Trilobyte Games – Unmöglich dauert etwas länger

by Pandur

Mit der neu gewonnenen Publicity avancierte The 7th Guest zu einem heiß erwarteten Spiel. Während Graeme seiner GROOVIE Game Engine den letzten Schliff verlieh, wandte sich Rob Landeros bereits dem Nachfolger zu. Schriftsteller Matthew Costello verfasste eine 60 Jahre später spielende Geschichte, mit abgedrehten Charakteren rund um eine Mordserie am Hudson River. Erneut eine Hommage an Twin Peaks. Als ehemaliger Art Director von Cinemaware war Rob mit dem Ergebnis des 7th Guest Videomaterials jedoch unzufrieden. Die Aufnahmen musste deutlich an Qualität zulegen. Gleichzeitig hatte Trilobyte jedoch bislang kein einziges Spiel ausgeliefert und steuerte finanziell eher auf die Pleite zu. Rob fand seine Lösung in dem Fernsehwerbungssegisseur David Wheeler, der zufälligerweise gerade von Los Angeles nach Ashland, nahe Jacksonville gezogen war. Dazu verleitet sich einen Namen im kommenden Interactive Entertainment Genre zu schaffen, investierte David Wheeler in Trilobyte. Gemeinsam mit Rob schoss er für den Nachfolger, The 11th Hour, Videomaterial im Wert von einer halben Million Dollar.

Davids Regie beeinflusste jedoch stark Matthews Charaktere. Er gab der Geschichte eine deutlich gewalttätigere und füramerikanische Verhältnisse pornografische Richtung. Wodurch Matthew Costelo ausstieg. Eines Märzmorgens stolperte Graeme zufällig in eine Aufnahme gleich nebenan rein, in der eine Schauspielerin, lediglich bekleidet mit einem genoppten Lederhalsband einen deutschen Schäferhund im Zaum hielt. Eine Szene, die zum ersten lautstarken Streit zwischen Graeme und Rob führte. Rob drehte danach sämtliche derartige Szenen doppelt und dreifach, mit unterschiedlich viel Kleidung und Gewalt.

Wenige Wochen später war alles vergeben und vergessen, denn The 7th Guest war gemastered. Trotz des Medienrummels fürchteten sowohl Trilobyte als auch Virgin Games, es könnte sich nicht zum erwarteten Blockbuster entwickeln. Die erste Pressung betrug lediglich 60.000 Exemplare. Diese 60.000 Exemplare waren bereits in der ersten Nacht ausverkauft. Das wohl gemerkt bei einem Verkaufspreis von 99$. Die Händler begannen sogar die Preise der dazu verkauften CD-ROM Laufwerke auf 300% des Normalpreises zu erhöhen, weil ihnen beides aus den Händen gerissen wurde. The 7th Guest sollte letzten Endes 3 Millionen Exemplare verkaufen. Was aber selbstverständlich über Jahre hinweg geschah. Nichts desto trotz sah Trilobyte Millionen Dollar auf sich zukommen.

Ähnlich wie Eidos mit ihrer jährlich wiederkehrenden Tomb Raider Reihe, plante Graeme stetig erscheinende Nachfolger. Er wollte die 7th Guest Technologie leicht verbessern und mit dem vorhandenen Filmmaterial bereits 1994 den nächsten Millionenseller ausliefern. Aber dann sah er sich Rob und Davids 11th Hour Film an. Nicht nur, dass das Werk stolze 64 Minuten Filmlänge erreichte, schockierte ihn, sondern schon die erste Szene einer Hochgeschwindigkeits-Motorradfahrt warf ihn aus der Bahn. Leicht transparente Geister von einem Bluescreen ins Spiel zu bringen, war eine ganz andere Sache als Kamerafahrten an realen Locations mit den 150 KB/Sek eines CD-ROMs abzuspielen. Graeme war überzeugt, seinen Kollegen gesagt zu haben, dass sie die Kamera still halten mussten. Aber beide bestritten das je gehört zu haben. Wie auch immer, war die Aufnahme im Kasten und Trilobyte verfügte für den Moment nicht über ausreichend Geld, alles zu wiederholen. Also machte sich Graeme an die unmögliche Aufgabe der Videokomprimierung. Es sei anzumerken, dass die damaligen Hardware-MPEG-Beschleuniger-Karten es nicht mal vermochten, Super-VGA Videoaufnahmen abzuspielen, geschweige denn eine normale PC CPU.

Zur ungefähr gleichen Zeit kamen die ersten 7th Guest Gewinne herein. Trilobyte bezog eine neue Niederlassung in einem alten viktorianischen Schulgebäude des 19. Jahrhunderts. Sie stellten mehr Mitarbeiter ein und nahmen simultan einen Auftrag von Disney Interactive an. In dem Dog Eat Dog benannten Büro-Politik-Simulator sollte sich der Spieler als Angestellter an die Spitze der Firma schwindeln. Ein Projekt das Trilobyte zunächst einen weiteren sechsstelligen Betrag kostete. Da Investitionen und Expansion zu dem Zeitpunkt ein schlauer Zug zu sein schien, schloss Trilobyte einen Vertrag mit Untenberg Harris ab. Die Risikokapitalanleger pumpten augenblicklich eine Million Dollar in Trilobyte.

Am Tag des einjährigen 7th Guest Jubiläums war The 11th Hour noch nicht annähernd fertig. Schlimmer noch. Aufgrund der Videoanforderungen hatte Graemes Team die Farbpalette von 256 auf 16 Farben beschränken müssen. Finanziell ging es jedoch weiter bergauf. Ihr Erstlingswerk hatte Trilobyte zwischenzeitlich fünf Millionen Dollar an Gewinnbeteiligungen eingebracht und Nintendo zahlte ihnen zu dem Zeitpunkt eine weitere Million für die Konsolenrechte. Nintendo besaß damals keine CD-basierende Konsole, aber Sega schon und so verhinderte Nintendo, dass Sega einen weiteren Spielehit erhielt. Doch Nintendo war nicht der einzige Branchenriese. Microsoft, Disney, 20th Century Fox und Paramount Pictures fuhren in Limousinen vor dem Schulgebäude vor. Sie wollten Videospielumsetzungen von Congo, Akte X oder Blade Runner. Letzteres landete durch Virgin dann tatsächlich bei den Westwood Studios. Denn Trilobyte ließ sie alle abblitzen. Rob und Graeme wollten ihre eigene kreative Ader ausleben. Eine weitere Finanzspritze über fünf Millionen Dollar von Microsofts Mitgründer Paul Allen ließ das Duo jedoch zu. Trilobyte bekam auf diese Weise nicht nur Millionen auf der Bank, 60 Angestellte und ein Gebäude mit Kugelsicherem Glas in Medford, sondern ebenso einen Aufsichtsrat. Zu dem Zeitpunkt schätzten Experten Trilobyte auf einen Wert von 50 Millionen Dollar.

Im Oktober 1994 war bereits klar, dass 11th Hour das Weihnachtsgeschäft 94 verpassen würde. In dem Moment kostete das Spiel Trilobyte bereits zwei Millionen Dollar, von denen anderthalb aus der eigenen Tasche kamen, da sie mit Virgin lediglich ein 500.000 Dollar Budget vereinbart hatten. Als Ausgleich für die Öffentlichkeit hielt Trilobyte im Dezember jedoch eine Presse-Tour ab. Die Trilobytes tourten von Los Angeles und San Francisco nach New York und Washington D.C. Stilistisch immer in angeblich spukenden Gebäuden wie der The Mansions Villa in San Francisco. Nicht nur Videospielmagazine berichtete über Trilobyte, sondern ebenso das Rolling Stone und People Magazine. Nichts desto trotz verschlechterte sich Graemes Stimmung zunehmend. Ähnlich wie id Software’s John Carmack vergrub er sich in den Nachtstunden in Arbeit und verschickte Droh-Mails an die tagsüber arbeitende Belegschaft. Den angestrebten Anfang 1995 Erscheinungstermin, sowie die geplante Mai-Beta, verpasste 11th Hour. Rob war unterdessen derart gelangweilt, dass er sich der Arbeit seines Regisseurkollegen David Wheeler annahm. David sollte Tender Loving Care verfilmen, ein Buch von „Im Auftrag des Teufels“ Autor Andrew Neidermann. TLC drehte sich um eine wunderschöne Psychotherapeutin, die von Michael Overton angeheuert wurde, um seiner Frau Allison über die psychischen Problem ihres verstorbenen Kindes hinweg zu helfen. Doch die nymphomanische Therapeutin begann stattdessen Psychospielchen mit dem Paar zu spielen. Rob überredete David aus Tender Loving Care einen Film und gleichzeitig ein Spiel zu machen. Es sollte die übliche Render-Video-Mischung mit psychologischen Multiple-Choice-Fragen kombinieren. Ähnlich der bekannten Rorschach Tests sollte TLC thematische Auffassungstests einsetzen. Am Ende eines Spielabschnitts, musste der Spieler seine Meinung über die erlebte Geschichte und Charaktere abgeben, was die Richtung der zukünftigen Handlung definierte. Quasi wie der von Netflix 2018 produzierte Bandersnatch Film. Das Tender Loving Care Game sollte ein personalisierter Film werden. Der den Spieler Variationen vom Disney Familienfilm bis hin zum perversem Porno spielen ließ. Der Trilobyte Aufsichtsrat war von dem neuen Aspekt begeistert und segnete Rob’s Projekt umgehend ab.

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