Renoirs Auslöschung sämtlicher Menschen aus Versos Leinwand, lüftete vorübergehend ebenso Maelles Identität von der echten Alicia. Doch hing das Mädchen so sehr an diesem Leben, dass sie an Maelles Erfahrungen und Erscheinungsbild festhielt. In der makellosen gemalten Gestalt, kombiniert mit Alicias weißen Haaren, nahm sie in der Welt der Leinwand erneut Form an. Fortan geprägt von zwei Identitäten und zwei Familien. Verso löste sich nie gänzlich auf, denn sein Herz und seine Seele verweilten im Inneren der Leinwand. Zumindest ein Fragment davon. So lehrte der gemalte Verso Maelle in den folgenden Stunden das Malen. Er erinnerte sie daran, dass es nicht um Plausibilität ging, sondern die Essenz der Personen zu erfassen. Sich an Lune und Sciel erinnernd, brachte Maelle die beiden Frauen zurück in die Fantasiewelt. Für das Duo schien es, als seien sie unmittelbar nach der Gommage wieder auferstanden. Sciel forderte augenblicklich zu wissen, ob es mit allen Gefallenen möglich sei? Denn so hätte auch ihr verstorbener Gemahl zurückkehren können. Aber dafür fehlte Maelle momentan die Energie. Seit dem Tod ihrer Mutter im Gemälde, residierte sämtliches Chroma bei ihrem echten Vater: dem Maler Renoir. Obwohl es im schlimmsten Fall in einem weiteren Bruch und zu Maelles Verbannung in den Monolithen resultieren könnte, fasste die Gruppe den Entschluss alles zu riskieren. Sie rückten gegen die mächtigste Person der Leinwand vor: Renoir.
Der Maler verstand sehr gut, was es bedeutete eine solche Welt zu erschaffen und sich darin zu verlieren. Aline und Maelle durchlebten nicht als einzige diese Gefühlswelt. Auch ihn packte einst eines seiner Werke dermaßen stark. Genauso wusste Renoir, von Versos endgültiger Vernichtung, die damit einher ging. Aber diese Leinwand als eine Heimat zu betrachten, wie Maelle und Aline es taten, schien ihm falsch. Es überbrückte lediglich den Schmerz und zögerte den finalen Abschied hinaus. Maelle hielt dagegen, es sei zudem der einzige Ort, an dem sie Spaß am Leben hätte. Etwas das ihr Vater ihr nach Versos Tod lehrte. Doch für Renoir stand fest, als Familienoberhaupt träfe er die endgültige Entscheidung. Deshalb wichen Worte Schlägen und Zaubern.
Scheinbar stundenlang duellierten sich die beiden Parteien. Maelle, Verso, Lune, Sciel sowie Monoco auf der einen Seite und Renoir mit seinen Axons auf der anderen. Aber das Quintett kratzte nicht mal an der Oberfläche. Renoir regenerierte sich augenblicklich. Selbst Monoco wurde des Kampfes allmählich überdrüssig. Die Wende kam überraschend durch Aline. Gleichwohl es ihren Tod bedeuten könnte, fand sie Versos Leinwand und tauchte erneut in diese ein. Die Malermeisterin stand ihrer Tochter und gemaltem Sohn zur Seite. Mit ihrer Unterstützung erschöpften sie Renoir soweit, dass Argumente wieder auf Gehör trafen.
Er erläuterte, das Einzige, was ihn die 67 Jahre im Monolithen-Gefängnis überstehen ließ, sei der Gedanke gewesen, seine Familie nicht verlieren zu dürfen. Dank der ständig abwesenden Clea, seiner trauernden Gemahlin und der in Selbstmitleid versunkenen Alicia, lebte praktisch niemand mehr in ihrem Hause. Würde Maelle auf Dauer in dieser Traumwelt bleiben, sterbe ihr leibhaftiger Körper eines Tages ebenso. Das versuchte Renoir um alles auf der Welt zu verhindern. Aber nach schier endlosen Diskussionen, ließ er sich von den Worten seiner Tochter bezirzen. Maelle versprach ihm, nicht ewig in der Leinwand zu bleiben, sondern nur etwas länger. Eine innige Umarmung später, folgte Renoir Aline in die Realität und überließ Maelle die volle Kontrolle über die Leinwand.
Alicias Eltern wollte dieses Dasein jedoch nicht als einziger beenden. Verso verstand den Wirbel, durch welchen die Dessendres verschwanden, ebenfalls als seinen Ausweg. Hindurch schreitend traf der gemalte Verso auf sein reales Ich. Den zurückgebliebenen Splitter seiner selbst, der alles kreierte und weiter unaufhörlich malte. Nach so vielen Jahren eine ermüdende Aufgabe. Der gemalte Verso sah die Welt nun wie sie wirklich war und nicht länger die Fiktion der Maler. Damit durchschaute er ebenfalls Maelles Plan. Denn sie beabsichtigte nie diese Welt zurückzulassen. Verließe sie die Leinwand, würde ihr Vater sie umgehend zerstören. Deswegen und weil sie hier nicht allein war, verweilte Maelle in dieser Welt. Eine Lüge, die Renoir ebenfalls erkannt hatte. Da war Verso sich gewiss. In einem finalen Akt, reichte der gemalte Verso seinem Seelenfragment die Hand. Damit dieser endlich aufhörte zu Malen. Doch Maelle ging mit ihrem Degen dazwischen. Es entbrannte ein Kampf zwischen Bruder und Schwester.
Epilog Maelle
Maelle streckte Verso nieder. Mit seinen finalen Atemzügen sank der gemalte Verso auf die Knie und bettelte darum seine Seele zu erlösen. Sie sollte nicht länger Malen. Außerdem sollte niemand über sein Leben bestimmen dürfen. Verso wollte nur noch ausradiert werden. Während er in sein Chroma verfiel, trauerte Maelle der gemeinsamen Lebenszeit nach, die ihnen das Feuer einst nahm.
Maelle folgte der Bitte ihres fiktiven Bruders nicht. Sie stellte Lumiere so wieder her, wie es vor Aufbruch von Expedition 33 war. Einschließlich der verstorbenen Verwandten und Gefährten ihrer Freunde. Zum Leidwesen ihres Bruders, zählte dazu ebenfalls ein Spiegelbild Versos. Obwohl dieser sich sichtlich sträubte, folgte er Maelles Befehlen. Denn sie kontrollierte nun das Chroma der Leinwand und somit seine gesamte Welt.
Epilog Verso
Versos jahrelange Kampferfahrung war Maelle nicht gewachsen. Besiegt stolperte sie zurück, während ihr Chroma bereits zerfiel. Seine Arme fingen sie auf, bevor sie den Boden berühre. Real oder nicht, tröstete er seine kleine Schwester. Er versprach, alles würde sich zum Guten wenden. Dank ihrer Gabe zu Malen, habe sie unglaubliche Kraft. Sie müsse nie wieder leiden. Dann verschwand das gezeichnete Mädchen aus dem Gemälde. Die fiktive Welt folgte ihrem Vorbild. Esquie, Monoco, Sciel und Lune verabschiedeten sich, bevor sie ebenfalls in Chroma zerfielen. Als seine finale Tat, ergriff der gemalte Verso die Hand seines Seelenfragments und schritt mit diesem in den verschwindenden Horizont.
Für die Dessendres war es der endgültige Abschied von ihrem lange verstorbenen Sohn. Gemeinsam versammelten sie sich erneut an dessen Grab, im Schatten des Pariser Anwesens. Mit Versos Esquie Kuscheltier in den Händen, stellte Alicia sich ihre gemalten Freunde an Versos Grab vor. Dann verblasste auch diese Illusion.