studios und ließ sie Story Boards sowie fertige Animationen bewundern. Selbstverständlich nicht gänzlich ohne Hintergedanken. Denn er plante parallel zu Sonic Teams Sonic & Knuckles bereits einen Spin-Off zu produzieren. Dieses Sonic 16 getaufte Projekt, was ebenfalls für das Sega Genesis gedacht war, sollte jedoch die Comic-hafteren Charaktere der Fernsehserie übernehmen. Peter Morawiec arbeitete erneut das Konzept aus, welches grundlegend ebenfalls dem Jump’n’Rum Prinzip folgte, aber Geschwindigkeitsmäßig Mario ähnlicher war als Sonic. Es setzte stärker auf Geschichte und Abenteuer. Sonic 16 schritt jedoch nicht in der von Sega gewünschten Geschwindigkeit voran und somit stellte die Sega Führung es noch vor der Ausstrahlung der Zeichentrickserie wieder ein.
Peter Morawiec war darüber nicht traurig. Denn das gab ihm die Gelegenheit sein eigenes Comic Abenteuer ins Gespräch zu bringen. Er war in seiner Kindheit ein gewaltiger Fan von seitlich scrollenden Beat’em’ups gewesen. Allem voran Bruce Lee auf Ataris 800XL. Dieses Spielprinzip verband er Story-technisch mit A-HAs „Take on Me“. Einem Musikvideo, in dem einzelne Bilder eines Comic-Buches zum Leben erwachten und Figuren zwischen diesem und der Realität hin und her wechselten. Den Pitch taufte er The Comix Zone. Der Spieler übernahm darin die Kontrolle von Sketch Turner, einem Comic-Buch-Zeichner, der vom Oberbösewicht Mortus in die Seiten seiner eigenen Kreation gesogen wurde. Sketch war somit gezwungen, sich durch Mutantenhorden der einzelnen Frames seines Comics zu prügeln und kleinere Rätsel zu lösen. Sowohl STIs Leiter, Roger Hector, als auch Sega of Americas Chef, Tom Kalinske, haute der Pitch um. Sie paarten Peter mit Adrian Stephens. Einem britischen Programmierer der Assembly Line Crew, mit dem Roger Hector früher für Stunt Island zusammengearbeitet hatte. Selbstverständlich wuchs das Comix Zone Team im Laufe der Entwicklung weiter, aber vor allem wurden Peter und Adrian dadurch gute Freunde. Dank der Unterstützung von Produzenten Mike Wallis verlief die gesamte Entwicklung reibungslos. Mike hielt Peter und Adrian den Rücken frei, wenn es um Probleme mit Segas Marketing-Abteilung ging. The Comix Zone wurde ein innovativer und frischer Titel, den Sonic Komponist Howard Drossin mit fetziger Rock-Musik unterlegte. Sega spendierte der Packung im Nachhinein sogar eine Soundtrack CD. Das Beat’em’up kam jedoch erst im September 1995 fürs Genesis auf den Markt. Zu dem Zeitpunkt waren sowohl Sega Saturn als auch die Sony Playstation bereits ein Dreivierteljahr erhältlich. Was die Verkaufszahlen des Spiels deutlich drosselte.
Obwohl Sonic 16 eingestellt wurde, hielt Roger an der Grundidee eines Comic-artigen Sonics fest. Parallel zu The Comix Zone warb er Electronic Arts Michael Kosaka ab, an dessen Seite er Skate or Die! produziert hatte. Michael schrieb das Konzept des nun für Segas 32-Bit-Erweiterung des Genesis geplanten Sonics. Der vorläufige Arbeitstitel wurde Sonic Mars. Denn Mars war der Entwicklungstitel des Sega 32X. Zu dem Zeitpunkt hatte das japanische Sonic Team Sonic & Knuckles noch nicht abgeliefert und genau so wenig war das Saturn erschienen. Sega Amerika hatte somit ein gesteigertes Interesse ein Sonic Spiel für das 32X herauszubringen. Denn jeder aus der Führungsebene war sich bewusst, dass der beinahe zeitgleiche Release des von Sega Japan erfundenen 32X und Saturns ein Marketing-Albtraum war. Michaels Konzept ließ Sonic und seine Freunde in eine Virtual Reality Welt eintauchen, die er Micro Mobius nannte. Aus der Über-die-Schulter-Perspektive gespielt, scrollte Sonic Mars wahlweise direkt in den Bildschirm, seitlich sowie nach oben und unten. Der Spieler würde die Action stets von hinten genießen und Objekte auf ihn zu scrollen. Selbstverständlich setzte das Spiel aufs typische Ringe einsammeln. Der zusätzliche Erkundungsfaktor sollte durch Teleporter gefördert werden, welche die schnelle Durchquerung der jeweils drei Level der sechs Zonen ermöglichte. Genau wie in Sonic 2 sollte ein zweiter Spieler ins Spielgeschehen einsteigen und sich in begrenztem Radius um Sonic herum bewegen können. Der Clou des Features war, dass Sonic im Verlauf des Spiels Freunde wie Bunnie Rabbot oder Princess Sally Acorn rettete und der zweite Spieler jederzeit zwischen diesen wechseln konnte. Die Spieltypischen Bonus-Stages schlossen eine „hedge hockey“ getaufte Air-Hockey Variation gegen Dr. Robotnik ein. Durch welche alle Chaos Emeralds gesammelt und das beste Ende freigeschaltet werden konnte.