Es läuft nicht alles rosig in der Videospiele-Industrie. Viele Träume des großen Durchbruchs zerplatzen. Manchmal sogar schon beim ersten Versuch. Den einen haut ein Publisher übers Ohr. Den nächsten zerreißen die Kritiken der Magazine. Oder das Erstlingswerk verkauft sich schlichtweg nicht wie erhofft. Videospiel-Entwicklung und Vermarktung hat viele Tücken. Dies sind ihre Geschichten. Erzählungen von einzelnen, Personen oder winzigen Studios deren Debütprojekte bereits floppten oder aus anderen Gründen zum Ausstieg der Entwickler führten. Kommt in diesem Video mit auf eine Reise nach Austin und erlebt die Entstehung des Echtzeitstrategiespiels Conquest – Frontier Wars.
Kein anderer Videospielentwickler trieb die PC-Hardware-Verkäufe in den 90ern derart stark voran wie Origin Systems. Ob es nun Strike Commander, System Shock, Ultima VIII oder Crusader war, der begeisterte Gamer brauchte stets die neuste Hardware. Chris Roberts Wing Commander Reihe war da keine Ausnahme. Schon die ersten beiden Raumkampfsimulatoren erschufen, mit ihren gezeichneten Zwischensequenzen, eine Art interaktiven Film. Wing Commander III vollendete die Transformation 1994, indem sich Chris Roberts als Regisseur versuchte und den Plot mit Full-Motion-Video-Sequenzen verzierte. Das Spiel zu produzieren kostete Electronic Arts fünf Million Dollar und sein Nachfolger, Wing Commander IV, sogar zwölf Millionen. Ein bis dahin nie dagewesenes Budget für ein Videospiel. Aber Chris Roberts sah das Budget seiner Spiele dennoch als Problem. Denn für einen neuen Wing Commander Titel konnte er fordern was er wollte, jedoch nicht für andere Spielkonzepte. Weshalb er Origin Systems nach dem Wing Commander IV Release verließ und zusammen mit fünf seiner Arbeitskollegen sowie Filmregisseur Robert Rodriguez im April 1996 Digital Anvil gründete. Ein ebenfalls in Austin Texas ansässiges Videospielstudio.
Für Designer Eric Peterson war Chris Roberts schon seit Times of Lore das Idol schlechthin. Wegen ihm stieg Eric ebenfalls bei Origin Systems ein, schrieb dort das ursprüngliche Design für Privateer 2 und unterstützte sein Idol bei der Firmengründung. Tatsächlich war es Eric, der Digital Anvils Finanzierung durch Microsoft und AMD aushandelte. Geldgeber die laut Chris „aufgeschlossener“ waren.
Anfänglich hörte sich Chris Firmenkonzept für viele überzeugend an. Er wollte nur Veteranen beschäftigen und die Teams klein halten, um einer vereinten Vision folgen zu können. So sollten drei 5-Mann-Teams an Freelancer, Loose Cannon und Conquest: Frontier Wars arbeiten. Aber vier Jahre später, war lediglich die Anzahl der Projekte gestiegen und mit Starlancer eins erschienen. Das wohl gemerkt in einer Zeit, in der das durchschnittliche Spiel zwei Jahre in der Entwicklung war. Ganz zu schweigen davon, dass Digital Anvil die Entwicklung Starlancers dem britischen Warthog Games übergab. Microsoft wurde langsam unsicher, ob sie ihre Investition je wiedersehen würden. Die Projekte hatten durchaus Potential, aber zwischenzeitlich unterstützten Microsoft Teams aus Redmond bereits die Produktionen und dennoch rückten die Erscheinungstermine nicht näher. Zum angekündigten Erscheinungstermin Freelancers erwarb Microsoft die restlichen Anteile der Firma und strukturierte Digital Anvil um. Sie reduzierten den Umfang Freelancers und konzentrierten Digital Anvils Resourcen vollständig darauf sowie auf Brute Force. Letzteres war ein Squad-basierender First-Person Shooter von Chris Bruder Erin, der drei Jahre später, zusammen mit dem Space Combat Simulator, erscheinen würde. Chris Roberts selbst stufte Microsoft zum „Berater“ herab. Außerdem stellten sie Loose Cannon und Conquest offiziell ein. Wobei sie deren Produzenten, Tony Zurovec und Eric Peterson, gestatteten diese Projekte mit zu einem neuen Publisher zu nehmen. Selbstverständlich mit der Prämisse, dass dieser Mircrosoft ihre Investition zurückzahlte.
Der Grund für Microsofts Ablehnung Conquests war so vielseitig, wie der Pitch ambitioniert war. Chris und Erin Roberts ursprüngliche Vision bestand aus einer Videospiel-Version der finalen Return of the Jedi Weltraumsschlacht. Ähnlich wie Geroge Lucas sich für die Dogfights seiner Star Wars Filme an Kameraaufnahmen des zweiten Weltkriegs orientierte, wollten die Roberts Brüder die Trägerschlachten der damaligen Zeit nachstellen. Es sollte darum gehen den Feind aufzuspüren und den ersten Schlag auszuführen. Vergleichbar mit den Jägern aus Wing Commander, die auf ausschweifende Patrouillen oder Erkundungsflüge vom Träger aus ins tiefe Weltall aufbrachen, sollten Trägerschiffe in Conquest Angriffe über das gesamte Sonnensystem hinweg ausführen können. Wobei das Spiel hauptsächlich auf Schlachtschiffe, Zerstörer, Träger, Eskortschiffe uvm. setzte. Das kleinste vom Spieler kontrollierbare Schiff sollte ein Minenleger werden. Einzelne Jäger oder Bomber, wie Wing Commander sie verwendete, wären von einer Schwarm-KI gesteuert worden. Künstliche Intelligenz war generell das Zauberwort Conquests. Denn um die Schiffsverbände, welche nicht gerade der Spieler lenkte, sollte sich eine Flotten-KI kümmern. Admirale mit unterschiedlichen Persönlichkeiten und Perks, beinahe wie StarCraft sie damals in Form von Portraits für ihre Einheiten benutzte, bloß übergreifend. Obwohl Eric und Chris bei der Firmengründung viel Command & Conquer, Age of Kings und Total Annihilation spielten und sie den Gedanken cool fanden, diese Schlachten ins Weltall zu verlegen, sollte Conquest eben kein reines RTS werden. Es orientierte sich eher an 4X Games wie Master of Orion. Spieler sollten den Weltraum erkunden, Planeten kolonisieren, nebenbei gigantische Schlachten austragen und am Ende die Galaxis dominieren. Jedoch immer noch komplett in prächtigem 3D, wie es die Wing Commander Spiele vormachten. Genauso wie Chris Vorgängerspiele, sollten die Erdbewohner gegen eine außerirdische Spezies antreten. Dieses Mal gegen ein Insektenvolk. Eine Kasten-basierende Kultur, deren Volk sich tief unter den Planetenoberflächen eingrub.