BioWare – Aufstieg und Fall des Rollenspiel-Imperiums

by Pandur

1997, als Baldur’s Gate 1 halb fertig war, wurde Greg und Ray bereits klar, dass ihrem ersten Rollenspiel etwas wichtiges gegenüber der Pen & Paper Vorlage fehlte, ein Spielleiter. Sie erahnten bereits, dass Rollenspiele, ebenso wie die damaligen Ego-Shooter, Mods brauchen würden. Als Resultat dessen starteten sie parallel zu den Arbeiten an der Baldur’s Gate Reihe, die Entwicklung von Neverwinter Nights. Einem 3D-Rollenspiel, das neben der typischen Einzelspieler-Kampagne, ebenso einen Dungeon Master Modus und Welten-Editor zur Generierung eigener Abenteuer besaß. Der Titel des Spiels war wohl gewählt. Er bezog sich nicht nur auf eine weitere Schwertküsten-Stadt, sondern war ebenso der Titel vom ersten grafikbasierten Multi-User-Dungeon, das AOL 1991 anbot. Die BioWare-Mannschaft hatte durch Origin’s Ultima Online selbst erste Erfahrungen im Online-Gaming gesammelt und gemerkt, welchen Spaß es machte Abenteuer mit Freunden zu erleben. Das Gefühl sollte Neverwinter Nights ebenfalls erwecken. Es wurde das bis dahin größte Projekt von BioWare. Mit einem 75-köpfigen-Team, von denen alleine 22 Programmierer waren, welche sich um die neue Engine, den Client, Server und Entwicklungswerkzeuge kümmerten. Verglichen mit Baldur’s Gate brauchte Neverwinter Nights fünf Mal so viel Manpower, allein für das Toolset. Denn jedes Script oder noch so kleines Objekt, was die offizielle Kampagne antrieb, sollte dem Spieler zugänglich sein und als Beispiel dienen können. Hinzu kamen 10 bei BioWare ansässige Tester von Atari, acht deutsche Übersetzer, fünf koreanische und 35 externe Tester. Obwohl Baldur’s Gate Mehrspieler-Unterstützung hatte, war diese erst relativ spät in der Entwicklungszeit entstanden und eher eine mehrfache Ausgabe eines Clients gewesen. Was dazu führte, dass alle Spieler gezwungen waren, alle Dialoge eines anderen Spieler mitzulesen. Neverwinter Nights lief hingegen immer im Multiplayer-Modus. Startete der Spieler die normale Kampagne, war es halt nur EIN Mulitplayer-Client. Wie BioWare lernen musste, erzeugte das ebenfalls einen fünf mal so hohen Test-Aufwand, gegenüber einem reinen Single-Player-Game. Durch den resultierenden schieren Zeitaufwand hatte das Art-Department Desgins entworfen, die erst dreieinhalb Jahre später realisiert wurden und somit auf einem technisch gesehen alten Stand waren. Was dazu führte, dass BioWare die Konstruktion neuer Engines fortan als kritisch betrachtete, da sie deutlich mehr Gefahren mit sich brachten. Nach etwas mehr als 5 Jahren, hatte das Team tatsächlich alle gesetzten Ziele erreicht.
Als Neverwinter Nights im Juli 2002 erschien, enthielt es eine erneut epische Kampagne, von ähnlicher Länge wie Baldur’s Gate 1, die sowohl alleine als auch in Gruppen erlebt werden konnte. Dazu einen Spielleiter-Modus und einen Welten-Editor, der zu Tausenden neuer Mods führte. Obwohl jeder Käufer somit unzählige Kostenlose Abenteuer seiner Wahl bekam, verkaufte sich Neverwinter Nights nur 1.400.000 Mal. BioWare generierte jedoch weitere Einnahmen durch so genannte Premium Modules, die von Team-Mitgliedern produziert und über ihren Shop angeboten wurden. Ferner lieferten Ex-Looking-Glass-Mitarbeiter zwei Jahre später das Shadows of Undrentide Erweiterungsset aus und BioWare selbst ein weiteres halbes Jahr später Hordes of the Underdark, mit neuen Prestige-Klassen für Neverwinter Nights.

Angetrieben durch den Erfolg, den BioWare Ende der 90er mit Baldur’s Gate feierte, trat Lucas Arts 1999, mit dem Wunsch nach einem Star Wars Episode 2 RPG, an sie heran. Die ersten Verhandlungen zogen sich bis ins Jahr 2000 hin, wo LucasArts BioWare gestattete das Spiel 4.000 Jahre vor Episode 1 anzusiedeln. Ein wichtiger Faktor für BioWare, da dieser Zeitraum gänzlich ihrer künstlerischen Freiheit offen stand. Charakter- und Schiff-Design würden zwar ähnlich der Filme sein müssen, aber ohne strikte Vorgaben und Grenzen bezüglich der Erschaffung neuer Jedi-Ritter und Sith. LucasArts hielt jedoch an der Konsolenversion fest und so entwickelten die Kanadier Knights of the Old Republic für PC und die Konsole, welche dem PC am ähnlichsten war, die Xbox. Nach fasst einem Jahr Pre-Production ging Knights of the Old Republic im Dezember 2000 mit einer Weiterentwicklung von Neverwinter-Nights-Aurora-Engine in Produktion. Obwohl das Blaster-Feuer und die Laserschwert-Duelle des Universums optisch wenig mit BioWares bisherigen Fanatasy-RPGs gemein hatten, waren sich die Kampfsysteme sehr ähnlich. Das von Casey Hudson angeführte Team legte das Dungeons & Dragons D20 System zu Grunde, wodurch Runden erneut im Drei-Sekunden-Takt in Echtzeit abgehandelt wurden. Kämpfe sollten jedoch nicht so zusammenhanglos wie zuvor aussehen. Weshalb ein choreographiertes Animationssystem hinzu kam, bei dem die Runden von der Animation her in 1,5 Sekunden Intervallen zum Blocken und Angreifen unterteilt wurden. Dadurch konnten KotOR Charaktere sämtliche Kampfbewegungen der Filme ausführen, wie Rückwärtssaltos oder Blastersalven mit dem Laserschwert abzuwehren. Kombiniert mit der Über-die-Schulter-Perspektive fühlten sich die ersten Tester direkt in ein Actionspiel versetzt und versuchten entsprechende akrobatische Manöver mit dem Joypad auszuführen, was das Geschehen auf dem Bildschirm extrem seltsam machte. Das Team begann daher das Interface davon abzuwenden und die im Kampf gestatteten Aktionen des Spielers zu begrenzen. Während die Kanadier zu der Zeit einfach bewährte Konzepte ihrer bisherigen Spiele ins nächste übernahmen und so Beispielsweise der Ebon Hawk als zentralen Anlaufpunkt und Lagerungsort wie die Burgen zuvor diente, flossen selbstverständlich ebenso kleine Verbesserungen mit ein. Der Spieler begegnete den zukünftigen Gruppenmitgliedern z.B. deutlich langsamer, weil das Team gemerkt hatte, dass die Spieler mit zu vielen Entscheidungen auf ein Mal nicht klar kamen. Dieser interessante Haufen reichte vom Wookie Zaalbar, über den wagemutigen Carth Onasi bis hin zum urkomischen soziopathischen Killerdroiden HK-47. Einem der besten Gruppenmitglieder, das sich BioWare je ausgedacht hat. Dem Entwicklerteam gelang es zum ersten Mal in LucasArts Historie eine interaktive Star Wars Story zu schaffen, die bis ins kleinste Detail dem Filmerlebnis entsprach. Von der Erstellung eines individuellen Padawans, über seine Ausbildung zum Jedi, bis hin zur Bezwingung eins Galaxiebedrohenden Sith Lords. Die Reise bestritt der Spieler in einem Millenium Falcon ähnlichem Raumschiff, das ihn zu aufwändig gestalteten Planeten trug, wie Kashyyyk, der Dschungelplanet der Wookies, den Wüstenplaneten Tattooine und den Wasserplaneten Manaan. Auf letzterem durfte der Spieler sogar zum Meeresboden tauchen.
Durch Microsofts Wunsch nach Exklusivität erschien Knights of the Old Republik im Juli 2003 zunächst nur für Xbox und wurde dort, dank einer 94 Meta-Score, zum am schnellsten verkauften Spiel der Konsolengeschichte. LucasArts setzte 250.000 Exemplare in vier Tagen ab. Die Verkäufe summierten sich nach einigen Monaten auf 1.300.000. Gefolgt von der ein halbes Jahr später erschienen und leicht verbesserten PC Version, brachte LucasArts allein in den USA mehr als zwei Millionen Exemplare an den Mann.

Aus der Asche von Interplay hatte sich zwischenzeitlich Obsidian Entertainment erhoben. Feargus Urquharts Folge-Studio zu Black Isle. Wie in alter Tradition produzierten sie sowohl Nachfolger zu BioWares Neverwinter Nights für Atari, als auch Knights of the Old Republic II für LucasArts. BioWare lizensierte Neverwinter Nights‘ Aurora Engine außerdem an CD Projekt RED, die damit den ersten Teil ihrer The Witcher Reihe produzierten. BioWare selbst verfolgte in der Zeit die Kreation neuer IPs und genoss dabei die Freiheit, sich nicht mehr an Lizenzregeln halten zu müssen.

LucasArts Bedingung des Konsolenspiels hatte die Kanadier mit Microsoft in Kontakt gebracht, die bereits bei der ersten Planung von KotOR eine Partnerschaft mit BioWare abschlossen. Das gab Greg und Ray die Gelegenheit einen zehn Jahre alten Traum zu realisieren: Ein eigenes Martial Arts Spiel a la „Five Fingers Of Death“ und „Seven Samurai“. Jade Empire sollte eher als action-orientiertes Abenteuer betrachtet werden und weniger als RPG. Beinahe normal für BioWare, webte sich die Geschichte um eine Ansammlung von Begleitern auf einer epischen Mission und verschiedenen Romanzenoptionen. Der Spieler wurde als Geistermönch von Meister Li im idyllischen Zwei Ströme Kloster großgezogen und musste eines Tages mitansehen, wie Zwei Ströme bombardiert und sein Meister entführt wurde. Der Geistermönch verdächtige die Hand des Todes, den Kriegsminister des amtierenden Kaisers, für den Anschlag verantwortlich zu sein und begann seine Reise zur imperialen Hauptstadt. Auf seiner Reise erfuhr der Geistermönch Visionen des Wasserdrachens und lernte, dass Meister Li der Bruder des Kaisers war. Als er Kaiser Sun Hai letztlich erreichte und Meister Li wiederfand, stellte sich zweiter als der Verräter heraus und tötete den Spieler. Nach seiner Reinigung im Geisterkloster, kämpfte sich der Spieler mit Hilfe des Wasserdrachens ins Leben zurück und trat Meister Li entgegen.
Jade Empire bekam zum ersten Mal ein wahres Echtzeitkampfsystem, gänzlich losgelöst von der bisherigen Runden-Basis. Was ein wenig ironisch war, da das Jade Empire Team von Jim Bishop, BioWare ehemaligen Produzenten bei TSR, angeführt wurde. Sie kombinierten Karate, Kung Fu und fünf weitere Martial Arts Stile fürs Spiel und werteten sie mit Dingen aus der chinesischen Myhtologie wie Katzendämonen auf. Damit alles möglichst realistisch aussah, fing BioWare die Bewegungen per Motion-Capture ein. Zudem entsandten sie erstmalig ihr Künstlerteam vor Ort (nach China), um alles möglichst Originalgetreu fürs Spiel gestalten zu können. Die KotOR Dialoge waren schon mit Sprachausgabe unterlegt gewesen, aber für Jade Empire ging BioWare einen Schritt weiter und engagierte mit John Cleese zum ersten Mal einen bekannten Schauspieler dafür. BioWares erstes gänzlich selbst erschaffenes IP erschien im April 2005 für Microsofts Xbox. Trotz einer 89% Durchschnittswertung verkaufte es sich nicht sonderlich gut, was Greg auf das Ende der Xbox Ära und das Erscheinen der Xbox 360 ein halbes Jahr später schob. Obwohl die beiden Doktoren beteuerten, dass sie Jade Empire für eine starke Marke hielten, legten sie die Pläne für Jade Empire 2 auf Eis.

An dem Punkt wurde BioWare klar, dass ihr Name allein keine Spiele verkaufte. Die Produktionskosten waren mit ihrem letzten Titel gestiegen und die Gewinne zurückgegangen. BioWare brauchte Geld! Die Kanadier verschmolzen im November 2005 mit den kalifornischen Pandemic Studios. Wodurch die neue VG Holding Corp auf 400 Mitarbeiter kam. Das entscheidende an diesem Zusammenschluss, der beiden weiterhin getrennt operierenden Studios, war jedoch Elevation Partners. Das von John Riccitiello geführte Investment-Unternehmen gab dem Gespann eine 300 Millionen Dollar Spritze. BioWare/Pandemic nutzte das Geld, um 2006 ein weiteres Studio in Austin Texas zu eröffnen, was sich ausschließlich auf die Produktion von Massivly-Multiplayer-Online-Games konzentrieren sollte. Zwei Jahre nach der Fusion, im April 2007, wechselte John Riccitiello seinen Job. Er wurde vom Elevation Partner CEO zum Electronic Arts CEO. Wiederum ein halbes Jahr später kaufte Electronic Arts Elevation Partners BioWare/Pandemic für 860 Millionen Dollar ab. BioWare wechselte von einem unabhängigen Geldgeber, der ebenfalls Firmen wie Palm Inc. oder Forbes besaß, in den Besitz von Electronic Arts.

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