Das Master System – Sega’s 8-Bit Spielautomat für Zuhause

by Pandur
Space Harrier bekämpft außerirdische Kreaturen

Shigeru Miyamotos Klempnerschöpfung ging mit Super Mario Bros. einen Monat nach dem Master System in die zweite Runde und war mit mehreren Millionen verkauften Modulen Nintendos stärkstes Zugpferd. Segas Master System fehlte ein solcher Plattformer bislang, aber das sollte sich zwei Monate nach dem US Konsolen-Release ändern. Mit Alex Kidd in Miracle World erschuf Kotaru Hayashida, nicht bloß einen Klon, der von links nach rechts scrollte und worin der Spieler über Hindernisse hinwegspringen und hier oder da nach einem Geheimversteck ausschau halten konnte. Miracle World war ein Abenteuer, das sich von Marios Vier-Level-Zyklus löste und sich wie eine natürlichere Erfahrung anfühlte. Obwohl viele Level horizontal scrollten, gab es ebenso vertikal scrollende und sogar ein paar die sich per Flip-Screen in alle vier Richtungen ausweiteten. Alex schlug sich innerhalb der 17 Level durch optisch abwechslungsreiche Welten, die von Bergen, über Wäldern bis hin zu Ozeanen und Städten reichten. Auch die Coins brachten Alex nicht schlichtweg ein Extra-Leben ein, sondern ließen ihn beliebige Power-Ups in Shops kaufen. Statt Blöcke mit seinem scheinbar unzerstörbaren Kopf zu zertrümmern, verwendete der leicht affenartig aussehende Junge mit den großen Ohren eine glaubwürdigere Shellcore genannte Schlagtechnik, die er in seinem Martial Arts Training erlernt hatte. Mit diesem Nahkampfangriff zerschlug Alex speziell markierte Blöcke, die Power-Ups wie beispielsweise eine Kette enthielten und ihn fortan Wellen verschießen ließ. Ein deutliches Upgrade zu den normalen Schlägen. Einige Stages durfte Alex sogar in einem Helikopter, Speedboot oder auf einem Motorrad durchqueren. Der größte Kritikpunkt des bemerkenswert gut gestalteten und brutal schwierigen Plattformers wurden jedoch die lächerlich aussehenden Bosse. Um sich noch stärker vom Mario Vorbild zu distanzieren, bekämpfte der Spieler die Bosse nicht. Designer Kotaru Hayashida entschied stattdessen den Kampf durch ein Stein-Papier-Schere-Duell auszutragen. Was zur Folge hatte, dass der Spieler sich bis zum Boss noch so gekonnt anstellen mochte, dort jedoch sein Fortschritt durch puren Zufall enden konnte. Das und der Umstand mit Alex Kidd in Miracle World umgehend Geld verdienen zu wollen, statt es wie Mario direkt mit der Konsole zu bundeln, kostete Sega beim Release im November 86 den Erfolg. Ungeachtet dessen entstanden im Verlauf der folgenden Jahre sechs weitere Alex Kidds Spiele und der angebliche Prinz wurde Segas Maskottchen der Master System Ära.

Eine Jump’n’Run Reihe, die im Laufe der Master System Geschichte noch weitaus höher in den Top-Ten-Listen erschien, war Wonder Boy. Die Schöpfung des dreiköpfigen Westone Bit Entertainment Entwicklerteams. Ryuichi Nishizawa, Michishito Ishizuka und Hiromi Suzuko schliefen und wohnten im gleichen Büro wie ihr ehemaliger Arbeitgeber Tehkan, als Sega einwilligte ihr erstes Spiel, Wonder Boy, als Automat in die Spielhallen zu bringen. In Folge dessen erschien es als Super Wonder Boy auch als erstes fürs Master System und später in abgewandelter Form von Hudson Soft für die PC Engine. Obwohl es sich stark ans Mario Konzept anlehnte, frisierte es das Spieltempo. Auf dem Weg zur Rettung seiner Grünhaarigen Freundin Tanya rannte der blonde Höhlenjunge Bocke in einem Affenzahn durch die Level. Ständig auf der Jagd nach Früchten, welche seine schnell abnehmende Power-Bar wieder füllten. Denn war sie aufgebraucht starb Bocke genauso wie bei der ersten Berührung eines Feindes. Wohin der Spieler im Normalzustand machtlos war, konnte er Eier öffnen und dadurch Power-Ups wie ein Skateboard oder Äxte finden. Wohlgemerkt Jahre bevor Shigeru Miyamoto das Konzept in Super Mario einbaute. Seine Äxte schwang Bocke im großen Bogen, was sie im Fernkampf zu tödlichen Geschossen und auf kurze Distanz schwer zu benutzen machte. Abgesehen von der Genre-typischen Unverwundbarkeit, umfasste Wonder Boy jedoch ebenso faule Eier, aus denen ein kleiner Sensenmann sprang, der die Powerleiste schneller leerte. Trotz der abwechslungsreichen Welten, die von Dschungel über gruselige Höhlen bis hin zu kaltem Fels reichten, gestalteten sich Wonder Boy Level beinahe identisch. Nichts desto trotz avancierte Super Wonder Boy im März 1987 zu einem der ersten Master System Hitspiele.

Für einen Programmierer führte Yu Suzuki ein äußerst aufregendes Leben. Ende 1986 absolvierte er in Florida ein kurzes Training und flog dann einen amerikanischen Düsenjet. Wodurch er realisierte, dass die gesamten Flugsimulatoren dem wahren Fliegen nicht glichen. Seiner Erfahrung nach war es schwieriger ein Flugzeug in einem Computerspiel zu steuern als im richtigen Leben. So beschloss Yu als nächstes After Burner zu designen. Einen Action-gelandenen Rail-Shooter, indem der Spieler seine F-14 Tomcat durch 18 stufenlos übergehende Level flog und dabei russische Migs mit Maschinengewehrsalven und Raketen vom Himmel holte. Anfänglich wollte Yu seine Schöpfung auf dem japanischen Steampunk Anime „Laputa: Castle in the Sky“ aufbauen und so ähnlich wie bei Space Harrier eine Fantasiewelt erschaffen, durch die der Spieler mit einem Propellerflugzeug glitt. Doch die Begeisterungswelle für Tom Cruise „Top Gun“ ließ ihn zum Realismus wechseln. Für die im Juli 1987 aufgestellten After Burner Automaten überholte Yu’s AM2 die bisherigen System 16 Platinen komplett und spendierte ihnen doppelt so viel Speicher und GPU Power, was zu neuen Texturmanipulationen und atemberaubender Geschwindigkeit führte. Das Gehäuse des Spielautomaten war nicht ohne Grund Überkopf geschlossen. Der hydraulische Sitz drehte sich horizontal und das Cockpit selbst vertikal mit den Flugzeugmanövern. Ein nervenaufreibendes Erlebnis das Tausende Top Gun Fans in die Spielhallen stürmen lies. Die im Dezember folgende Master System Portierung bot das selbstverständlich nicht, überzeugte aber dennoch durch erstaunliche Detailtreue für ein 8-Bit System.

After Burner, Out Run, Space Harrier, uvm. hatten Sega in europäischen Spielhallen bereits einen Namen für Qualität gesichert. Nintendo besaß diesen Ruf nicht. Beide Firmen brachten ihre 8-Bit-Konsolen 1987 über dort ansässige Distributoren auf den europäischen Markt. Mattel vertrieb das NES in beinahe ganz Europa, während das Master System von Ariolasoft in Deutschland, Master Games in Frankreich und Mastertronic in Großbritannien ausgeliefert wurde. Mattel verlangte 99 Pfund für die Konsole und 50 – 60 Pfund pro NES Modul, wohingegen C64 Spiele von ähnlicher Qualität für gerade mal für 2 Pfund über die Ladentheke gingen. Mastertronic servierte Segas Master System den Briten ebenfalls für 99, die Spiele aber für je 20 Pfund. Damit lag Segas Palette zwar immer noch über den Preisen eines ZX Spectrum oder C64, aber deutlich unter dem 400 Pfund Anschaffungspreis des ebenfalls 1987 gelaunchten Commodore Amigas oder Atari STs.
Was im Heimcomputer dominierten Großbritannien jedoch mindestens genauso wichtig für den Ausbruch des Master System Fiebers war, war dessen Prozessor. Denn im Gegensatz zum NES basierte das Master System auf der gleichen Z80-Architektur wie der ZX Spectrum und C64. Großbritanniens damals auserwählte Entwickler-Plattformen. Was es britischen Programmieren wie Bullfrog, US Gold oder Domark spielend leicht ermöglichte Hits wie Populous, Gauntlett oder Prince of Persia fürs Master System zu portieren. Auf diese Weise überholte Sega Nintendo 1987 in Europa und spielte Mastertronic vom Oktober 1987 Release bis Jahresende bereits Jahr 5 Millionen Pfund in die Kasse.

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