Valve Corporation – Besser zu spät als beschissen

by Pandur

Für Valve hatte nie die Frage bestanden, ob es einen Half-Life Nachfolger geben würde. Die Frage war, wie Valve ein Spiel übertreffen konnte, was als einer der besten PC Titel aller Zeiten galt. Zu Beginn der Arbeiten verkündete Gabe seinem Team, es gäbe keinen Zeitdruck und absolut kein Limit fürs Budget. Statt sich vom Gewinn des ersten Teils schicke Ferraris zu kaufen, wanderten sämtliche Half-Life Einnahmen in den Nachfolger. Rückblickend auf die Errungenschaften des ersten Spiels, waren die Käufer am meisten von den Charakteren begeistert gewesen und hatten mit getrauert als Barney starb. Deshalb wollte Valve dieses Mal ausschlaggebende Begleitcharaktere mit einem Verhältnis zum Spieler erschaffen. Das zweite Ziel war es, die Welt von Half-Life 2 wahrlich zum Leben zu erwecken. Interaktive Umwelten gab es schon länger, aber sie beschränkten sich darauf die Toilette abziehen zu können oder eine Cola Dose aus dem Automaten zu ziehen. Bei Valve wanderte die Idee an die Tafel, Half-Life 2 würde Physik und Künstliche Intelligenz benutzen, um die Grenzen des Spieledesigns auszuweiten. Sie malten sich Szenarien aus, wie das der Spieler eine Heizung benutzen könne, um sie als Schild zu verwenden. Ende Sommer 2000 wurde ihnen klar, dass sie dafür eine neue Engine brauchten. Obwohl die kürzlich erschienene Quake 3 Engine auf dem technologischen Höhepunkt war, brauchte Valve für ihre Bedürfnisse etwas anderes. Sie beschlossen eine eigene Engine zu schreiben. Was volle drei Jahre in Anspruch nehmen würde. Aber das wussten sie zu dem Zeitpunkt noch natürlich noch nicht.

Um Verbundenheit aufzubauen, brauchten die Half-Life 2 Charaktere nicht nur lippensynchrone Mundbewegungen, sondern insgesamt glaubhafte Gesichtsanimationen und Körperbewegungen. Zu dem Zeitpunkt hatten selbst die CGI Experten Hollywoods dieses Geheimnis noch nicht geknackt. Also betrieb Valve selbst Forschung. Sie traten mit Prof. Dr. Ken Perlin von der NYU in Kontakt, der führenden Kraft auf dem Gebiet der Computergrafik, sowie Psychologe Dr. Paul Elkman, welcher Polizisten im Erkennen von Lügen trainierte. Zudem stellte Valve den Disney Animationskünstler Bill Fletcher ein.
Programmierer Jay Stelly fokussierte sich derweil auf die Integration eines glaubwürdigen Physiksystems. Looking Glass Seamus Blackley hatte schon Jahre zuvor in System Shock damit begonnen und später in Jurassic Park: Trespasser weitergeführt. Aber Looking Glass war wegen zu geringem Umsatz pleite gegangen und auch Dreamworks Interactives Trespasser war ein finanzielles Fiasko geworden. Obwohl diese neuen Technologien den Spieler umhauen sollten, durfte sich das Spiel also nicht nur darauf beschränken. Es sollte weiterhin um die Entdeckungsreise von Gordon Freeman gehen und der Spieler ebenso immer noch in Situationen landen, wo er mit einer Waffe und Monstern in einen Raum geworfen wurde. Sie mussten eine glaubwürdige Umgebung nach Black Mesa finden. Als erstes plante das Team, Gordon zu verschiedenen Planeten zu teleportieren und die Xen Aliens des ersten Teils bekämpfen zu lassen. Das verwarfen sie jedoch schnell wieder, da es keine Kontinuität zwischen den Leveln geben konnte. Dann kam Art Director Viktor Antonov auf die Idee, es in eine osteuropäische Vorstadt zu versetzen und so war City 17 geboren.

Mitte 2001 hatte Valve insgeheim bereits fasst 2 Jahre an Half-Life 2 gearbeitet. Doch alles was sie vorzuweisen hatten, war ein grobes Skript, ein paar Konzeptzeichnungen und Tonnen von Technologie-Experimenten. Der erste große Durchbruch kam erst, als die Physik innerhalb der Engine funktionierte. Bislang statische Level wurden zu Spielplätzen. Ein paar Designer entwickelten sogar Zombie-Baskettball. Bei dem sie eine Physikmanipulationswaffe benutzten, um Zombies durch Ringe zu werfen und in Mülleimern landen ließen. So unterhaltsam und befriedigend der Fortschritt war, war es gleichzeitig ein Designalbtraum, weil der Spieler ebenso diese Freiheit genießen dürfte. Bis Sommer 2001 hatte das Half-Life-2-Team eine Demo aus all den neuen Technologien zusammengestellt. Es war eine Straßenkrieg-Sequenz, bei der Panzer und Mannschaftstransporter durch die Straßen rollten, Bürger Molotov Cocktails warfen usw. Diese Demo sollte ihr Proof of Concept für die bevorstehende die E3 2002 werden. Aber obwohl das Ergebnis überwältigend aussah, empfand Gabe sie nicht als gut genug. Seiner Meinung nach musste die Demo jeden umhauen. Woraus resultierte, Half-Life 2 würde nicht auf der E3 zu sehen sein. Gabes harte Entscheidung löste Verunsicherung beim Team aus. Sie fragten sich, ob sie nach drei Jahren Entwicklung überhaupt auf dem richtigen Weg waren und warum sie das machten? Es erinnerte sie an den Herbst 97, wo Valve nach einem Jahr Arbeit das gesamte Half-Life verworfen hatte und von Vorne anfing. Es vergingen einige Wochen, bis das Team sich bekrabbelt hatte. Bis September 2002 erschufen sie neues Proof of Concept: Ein Buggyrennen entlang der Küste von City 17, eine Begegnung mit den Headcrabs und dem Widerstand, sowie der Strider Angriff auf Downtown City 17. Einen Monat später wechselte Half-Life 2 von Pre-Produktion in die eigentliche Produktion, mit geschätzten Kosten von 1 Million Dollar pro Monat. Gabe Newell schätzte die Arbeit auf ein Jahr und legte somit den 30. September 2003 als Erscheinungstermin fest. Ein aggressives Ziel aus der Sicht einiger Mitarbeiter, aber gleichzeitig endlich ein greifbares Ende ihrer schon langen Strapaze. Auf der folgenden E3 im Mai 2003 präsentierte Gabe zum ersten Mal der Öffentlichkeit Half-Life 2. Die Demo riss das Publikum vom Hocker! Aber es kam gleichzeitig die Frage auf, warum die Demo nicht spielbar war, wenn das Spiel doch wenige Monate später erscheinen sollte. Valve intern gab es ähnliche Überlegungen. Die Übersetzungen hätten zur Zeit der E3 starten müssen, aber nicht mal die englischen Dialoge waren komplett. Das Team überlegte, diversen noch nicht entwickelten Content zu streichen, aber Gabe winkte ab. Seine Reaktion war, es wird nichts gestrichen, um einen Termin einzuhalten. Der Öffentlichkeit teilte Valve davon jedoch nichts mit. Stattdessen blockierten sie von da an sämtliche Presseanfragen über den Stand des Spiels. Bis einen Monat vor dem offiziellen Release-Date bejahte Valve, Half-Life 2 würde Termingerecht ausgeliefert. Genau eine Woche vor dem angekündigten Release, kam dann die offizielle Meldung zur Verschiebung.

Wenige Tage vor dem 30. September hatte Gabe ungewöhnliche Aktivität seiner Festplattenleuchte festgestellt. Dann kurz darauf wurde er im Internet über die Grafikqualität von Doom 3 zitiert, wie er es nur in einer internen E-Mail beschrieben hatte. Gabe durchsuchte seinen Rechner nach Viren etc. und fand ein ihm unbekanntes Programm. Selbiges fand er ebenso auf weiteren Firmenrechnern. Als ihm klar war, dass Valve gehackt wurde, war es bereits zu spät. Am 4. Oktober 2003 stand der gesamte Source Code von Half-Life 2 im Internet. 3 Tage später folgte eine spielbare Version. Sie machte nur einen Drittel des Spiels aus, aber der angerichtete Schaden war enorm! Der Hacker hatte der Öffentlichkeit gezeigt, wie weit Valve tatsächlich hinter der Entwicklung zurück lag. Bis zu dem Zeitpunkt hatte Valve mit ca. 15 Millionen Half-Life 2 Verkäufen gerechnet, was in 700 Millionen Dollar resultiert hätte. Aber in dem Moment schwanden ihre Hoffnungen. Die Käufer hatten das Spiel nicht nur schon, sie fanden es auch noch schlecht! Die Beleidigungen gingen so weit, dass die Fans ihre Abscheu im Spiel widerspiegelten. Was u.a. zu einer Oralsexszene zwischen der weiblichen Hauptfigur, Alyx Vance, und Dr. Kleiner führte. Das größte Problem für Valve war, dass das Team durch den Diebstahl den Fokus verloren hatte. Sie fragten sich, ob die Weiterentwicklung des Spiels überhaupt noch Sinn machen würde, oder ob Valve vielleicht sogar das Ende drohte? Gabe bestärkte sie und letztlich baute das Team Half-Life 2, von seinem deutlich düsteren Pre-Alpha-Stand, auf das um, was jeder später in der Release Version sehen durfte. Bis März 2004 war der erster Alpha Play Test fertiggestellt und am 16.11.2004, gut ein Jahr nach dem Hack, konnte jeder das fertige Half-Life 2 spielen. Die angepeilten 15 Millionen Exemplare erreichten die Verkäufe nicht mehr, aber stolze 12 Millionen. Wie Teil 1 erzielte auch Half-Life 2 eine Durchschnittswertung von 96 Punkten, womit es im Guinness Buch der Rekorde als der höchst bewertete Shooter steht. Es heimste stolze 39 Game of the Year Awards ein und wurde sogar zum besten Spiel des Jahrzehnts gewählt. Valve hatte es erneut geschafft das Genre zu revolutionieren.

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