Hellgate: London – Flagship Studios Diablo First-Person-Shooter

by Pandur

Den Flagship Studios war klar, dass Hellgate London noch vier oder sogar sechs Monate Arbeit bedurft hätte, aber sie waren pleite! Namco war ihr ursprünglicher Geldgeber gewesen, wohingegen die anderen Publisher lediglich die Auslieferung handhaben sollten. Die vier Gründer standen somit vor der Entscheidung, ihr Studio zu verkaufen, um Hellgate fertigstellen zu können und somit wieder in den Blizzard Ur-Zustand zurück zu fallen, oder das Spiel einfach abzuschreiben. Um ihr Studio behalten zu können und nicht ihre gesamten Mitarbeiter entlassen zu müssen, hatten sie bereits beschlossen Mythos zu einem vollwertigen Spiel zu machen, es als solches an HanbitSoft verkauft und das Spiel sogar als Sicherheit für die neue Geldspritze hinterlegt. Weshalb der Großteil des Hellgate-Entwickler-Teams auch bereits bei Anfertigung des Gold-Masters zur Weiterentwicklung von Mythos überging.
Der Plan des Quartetts war gewesen, die Kosten für die Hellgate Fertigstellung und den neuen fortlaufenden Content aus den Abonnenten-Gebühren zu bezahlen. Aber entgegen Diablo verkaufte sich Hellgate: London gerade 500.000 Mal und die unzähligen Beschwerden der Fans kurbelten die Verkäufe nicht gerade an. Beschwerden, die unter anderem davon ausgelöst wurden, dass Flagships Abrechnungssystem Spielerkonten doppelt Gebühren abbuchte. Außerdem stürzten die Server in regelmäßigen Abständen ab. Unabhängig davon deckten diese Online-Einnahmen gerade mal die Server- und Netzwerkkosten ab. Es blieb nichts für die Weiterentwicklung über. Sowohl Namco als auch Electronic Arts zeigten sich daraufhin äußerst hilfsbereit und stellten Flagship Mitarbeiter bei sich ein, damit die Server überhaupt online blieben. Hellgate erhielt in Folge dessen jedoch nur äußerst spärlich Updates. Der erste 0.7 Patch erschien am 19. Dezember 2007, also zwei Monate nach Release und führte eher zur Verschlechterung des Zustandes. Zahlreiche Fansites stellten kurz nach dem Patch ihren Support fürs Spiel ein. Am 22.01.2008 folgte endlich der Stonehedge getaufte 1.0 Patch. Er brachte für zahlende Abonnenten ein neues Hinkelstein-Areal mit sich. Die Allgemeinheit bekam eine PvP-Arena, neue Animationen und Balancing der Klassen. Hellgate fehlten somit immer noch essentielle Features wie ein Auktionshaus, ein In-Game-Postsystem, oder eine Account-übergreifende Truhe. Das vorhandene „Bankfach“ war weiterhin Charaktergebunden.

Es wurde so langsam klar, dass das Flackschiff sank und somit holten die Gründer parallel Übernahmeangebote ihrer Publisher ein. Diese fielen im Nachhinein, wo sich Hellgate nicht als der erhoffte Goldesel erwiesen hatte, jedoch deutlich schlechter als zuvor aus und außerdem bedurften diese Verhandlungen viel Zeit. Weshalb die Flagship Studios zu Comercia Bank gingen und dort einen Kredit aufnahmen. Der Kredit entsprach dem typischen Modell der Hollywood-Filmproduktionen, wofür das Quartett Hellgate: London als Sicherheit hinterlegen musste.

Das schlechteste Übernahmeangebot kam zu dem Zeitpunkt von Flagship Studios vermeintlich stärkstem Partner: HanbitSoft. In Korea war Hellgate: London erst am 15. Januar mit dem aktuellsten Patch gestartet und innerhalb eines Monats hatten sich über eine Millionen Spieler Accounts erstellt. Womit es der erfolgreichste Start eines Spiels seit Jahren war. Somit sollte man eigentlich meinen, dass HanbitSoft ein gesteigertes Interesse hätte, die Flagship Studios zu unterstützen. HanbitSoft wurde gleichzeitig aber von T3 Entertainment aufgekauft, einem ebenfalls koreanischen Entwickler, der das dance-off MMO Audition produzierte. T3 hatte beinahe die gesamte Hanbit-Managment-Etage ersetzt und sah nun die Chance, viel günstiger an das gesamte Hellgate Paket zu kommen. Sie brauchten Flagship nur pleite gehen lassen und konnten die Rechte dann zu einem Spottpreis von Comercia Bank erstehen. Genau so geschah es. Am 11. Juli 2008 entließen die Flagship Studios den Großteil ihrer Mitarbeiter. Deren letzter Gehaltsscheck kam tatsächlich aus dem Privatvermögen der vier Gründer. Das Flagship Studios Büro blieb weiterhin geöffnet und die Server ebenso online. Lediglich das Zahlungssystem wurde eingefroren.

Gut einen Monat später begann ein verwirrendes Wortgefecht im Internet. HanbitSoft verkündete, sich die Rechte an Hellgate: London gesichert zu haben und das Spiel weiterentwickeln zu wollen. Woraufhin Bill Roper entgegnete, Flagship besäße weiterhin die Rechte. Tatsächlich hatte HanbitSoft das Hellgate IP von Comecia Bank erworben und besaß somit beide Flagship IPs. Am 1. August 2008, nicht mal ein Jahr nach dem Launch des Spiels, übernahmen sie ebenfalls die Büros der Flagship Studios. Die amerikanischen und europäischen Server wurden am 31. Januar 2009 abgeschaltet. Für Korea lieferte HanbitSoft hingegen ein Seoul Maps Pack aus und arbeitete an der bereits von Flagship geplanten Fortsetzung Hellgate: Tokio. Es startete nach dem Free-2-Play-Modell mit dem Titel Hellgate: Resurrection im März 2010 in Korea.

Flagship Studios ehemaliger CEO, Bill Roper, wechselte drei Monate nach Firmenschließung, im November 2008 zu den Cryptic Studios. Dort war er als Design Director für deren Free-2-Play MMORPG Champions Online zuständig. Ein Jahr später wurde er von den Disney Interactive Studios als Geschäftsführer angeheuert, wodurch er bei der Verwirklichung von Spielen wie Warren Spectors Epic Mickey 2: The Power of Two und Avalanche Softwares Disney Infinity Reihe half.

Das Brüderpaar Erich und Max Schaefer gründeten wenige Tage nach der Schließung der Flagship Studios bereits ein neues Studio in Seattle. Zusammen mit Travis Baldree und Peter Hu formten sie Runic Games, welche das gesamte 14-köpfige Mythos Team einstellte. Runic Games machten da weiter, wo sie mit Mythos aufgehört hatten und entwickelten mit Torchlight ein Action-RPG im Stil von Mythos und Diablo. Torchlight verkaufte sich mehr als 2 Millionen mal und bekam im Herbst 2012 eine Fortsetzung, die mehr als 3 Millionen Exemplare umsetzte.

Diablo und Hellgate Erfinder und Programmierer, David Brevik, wechselte zunächst für ein halbes Jahr zu Turbine Entertainment, wo er an Dungeons & Dragons Online mitarbeitete und wurde dann von Gazillion Entertainment als Creative Director für dessen Marvel Heroes MMORPG angeheuert. Er stieg über die Jahre bei Gazillion bis zum CEO auf, bevor er erneut beschloss eine eigene Firma zu gründen und sich wieder direkt mit der Spielentwicklung zu beschäftigen. Als Graybeard Games designte und programmierte das Ein-Mann-Team das Action-Rollenspiel Lurks Below. David war außerdem als Berater für die Entwicklung von Path of Exile zuständig.

Einzelnachweise:

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