Core Design – Der Tomb Raider Fluch

by Pandur

Als Jeremy 1994 von seinem Treffen mit Ken Kutaragi in den USA zurückgekehrt war, hatte er sein 25-köpfiges Team zusammen gerufen und Vorschläge für 3D Spiele machen lassen. Toby Gard schlug vor, den Spieler, nach alter Rick Dangerous Manier, mysteriöse Gräber tief unter den ägyptischen Pyramiden ausrauben zu lassen. Jeremy hatte dem grünes Licht gegeben, jedoch mit der Auflage zunächst BC Racers fertigzustellen. Toby schwebte, für sein erstes eigenes Projekt, eine Mischung aus der 3D Welt Ultima Underworlds mit Virtua Fighters Polygon-Figuren vor. Er entwarf eine Grabkammer in einer Pyramide mit Lichtkegeln und Staubwolken in 3D Studio Max, um dem sechsköpfigen Team seine Vision zu verdeutlichen. Tomb Raider umfasste in dieser Version immer noch den Indiana Jones artigen Charakter, der zwar deutlich weniger Comichaft als Rick, aber weiterhin männlich war. Denn in den 90ern waren weibliche Hauptcharaktere äußerst ungewöhnlich. Dennoch wollte Toby dem Spieler zumindest die Wahl lassen, sich zwischen einem männlichen und weiblichen Charakter zu entscheiden. Dazu designte er die südamerikanische „Lara Cruz“ nach dem Vorbild seiner kleinen Schwester, Frances Gard, mit einer Priese „Tank Girl“. Lara Cruz bekam genau, wie ihr Arnold Schwarzenegger Counterpart, einen kaltblütigen militärischen Charakterstil. Jeremy sah, trotz der leichten Typenveränderung zu einer kantigeren Optik, jedoch zu große Chancen darin, von Lucasfilm für die Indiana Jones Kopie verklagt zu werden. Da zwei Charaktere ohnehin doppelte Arbeit für sämtliche Animationen und Zwischensequenzen bedeuteten, strich das Team das Arnold-Derivat raus.
Tomb Raiders Spielkonzept basierte weitestgehend auf simplem Schalter Umlegen, zum Türen öffnen und Schiebe-Puzzles mit großen Felsblöcken, die Lara genau wie Super Mario als Sprungvorlage nutzte. Genau wie in Super Mario 64 drehte es sich hauptsächlich um die Erkundung der Level. Neben normalen Laufen, Rennen und Springen, konnte Lara ebenso seitlich gehen, an Vorsprüngen lang hangeln, sich abrollen und schwimmen. Das Gunplay-Element gesellte sich erst in der zweiten Entwicklungshälfte hinzu, als die 16 Level sich als zu wenig abwechslungsreich herausstellten. Was darin endete, dass das Einführungs-Tutorial nicht die Waffenhandhabung einschloss. Trotz dieses Mankos gelang dem Team eine sehr gute Unterscheidung der Steuerung und Kameraführung zwischen gezogenen und gehalfterten Waffen. Hatte Lara ihre Pistolen oder Uzis in den Händen, visierte sie automatisch ihre Feinde an. Welch in Form von Ratten, Wölfe, Fledermäuse, Bären und gelegentlich Mumien daher kamen.

Im April 1996, ein halbes Jahr vor Tomb Raiders Auslieferung, verkaufte CenterSoft Besitzer Geoff Brown sein Software Imperium für 17,6 Millionen Pfund an Eidos Interactive. Cores neuer Publisher wollte deutlich mehr Einfluss auf die Entwicklung nehmen, als es CenterSoft getan hatte. Jeremy verbrachte nun viel Zeit damit Eidos im Zaum und seinem Team den Rücken frei zu halten. Ironischerweise wollte Eidos zunächst Lara absägen und versuchte Jeremy zumindest zu überzeugen, den optionalen männlichen Hauptcharakter wiederaufzunehmen. Als sie endlich nachgegeben hatten, verwandelte sich Lara Cruz in Lara Croft. Denn Tomb Raider sollte auch in den USA groß rauskommen und die Amerikaner liebten einen englischen Akzent. Gerade mal sechs Wochen vor der geplanten Auslieferung, schloss Jeremy einen Vertrag mit Sega, dass Tomb Raider zunächst fürs Saturn und erst einen Monate später für die Playstation erscheinen würde. Weshalb das Team dank Eidos Deadline nun auch die Wochenenden durcharbeiten musste.
Eidos vermarktete Lara Croft, als ob die Dame bereits sehr bekannt sei. Sie druckten „Featuring Lara Croft“ auf die Box und Plakate von Tomb Raider und heuerten für die ECTS Präsentation drei Models an, die wie Lara gekleidet waren. Dennoch rechnete niemand bei Core Design oder Eidos Interactive mit dem durchschlagenden Erfolg des Spiels. Core Design hatte mit 15.000 Saturn, 15.000 Playstation und 5.000 Exemplaren für den PC kalkuliert, aber die Händler orderten bereits für die erste Charge 300.000 Exemplare und die Geschäfte waren in Windeseile leer. Jeder zweite britische Playstation Besitzer kaufte Tomb Raider. Sie setzten innerhalb des ersten Jahres 2,5 Millionen und insgesamt mit Release der Folgespiele 7,5 Millionen Exemplare von Tomb Raider 1 um. Das Spiel erhielt eine Durchschnittswertung von 91%. Eidos hatte viele Redakteure jedoch extra nach Ägypten geflogen, um die Wertungen zu pushen. In Derby gab es hingegen keine Launch-Party. Für die sechs Entwickler kam der Durchbruch ebenso überraschend, war jedoch deutlich weniger glamourös. Statt auch Urlaub in Ägypten zu machen, wurden sie von der 7-Tage Crunch Time des ersten Tomb Raiders direkt auf die Produktion des Nachfolgers gehetzt.

Tomb Raider Erfinder Toby Gard war mit dem Ergebnis jedoch äußerst unzufrieden. Ihm missfiel wie Eidos Laras Kleidung immer kürzer schnitt und sie letztlich nackt in Zeitschriften und auf Bussen posierte. Wenige Wochen nach dem Release verkündeten Toby und Paul Douglas, dass sie Core verlassen wollen. Das wohlgemerkt trotz der Umsatzbeteiligung! Jeremy versuchte die beiden zu überzeugen zumindest 12 Monate zu bleiben, in denen sie Millionen eingeheimst hätten. Stattdessen verließ Toby Core Design mit gerade mal 50.000 Pfund. Andererseits rissen sich daraufhin sämtliche Firmen um das 24-jährige Wunderkind und boten ihm einen Trip im Privatflugzeug oder Helikopter an, nur um zu einem Einstellungsgespräch zu kommen. Paul und Toby gründeten letzten Endes ihr eigenes Studio, Confounding Factor, in Bristol und entwickelten dort ihr Piratenspiel Galleon. Sie wollten etwas neues erschaffen und selbst die Kontrolle über die PR haben. Auch wenn Galleon nicht halb so berühmt wurde wie Tomb Raider.

Tomb Raider entwickelte sich zu einem derart großen Phänomen, dass das Game alleine Sonys Hardware verkaufte. Das Sega Saturn verlor hingegen immer weiter an Marktanteil. Weshalb Eidos und Jeremy sofort zustimmten, als Sony für Teil 2 anfragte, es exklusiv für die Playstation zu produzieren. Core Design stockte das Tomb Raider Team auf zwölf Mitarbeiter auf. Dennoch ließ ihnen die kurze Entwicklungsspanne kaum Spielraum, denn Eidos plante Tomb Raider 2 fest für das nächste Weihnachtsgeschäft ein. Wodurch es gerade mal acht Monate in Produktion war. Das resultierte darin, dass Core Design die alte Engine beibehielt und nur leichte Veränderungen daran vornahm, wie Kamera-Verbesserungen oder dynamisches Licht. Spieltechnisch durfte Lara in Teil 2 Leitern erklimmen und eine Rolle durch die Luft schlagen, welche sie in umgekehrte Laufrichtung brachte. Sie bekam automatische Pistolen, statt ihren Magnums und durfte sich zwischendurch mit Granatwerfern, M-16 und Harpunen bewaffnen. Trotz dieser scheinbar geringen Änderungen, arbeitete das Team täglich deutlich länger in den Abend hinein. Laras neuer Designer wurde Stuart Atkinson, der Lara einen freischwingenden Pferdeschwanz und unterschiedliche Outfits für die Level gab. Während Lara in China und Venedig ihr typisches Tanktop/Shorts Outfit trug, bekam sie in den Wasserleveln ein Wetsuit-Oberteil mit Bikini Höschen und in Tibet eine Fliegerjacke. Laras wechselnde Kleidung wurde von da an ein Markenzeichen von Tomb Raider. Stuart führte zudem Fahrzeuge wie ein Motorboot und Schneemobil ins Gameplay ein. Ein Feature, das Publisher immer als großes Zugpferd für den finanziellen Erfolg von Spielen ansahen. Ursprünglich war für den Showdown von Tomb Raider II ein Drachenkampf vorgesehen. Letztlich erschien er dem Core Team jedoch als zu unbefriedigend und da sich das Erscheinungsdatum näherte, verwendeten sie das Croft Anwesen des Tomb Raider 1 Tutorials erneut für den Epilog. Die Duschszene dort war Cores Antwort auf die Fan-Begierden eines Nackt-Cheats für Tomb Raider. Das Croft Manor Anwesen selbst war zumindest von außen eine Nachbildung des Core Design Büros auf der Ashbourne Road in Derby. Obwohl die Entwickler ihre Familien in den acht Monaten kaum zu Gesicht bekamen, war das Weihnachten für sie ein gigantisches Fest. Core Design schloss für gut einen Monat die Büros und alle Team-Mitglieder erhielten sechs Wochen Erholungsurlaub. Das Core Team selbst sah Tomb Raider II, trotz der gleichbleibenden Engine als ihr bestes Spiel der Reihe an, auch wenn die Reviews es mit durchschnittlich 85% leicht schlechter einordneten. Es verkaufte erneut 7,5 Millionen Exemplare. Ein Drittel davon auf dem PC, den Rest für Sony’s Playstation.
Eidos wechselte fürs Marketing jetzt mit jedem Spiel die Real-Life-Lara aus, welche das Spiel auf Messen und sonstiger Werbung repräsentierte. Nachdem Modell Vanessa Edmouy 1996 Lara verkörpert hatte, übernahm zum Tomb Raider 2 Launch 1997 Schauspielerin Rhona Mitra die Rolle. Ferner begleitete Lara die irischen Rock-Superstars U2 auf ihrer PopMart Tour und Eidos produzierte die unmöglichsten Werbeprodukte mit Tomb Raider Label. Sie gipfelten in Lara Croft Tampons.

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