BioWare – Aufstieg und Fall des Rollenspiel-Imperiums

by Pandur

Jahre zuvor, Anfang 2004, als Star Wars: Knights of the Old Republic fertig war, begann Casey Hudson, zusammen mit Drew Karpyshyn, Mac Walters und weiteren BioWare Veteranen, ein neues Intellectual Property zu entwerfen. Ihr Ziel war es das ultimative Science-Fiction Abenteuer zu erschaffen, wofür sie sich an Filmvorlagen wie Star Wars, Alien, Blade Runner, Star Trek II: The Wrath of Khan oder Starship Troopers bedienten. Die Schlüsselkomponenten ihres Mass Effect Universums sollten organisches gegen künstliches Leben und Natur gegen Technologie sein. Grob 200 Jahre in der Zukunft begann die Menschheit die Galaxie zu erkunden, ohne zu wissen was sie erwarten würde. Als sie neue Welten erreichten, fanden sie heraus, dass es ebenso vielen weiteren Spezies gelungen war. Einigen von ihnen der Menschheit feindlich gesonnen. Der Begriff Mass Effect definierte eine Masse-negierende-Technologie, welche die Erschaffung von physikalischen Phänomenen, wie künstlicher Schwerkraft und Überlichtgeschwindigkeit, ermöglichte. Sie legten die umfangreiche Geschichte für eine Trilogie aus und verwendeten mit der Unreal Engine 3 bereits bestehende Technologie, womit sie hofften, die Entwicklungszeit verkürzen zu können. Dennoch benötigte das 130 Mann starke Team dreieinhalb Jahre, um Mass Effect 1 fertigstellen zu können.
Entgegen den vorangegangenen Rollenspielen mit einem unbeschriebenen Blatt, übernahm der Spieler in Mass Effect die Rolle des Spezialkommando Kommandanten Shepard. Shepard füllte eine zentrale Rolle aus und musste wichtige Entscheidungen treffen. Entscheidungen und Konsequenzen waren ein wichtiger Faktor der Entwickler, um einen neuen Intensitätslevel mit filmartiger Atmosphäre zu schaffen.
Gleichzeitig wollten sie das Pseudo-Rundensystem von KotOR in einen Echtzeit-Shooter verwandeln, aber ebenso taktische Elemente mit einfließen lassen. Es entstand ein Truppen-basierendes Kampfsystem, bei dem der Spieler in den Feuergefechten seinen beiden Kameraden Angriffsbefehle erteilen durfte. Mass Effect überholte komplett das Erzählungssystem der bisherigen Titel. Statt Dialoge in Textfenstern anzuzeigen, hüllte Mass Effect sämtliche Gespräche in filmreife Zwischensequenzen mit verschiedenen Kameraperspektiven und Überblendungen. Es brach außerdem das Konzept der einseitigen Unterhaltungen, indem es beide möglichen Heldenfiguren komplett mit Sprachausgabe versah. Alles vereint in einer gänzlich neuen Welt mit unbekannten Rassen, herzergreifenden Charakteren und wie üblich einer epischen Geschichte. Der phänomenale Action-Titel, rund um die Erkundung neuer Welten, enthielt jedoch nur wenige, knappe Nebenaufgaben und war mit 20 Stunden Spielzeit ein für BioWare unüblich kurzes Spiel. Das Truppen-Befehlssystem und Ausnutzen von taktischen Deckungen hoben ME weiter vom Standard-Shooter ab. Das Überhitzungssystem der Waffen, bremste das Spielgeschehen in Gefechten jedoch leicht aus. Der größte Kritikpunkt wurden aber die Fahrstühle, welche Ladezeiten überbrücken sollten, doch ähnlich aufregend wie ein Loadscreen selbst waren. Das Spiel versuchte sie mit Nachrichtenmeldungen zu überbrücken. Nichts desto trotz, war Mass Effect im November 2007 ein bombastischer Erfolg. Die Durchschnittswertung lag bei 91%. Es bekam mehrere Game of the Year Awards. Die Xbox 360 Fassung verkaufte sich innerhalb einer Woche mehr als eine Millionen Mal und steigerte sich auf fasst 3 Millionen. BioWare ließ das Spiel später von Demiurge Studios und Edge of Reality auf PC sowie Playstation 3 portieren.

Mit der ersten Finanzspritze aus der BioWare-Pandemic-Fusion kehrten die Kanadier zu den bewährten Erfolgskonzepten der Vergangenheit zurück. Nach Dungeon & Dragons sowie Star Wars pickten sie sich mit Sonic the Hedgehog einen weiteren bekannten Franchise raus. Sonic Chronicles: The Dark Brotherhood war in sämtlichen Punkten eine Rückkehr zum Bewährten. Ein Rundenbasierendes Rollenspiel mit 2D Landschaften zum Erkunden und 3D Kämpfen. Auf Grund der stets höheren Absatzzahlen von Konsolenspielen, komplett für Nintendo DS entwickelt. Wodurch die zweijährige Entwicklung von einem 30 Mann Team absolviert werden konnte. Der Spieler, in der Rolle von Segas Ikone, musste zunächst Knuckles Entführung und das Verschwinden der Chaos Emeralds aufklären und drang mit seiner vierköpfigen Gruppe in eine neue Dimension ein. Als erstes Sonic RPG wurden die neuen Dialoge und die Geschichte des Spiels von den Kritikern mit gemischten Gefühlen aufgenommen. Sonic Chronicles bekam lediglich eine 74 Punkte Durchschnittswertung. Verkaufte sich aber dennoch fasst eine Millionen Mal. Ein solider Einstieg. Die BioWarians beschreiben im Nachhinein, dass sie bereits eine genaue Idee für den Nachfolger hätten. Durch ihren neuen Besitzer, Electronic Arts, wurden die Pläne mit Konkurrent Sega jedoch fallengelassen.

Das Neverwinter Nights Team war nach BioWares letztem D&D Rollenspiel ebenso zu einem eigenen IP gewechselt. Baldur’s Gate 2 Schreiber David Gaider erschuf zunächst die düstere Fantasy Welt und anschließend den Plot von Dragon Age: Origins. Die Mischung aus Herr der Ringes High-Fantasy und Game of Thrones Low-Fantasy sollte der geistige Nachfolger zu Baldur’s Gate und Neverwinter Nights werden, ohne die Restriktionen der Lizenzgeber. Der Untertitel „Origins“ sollte die Ursprünge symbolisieren, zwischen denen sich der Spieler zu Beginn entscheiden musste. In David Gaiders ursprünglichem Konzept gab es zwölf davon, inklusive eines Barbaren und eines Avvars. Doch nur sechs wurden letztlich realisiert. Die Dragon Age Welt bekam, neben den weit verbreiteten Zwergen und Elfen, das metallhäutige Riesenvolk der Qunari und die meist unterirdisch hausende Dämonenartige Dunkle Brut. Letztere wurden hauptsächlich von einem Paladin-ähnlichem Orden namens Graue Wächter bekämpft. Entgegen BioWares Sci-Fi Spielereihen bekam Dragon Age kein Karma-System, damit der Spieler selbst mit den Ereignissen und Charakteren sympathisieren konnte. Das 180 Mann starke Team arbeitete vier Jahre an Dragon Age: Origins. Die Eclipse Engine, eine Weiterentwicklung ihrer NwN und KotOR Engine ermöglichte es dem Team das Spiel erstmalig gleichzeitig für PC, Playstation 3 und Xbox 360 zu produzieren.
In 60 Stunden durchlebte der Spieler seine gewählte Herkunftsgeschichte, welche ihn in unterschiedliche missliche Lagen brachte und so zum Betritt der Grauen Wächter zwang. Verursacht durch den Verrat Generals Loghains verloren die Grauen Wächter die folgende Schlacht, was den Tod des Königs und beinahe aller Grauen Wächter zur Folge hat. Es lag somit am Spieler, durchs Land zu reisen und die verschiedenen Fraktionen für die finale Auseinandersetzung gegen den gottähnlichen Drachen der Dunklen Brut zu vereinen.
Stärker als jemals zuvor und jemals wieder, peilte Dragon Age Origins klar das erwachsene Publikum an und dominierte durch extremen Einsatz von Blut. Wie immer umfasste Dragon Age erneut diverse Romanzenoptionen und zum ersten Mal Sexszenen mit dem selben Geschlecht. Beim Release im November 2009 rangierte die Durchschnittswertung je nach Plattform zwischen 86 und 91 Punkten. Mit fasst 5 Millionen verkauften Exemplaren wurde Dragon Age zu BioWares erfolgreichstem eigenen Franchise.

2009 war gleichzeitig das große Jahr der Umstrukturierung durch Electronic Arts. EA eröffnete ein zweites Studio in Kanada, das sie BioWare Montreal tauften. Es sollte das Edmontoner Studio bei den Mass Effect Titeln unterstützen. Electronic Arts zweites MMORPG Studio, Mythic Entertainment, was sie 2006 kauften, wurde nun BioWare unterstellt. Mythic Entertainments Chef, Mark Jacobs, musste seinen Hut nehmen und BioWare Gründer Ray Muzyka ersetzte ihn. Was es zu BioWare Mythic machte. BioWare war somit offiziell die Rollenspiel-Abteilung von Electronic Arts.

Casey Hudsons Team in Edmonton hatte zwischenzeitlich das Fan-Feedback des Mass Effect Releases analysiert und daraus ein neues Ziel für Mass Effect 2 entwickelt. Es sollte weniger Spiel und mehr Erfahrung sein. Statt sich exklusiv auf die Hauptgeschichte zu fokussieren, wollten sie multiple Plots mit optionalen Geschichten von gleicher Dichte erschaffen. Zusätzlich zu dem Feindbild aus Teil 1, entstand eine dritte Partei, die bei der ursprünglichen Trilogie-Planung nicht in dem Maß vorgesehen war: Cerberus. Casey’s Team baute die Spielmechaniken stärker in Richtung eines Third-Person-Shooters aus. Das Überhitzungsmodell der Waffen verschwand. Stattdessen gab es begrenzte Universalmunition für sämtliche Waffen. Außerdem regenerierten Commander Shepard und seine Truppe automatisch Gesundheit.
Während Shepard in Mass Effect 1 im Auftrag des galaktischen Rates gegen einen Vorboten der alles vernichtenden Reaper und die künstlichen Geth gekämpft hatte, half ihm nun die Privatorganisation Cerberus gegen die biologisch umgewandelten Kollektoren, welche einen humanoid aussehenden Reaper konstruierten. Mass Effect 2 setzte maßgeblich auf die Beziehungen mit den Squad-Mitgliedern und deren Werdegang. Es nahm Abstand von der freien Erkundung und präsentierte lineare Level, des typischen Corridor-Shooter-Konzepts. Der Import von Spielständen aus dem Vorgänger und dadurch resultierende veränderte Weltlage wurde zum neuen Aushängeschild von Mass Effect und zukünftigen Dragon Age Rollenspielen. Mit 4 Millionen verkauften Exemplaren und 96% Metacritig-Rating, war es das bestverkaufte Mass Effect Spiel der Firmengeschichte. Obwohl noch viele erfolgversprechende Titel in der Entwicklung waren, hatte BioWare in dem Moment den Höhepunkt der Firmenlaufbahn erreicht.
Parallel zum Release erschienen zwei weitere Squad-Mitglieder separat als kostenpflichtiger DLC. Gefolgt von 15 weiteren DLCs im Verlauf eines Jahres.

Kurz nach der Veröffentlichung von Mass Effect 2, was als letztes reines BioWare Spiel betrachtet werden könnte, verließen zahlreiche BioWare Veteranen die Firma. Trent Oster und Cameron Tofer, die ersten beiden BioWare Angestellten, gründeten im Juli 2010 Beamdog. Ein ebenfalls in Edmonton ansässiges Studio, dass die klassischen BioWare und Black Isle Rollenspiele als Enhanched Editions für aktuelle Systeme überholte. Sie programmierten zudem Baldur’s Gate: Siege of Dragonspear. Ein Spiel was die Geschichte von Baldur’s Gate 1 mit 2 verband. Beamdog schlossen sich u.a. Brent Knowles an, der Baldur’s Gate 2, Jade Empire und Dragon Age designt hatte, Russel Rice, welcher die Konzeptzeichnungen von Shattered Steel und Baldur’s Gate 2 entwarf und zuletzt David Gaider, der Schreiber von Baldur’s Gate 2, dem Dragon Age Universum und amüsanten Charaktere wie dem Killerdroiden HK-47. Ihr Abschied von BioWare schien ein Resultat der Dragon Age II Entwicklung gewesen zu sein, an dem Brent Knowles und David Gaider noch beteiligt gewesen waren.

Es erschien im März 2011 und war in vielerlei Beziehung ein Rückschritt. Denn es machte den Eindruck eines halbfertigen Spiels. Einzig auf die Stadt Kirkwall konzentriert, bot Dragon Age II wenig optischen Anreiz und war mit 35 Stunden Spielzeit eines von BioWare kürzesten RPGs. Die gesamte Handlung wurde vom Zwerg Varrick, während eines Verhörs durch Wächterin Cassandra, erzählt, um Zeitsprünge zu ermöglichen. Der Hawke getaufte Spieler, durfte sich im ersten Akt lediglich für eine Klasse, Dieb, Krieger oder Magier entscheiden und lernte dann die verschiedenen Fraktionen der Stadt kennen, um eine Expedition in die Dunklen Wege unter der Stadt zu leiten. Nach diesem, parallel zu Dragon Age: Origins verlaufenden, Handlungsstrang, sprang der zweite Akt drei Jahre in die Zukunft, wo das politische Intrigenspiel der Stadt zu einem Angriff der Qunari führte, welchen der Spieler zurückschlug. Was ihn zum Helden von Kirkwall machte und in letztlich im dritten Akt zur Wahl zwischen den Magiern oder Templern zwang, an deren Seite er den Showdown bestritt. Dieser war das Highlight des Spiels, wirkte aber gleichzeitig wie der Vorabtest eines MMO-Bosskampf-Systems für BioWares kommendes Spiel. Der mit Mass Effect 2 eingeführte Import der Weltlage des vorangegangenen Titels, nahm in Drageon Age 2 nur minimalen Einfluss auf wenige Gesprächsinhalte. Dragon Age II verkaufte sich gerade mal halb so oft wie der Vorgänger. Die Kanadier erweiterten die Kampagne im Nachhinein durch drei Story-DLCs. Die Produktion des letzten geplanten DLC, The Exalted March, wurde im März 2012 eingestellt.

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