Ähnlich wie Ken Jane für Teil 2 zu einem FMV-Adventure drängte, verdeutlichte ihr die neue Sierra Entertainment Führung, dass es ein 3D Abenteuer werden musste. Die Führungsriege beschloss sogar eigens dafür eine neue Engine zu entwickeln. Das Sierra Magazin „InterAction“ behauptete damals, die Personen würden dadurch so realistisch wie im Film wirken. Jane war wenig vertraut mit der dritten Dimension. Die damals boomenden Ego-Shooter stießen sie ab. Ein Blick auf den ersten Prototypen überzeugte sie jedoch voll und ganz. Wie üblich passte sie sich gänzlich den neuen Gegebenheiten an und entwarf unzählige Puzzles, für die sich der Spieler genau umsehen und unter Dinge gucken musste. Über die Konzeption hinaus, sollte die zusätzliche Dimension jedoch das größte Problem werden.
Jim Napier, einer von Sierras erfahrensten Programmierer, wurde auserkoren die neue G-Engine zu entwickeln. Jim fing mit der Konstruktion eines kompletten Entwickler-Baukastens an. Seine G-Engine renderte wunderschöne Polygon Animationen, spielte Soundeffekte ab und natürlich ebenso musikalische Untermalung. Quasi alles wovon das Team träumte. Doch nach der Hälfte der Entwicklung wurde Jim zu SWAT 3 versetzt. Einem taktischen Ego-Shooter, der finanziell lukrativer erschien. Gabriel Knight 3 stand ohne Engine dar und hatte null Chance auf eine Auslieferung im geplanten Spätsommer 98.
Als Sierra Neueinsteiger Scott Bilas Jim im März 1998 ersetzte, fand er eine total chaotische Engine vor. Damit sie Spiel-Elemente testen konnten, hatten andere Sierra Programmierer haufenweise fehlerhaften Code auf Jims gut organisierte Basis montiert. Was darin resultierte, dass der Prototyp mehr als eine Minute lag lud. Wohingegen andere Spiele in wenigen Sekunden den Bildschirm erhellten. Scott sah nur eine Möglichkeit: die G-Engine musste komplett von Vorne programmiert werden. Zu seinem Glück und dem aller Gabriel Knight Fans, verstand Sierras Geschäftsführer, Mark Hood, das volle Ausmaß des Problems und willigte ein. Zusammen mit Jim schrieb er den Kern der Engine an einem Wochenende neu. Alle weiteren Komponenten, wie die Skripting-Engine „Sheep“ oder die Möglichkeit 3D Modelle direkt aus 3DS Max ins Spiel zu heben, dauerten selbstverständlich einige Monate länger. So ging Gabriel Knight 3 zwei Jahre nach Entwicklungsbeginn, wo es eigentlich längst hätte fertig sein sollen, erst wirklich in Produktion. Von da an arbeiteten 45 Leute dauerhaft an dem Spiel. Für Sierra üblich war hingegen eine Team-Größe von 15 – 20. Diese Entwickler kamen jedoch von Shivers Two: Harvest of Souls. Sierra Entertainments letztem SCI Spiel. Ihnen fehlte also sämtliche Erfahrung auf dem 3D Sektor.
Zu allem Überfluss ging Tim Schafers Grim Fandango parallel in der Presse unter. Dabei hatte LucasArts sich in den vorangegangenen Jahren zu Sierras größtem Konkurrenten entwickelt. Doch Ende 1998 hieß es endgültig Adventures wären tot. Die Tatsache, dass Gabriel Knight bereits weit über seinen geplanten Kosten lag, sorgte für ihr übriges. Ein Entwickler nach dem anderen sah sich nach einem neuen Job um. Das senkte die Moral der verbliebenen natürlich drastisch. Gut ein Jahr verstrich, bis Gabriel Knight 3 im Dezember 1999 über Activision erschien. Es hatte 4,2 Millionen Dollar, statt den geplanten 2 Millionen gekostet und war übersät mit Bugs. Keine Game-Stoper-Bugs, aber einige Fehler, die von urkomisch bis unverzeihbar reichten. So verschwanden während der Entwicklung beispielsweise immer wieder die Orignal-3DS-MAX-Dateien der Modelle. Da ein Export aus dem Spiel zurück in 3DS Max aber technisch nicht möglich war, blieben viele Grafik-Elemente im ersten Entwurfsstadium. Detective Mosely hatte dadurch viel zu kurze Arme, was ihm den Spitznamen T-Rex-Man einbrachte. Ein anderer, laut der Seite Old Man Murray, Genre-mordender-Missgriff war das Mosely-Verkleidungs-Rätsel. Bei dem der Spieler sich einen Schnurrbart aus Katzenhaaren basteln musste. Ein Rätsel, was Produzent Steven Hill einbauen ließ, weil keine Zeit mehr für Janes ursprüngliches Rätsel blieb. Denn der einzige Grund, dass Gabriel Knight 3 überhaupt erschien, waren seine und Janes andauernde Behauptungen, das Adventure wäre so gut wie fertig. Auch wenn es in Wirklichkeit Monate von der Fertigstellung entfernt war.
Als Gabriel Knight 3 gemastert wurde, arbeiteten noch sieben Mann bei Sierra Northwest in Seattle. An Heiligabend 1999, wo die Adventure-Fans es ausprobieren konnten, war auch das Studio geschlossen. Bevor die CUC International Fusion einsetzte, waren die Hälfte der 1.200 Angestellten Frauen gewesen. Eine derart hohe Quote beschäftigte damals keine andere Videospielfirma Amerikas. Viele von ihnen orientierten sich in Folge dessen gänzlich um. Denn seit Doom boomten die Ego-Shooter und das von Sierra vertriebene Half-Life hatte diese Spielrichtung zur beliebtesten Gattung überhaupt gemacht. Aber vielen weiblichen Designern lag diese Art von Spiel einfach nicht. Jane Jensen empfand jedenfalls so. Sie führte stattdessen ihre Schriftsteller-Karriere fort und schrieb über Jahre hinweg Thriller. Sowohl unter ihrem eigenen Namen als auch dem Eli Easton Pseudonym.
Es würde gut ein Jahrzehnt vergehen, bis Jane zusammen mit ihrem Mann Robert, ihr eigenes Point-and-Click Adventure Studio Pinkerton Road eröffnete und die Tradition der metaphysischen Thriller wieder aufnahm. Aber das ist eine Geschichte für ein anderes Video …
Einzelnachweise:
- Jane Jensen: Gabriel Knight, Adventure Games, Hidden Objects
- The Art of Point-and-Click Adventure Games
- Once Upon a Point and Click
- Jane Jensen: Back Home on Pinkerton Road – Adventure Gamers
- The Making of Gabriel Knight (1993)
- Hunting Shadows: The Making of Gabriel Knight – Gamasutra
- Gabriel Knight II: The Beast Within – making of (1995)
- Making of Gabriel Knight 2 : The Beast Within (1996)
- The Making of „The Beast Within: A Gabriel Knight Mystery“
- The Making of „The Beast Within: A Gabriel Knight Mystery“ – Gamasutra
- Pepper’s Adventures in Time – Hardcore Gaming 101
- Postmortem: Sierra Studios‘ Gabriel Knight 3