Anfang der 80er verlor der einst florierende Spielautomaten-Hersteller Sega, durch finanzielle Verluste des Mutterkonzerns Gulf and Western, seine amerikanischen Produktionsstätten. Plötzlich auf die japanische Niederlassung reduziert, expandierte deren Geschäftsführer Hayao Nakayama in Wohnzimmer-taugliche-Spielkonsolen. Auch wenn ihr 8-Bit Master System dem rivalisierenden Nintendo Entertainment System technisch überlegen war, litt es unter einem verspäteten Release und zu kleiner Spielpalette. Auf dem nordamerikanischen Markt ging das Master System bei seinem 1986 Erscheinen quasi unter. Ein Rückschlag, den Sega mit ihrer 16-Bit Genesis Konsole 1989 nicht wiederholen wollte. Dieses Mal heuerte Hayao zur US amerikanischen Vermarktung das Marketing-Genie Tom Kalinske an. Den Mann, der aus Mattels Barbie, Hot Wheels und Masters of the Universe Millionenseller machte. Trotz ihm glich die Rückeroberung Nordamerikas einem Kampf gegen Windmühlen. Denn Nintendo riss sich zwischenzeitlich durch Exklusiv-Verträge beinahe jeden Namenhaften japanischen Videospiel-Hersteller unter den Nagel. Ob Capcom, Enix, Tecmo oder Konami, sie alle unterstanden Segas zuvor kleinem Gegenspieler. Dem einstigen Platzhirsch blieb keine andere Wahl, als vielversprechende Startups aufzulesen und den Großteil ihrer Genesis Spielpalette selbst zu stemmen. Mit Segas Jahre zurückreichender Spielautomaten-Auswahl, stellte das auf dem japanischen Markt geringe Probleme dar. Aber Amerikaner entsprachen einer gänzlich anderen Kultur, deren Geschmack zu treffen, das expandierende Unternehmen neu erlernen musste. Der ideale Schritt schien es zu sein, japanische und amerikanische Videospiel-Entwickler unter einem Dach zu vereinen. Auf das ihre geballte Erfahrung, Kassenschlager fürs Genesis schuf. Das wurde das Ziel des Sega Technical Institutes.
Parallel zu Segas Spielautomaten-Untergang in den USA, kreierte Mark Cerny, im jugendlichen Alter von 17 Jahren, bei Atari bereits Videospielklassiker wie Marble Madness. Mit finanzieller Unterstützung von Segas einstigem Gründer, David Rosen, versuchte Mark sich 1985 selbstständig zu machen. Ein eher fruchtloses Unterfangen, an dessen Ende er 86 nach Japan auswanderte. Zusammen mit Entwickler-Legenden wie Yu Suzuki, Reiko Kodama oder Yuji Naka, erschuf Mark dort zur Master System Zeit in Segas Brainpool neue Hard- und Software. Eine Zeit, in der das gut 20-jährige Wunderkind ebenso die große Liebe fand und heiratete. Mit dem privaten Glück, beschloss Mark 1990 in die USA zurück zu kehren. Auch wenn er noch nicht wusste, wie es dort beruflich weiter gehen sollte.
Mit Segas zwischenzeitlich laufender Nordamerika-Konsolen-Expansion, spielte deren japanischer Entwicklungsleiter, Hisashi Suzuki, mit dem Gedanken dort ein Studio zu eröffnen. Ein Ort, an den er japanische Entwickler schicken könnte, damit diese lernten Spiele für Amerikaner zu kreieren. Sowie Amerikaner einstellen könnte, damit sie die Kunst der Japaner erlernen würden. Selbstverständlich gab es schon vereinzelte japanische Sega-Entwickler, die aus kleinen amerikanischen Büros heraus agierten und überwiegend als Produzenten Projekte bei Dritten beaufsichtigten. Genauso existierte natürlich Segas gesamter amerikanischer Vertriebsarm in Redwood City. Aber weder Sega Amerika noch Japan unterhielten auf dem Kontinent bis dahin ein eigenes Entwicklerstudio. Hisashi überlegte, ihr Experiment das Sega Institute of Technology zu taufen, kurz SIT. Als Mark aber darauf verwies, dass Japaner dazu neigten, das „s“ wie „sh“ auszusprechen und sie somit ständig „shit“ sagen würden, fiel die Namenswahl stattdessen auf das Sega Technical Institute.
Für dessen Gründung, im Sommer 1990, quartierte Mark sich in den Büros von Segas Coin-Op Division in San Jose ein. Wenige Meter die Straße runter von Atari Games NES-Spiele-Tochter Tengen. Eigentlich sollte er dort direkt von elf japanischen Kollegen unterstützt werden. Doch Sega Japan beantragte fälschlicherweise O1 Visas. Diese waren Personen mit außergewöhnlichen Fähigkeiten in Wissenschaft, Kunst, Sport, usw. vorbehalten. Als die US Behörde die 20-jährigen Berufsanfänger sah, interpretierten sie die O1 Visas als Betrugsversuch und setzten die Elf stattdessen auf ihre Blacklist. Wodurch der bereits in Kalifornien lebende Shinobi Designer, Yutaka Sugano, Marks erster Kollege wurde. Zusammen mit dem Spielautomatenentwickler rekrutierte Mark, früher als geplant, amerikanische Talente. Tengen warben sie Programmierer Steve Woita ab, der Spiele wie Quadrun oder Taz (Atari 2600) schuf, und dessen Cousin Scott Chandler holten sie direkt von der University of Oregon. Die eigentliche Koryphäe hinter STIs erstem Spiel wurde jedoch Mike Schwartz. Er programmierte zuvor nicht nur Spiele wie Budokan, sondern Reverse-Engineerte Segas Genesis für Electronic Arts. Ein Umstand, der ihn technisch extrem versiert machte, jedoch bei EA verbot Genesis Spiele zu schreiben. Mike programmierte auf dem Amiga die benötigten Cross-Development-Tools, Game-Engine und Kompressionsverfahren fürs STIs Titel.
Hisashi Suzuki plante das STI eigentlich als Ideenschmiede neuer IPs. Dennoch wurde ihr erstes Spiel ein Lizenzprodukt. Denn Sega schloss 1990 einen drei Spiele Vertrag mit Disney ab. Durch diesen gingen in Japan Castle of Illusion Starring Mickey Mouse, in Frankreich bei Infogrames Fantasia und im Sega Technical Institute Dick Tracy in Produktion.
Heute sorgt die Wahl von Dick Tracy neben Mickey Mouse vermutlich für Stirnrunzeln. Aber damals war Dick Tracy tatsächlich angesagt. Der Film mit Warren Beatty, Al Pacino und Madonna kam im Juni 1990 in die Kinos. Eigentlich hätte Sega das Spiel gerne zum Kinostart oder spätestens zum Video-Release auf den Markt gebracht, wie Nintendo es mit ihrer NES und Game Boy Version machte. Aber das war allein aufgrund des Vertragsabschlusses bereits unmöglich. Selbst mit dem Februar 1991 Aufschub blieben Mark & Co lediglich fünf Monate.
Yutaka gelang es Grafiker Takeshi Doi für die Charakteranimationen zu gewinnen. Wie zu erwarten, hatten die Arbeiten der beiden Japaner jedoch einen sehr asiatischen Stil. Mike verlieh ihnen den amerikanischen Touch, während er die Frame-Rate frisierte. Zu allem Überfluss mussten diese Animationen auch noch mit den jeweiligen Original-Schauspielern abgestimmt werden, was den Zeitdruck weiter steigerte.
Im Gegensatz zu Nintendos NES Variante, bei welcher der Spieler in der Draufsicht durch die Stadt fuhr und mit Plattform-Action die Gebäude erkundete, wurde Segas Spiel technisch deutlich aufwendiger. In sechs Stages, die von Straßenschluchten, über Warenhäuser und Güterbahnhöfe bis zum Club Ritz reichten, schoss und prügelte sich der Spieler als Dick Tracy auf zwei Ebenen durch das seitlich scrollende Chicago. Während Dick direkt auf ihn zukommende Gangster mit Pistole oder Faust niederstreckte, zersiebte er die Angreifer im Hintergrund mit seiner Maschinenpistole. Zwischendurch bestritt er sogar Drive-By ähnliche Autofahrten. Selbstverständlich bekam er für die Bosskämpfe gegen Lips Manless, Itchy oder Mr. Big obendrein Granaten und zwischendurch durfte er in Bonus-Runden auf dem Schießstand sogar das Zielen üben. Doch ungeachtet der hohen Qualität, die mit den damaligen Ghostbusters und Batman mithalten konnte, resultierte Dick Tracy nicht im angestrebten Erfolg. Das späte Erscheinen, ließ den Oskar, den der Film bekam, an Segas Adaption vorüber ziehen. Es resultierte darin, dass Sega ihre Zusammenarbeit mit Filmproduzenten überdachte. Weitere Adaptionen fingen von da an mindestens einem Jahr vor dem Kinostart an.
Ungeachtet dessen, brachte das Spiel aber, wie geplant, amerikanische und japanische Entwickler zusammen. Das STI unterhielt von da an wöchentliche Sprach-Kurse und es schien als würde die Kultur-Fusion funktionieren. Ebenso gab es, nach dem wenige Monate später folgendem Umzug nach Palo Alto, jeden Mittwoch Reviews, bei denen Sega Technical Institute Projekte sowie die anderer Sega Teams veranschaulicht wurden. Das war Sega Amerikas einzige Möglichkeit, etwas von Marks Titeln zu erfahren. Denn das Sega Technical Institute unterstand ungeachtet seines Standortes Sega Japan.