Arkane Studios – Die Design-Herausforderungen der Immersive Sims

by Pandur

Auf der folgenden Game Developers Conference 2003 erhielten die Arkane Studios den „Rookie of the Year“ Award. Dort kam Raphael mit Valve’s Schreiber Mark Laidlaw ins Gespräch. Half-Life 2 war zu dem Zeitpunkt noch gut ein Jahr von der Fertigstellung entfernt, aber Valve suchte bereits Interessenten für ihre brandneue Source-Engine. Also gingen die Arkane Studios und Valve Corporation eine Partnerschaft ein, die mehrere grandiose Spiele vorhersah. Außerdem wurde Arx Fatalis 2 eines der ersten Source-Engine-Spiele mit Havoc-Physik-System.

Geschichte wiederholt sich. Als Raphael sich nach einem Publisher für Arx Fatalis 2 umsah, stieß er erneut auf Ablehnungen. Der finanzielle Misserfolg ihres ersten Spiels motivierte die großen Firmen nicht gerade. Die meisten großen Publisher reagierten gar nicht erst auf Anfragen, oder lehnten direkt ab. Dieses Mal war es Ubisoft, die Arkane einen ähnlichen Deal wie Electronic Arts zuvor anboten. Doch dieses Mal entschied sich Raf für den Geschäftssinn und ließ die künstlerischer Freiheit zurück. Arx Fatalis 2 wurde zu Dark Messiah of Might and Magic. Ubisoft diktierte ihnen die Story und deren Mitarbeiter halfen dem Arkane Team das Might & Magic Universum zu realisieren. Was das Art Design an ging, hatte Arkane eigentlich ein traditionelles Fantasy Design angestrebt. Doch Ubisoft wünschte sich etwas einzigartiges, das heraus stach. Wofür sich das Team ironischerweise an Herr der Ringe orientierte. Deren Materialien, Lichtspiel und den nicht zu überzeichneten, fasst menschlichen Orks. Dark Messiah erhielt einen starken Fokus auf Nahkämpfe. Bereits ihr erster Prototyp, mit dem Raf hausieren gegangen war, hatte sie ein Jahr für das richtige Kampfsystem gekostet. Ein Feature, für das Dark Messiah später tatsächlich von vielen geliebt wurde. Die Unterschiede der Waffen waren merklich. Man konnte das Gewicht des Schwertes quasi spüren. Es war eine reaktive Waffe, die aber zugleich taktisch wirkte. Der Stab hingegen war deutlich langsamer, dafür jedoch auch mächtiger. Ebenso formte sich gemächlich die Tradition der Arkane Studios Spiele. Das Ausnutzen der Umgebung für verschiedene Spielstile. Es war kein Thief-Spiel und vermutlich wählte nur einer von zehn Spielern diesen Ansatz, aber es ließ sich mit Schleichen ebenso durchqueren, wie als Magier oder Schwertkämpfer. Ähnlich verhielt es sich mit der Balance von Gut und Böse. Der Spieler durfte sich entscheiden, ob er die dämonischen Kräfte von Xana annahm oder nicht.
Die Dark Messiah Geschichte begann knapp 1.000 Jahre vor der Geburt des Spielers mit einer gigantischen Schlacht von Menschen, Elfen und Zwergen gegen eine Dämonenarmee. Der mächtige Zauberer Sar-Elam opferte sich damals, um die Dämonen in einem Gefängnis einzusperren, aus dem jedoch langsam Verderbnis in die Welt sickerte. Die Prophezeiung berichtete von einem dunklen Messias, der die Dämonen eines Tages befreien würde. Als Zauberer-Lehrling Sareth trat der Spieler seine Reise an. Auf der Suche nach dem Schädel der Schatten, der die Dämonen entweder befreien oder für immer verbannen sollte. Geleitet wurde er dabei von Xana’s Stimme, die mit seinem Geist verschmolzen war.
Ähnlich wie die Story des Spiels, steuerte Ubisoft den Multiplayer-Modus komplett selbst bei. Hier durften sich zwei Fraktionen, bestehend aus Menschen und Untoten mit fünf verschiedenen Klassen gegenseitig die Köpfe einschlagen. Alles in allem mussten die Arkane Studios jedoch nicht zu viele Zugeständnisse machen. Ubisoft verhielt sich in den meisten Punkten flexibel. Lediglich was explodierende Fässer an ging, machten sie dem Team einen Strich durch die Rechnung. Denn laut der Might & Magic Zeitleiste, gab es die zur Zeit des Spiels noch nicht und so reagierten Fässer nicht explosiv auf Feuer. Bedauerlicherweise wurde Dark Messiah, trotz der etablierten Might & Magic Marke, sowie der zeitgleichen Veröffentlichung auf Xbox 360 und Windows, ebenfalls kein finanzieller Durchbruch. Die Reviews brachten eine Durchschnittswertung von 72% hervor. Zwar lobten alle das innovative und responsive Nahkampfsystem, aber bemängelten die vorhersehbare Story, sowie den schlechten Mehrspieler-Modus.

Valve war seit ihrem ersten Spiel, Half-Lifte, bekannt dafür Modder und kleine Teams zu unterstützen. Gabe Newell’s Firma kaufte die ganz kleinen auf und vergab Aufträge an Jene, die größer werden wollten. Arkane war mittlerweile 45-Mann groß und somit definitiv zu groß für ersteres. Aber Valve ließ Arkane diverse Prototypen bauen. Einer dieser Prototypen war die Return to Ravenholm Episode für Half-Life 2. Es sollte den Spieler in das Ravenholm benannte Gebiet des Spiels zurückbringen. Aber die mit Zombies und Headcrabs gefüllte Story hätte vor dem Ende von Episode 2 stattgefunden, was letztlich gegen Valves eigene Geschichte gearbeitet hätte und so wurde Arkane Studios nächstes Projekt eingestellt, bevor es überhaupt offiziell in Produktion ging.

Um das Arkane Team im Umgang mit Valve’s Source-Engine für Dark Messiah zu schulen, hatten die Amerikaner Half-Life 2’s City 17 Designer Viktor Antonov zu Arkane entsandt. Viktor sah sich selbst als Science-Fiction-Welten-Bauer und das war genau, was Raphael für sein neues Projekt brauchte. Zusammen beschlossen sie eine gänzlich neue Welt von Grund auf zu erschaffen. Das neue IP sollte sich um die Idee einer „Dystopie-Utopie“ drehen. Obwohl es in Paris spielte, umfasste es zwei Welten. In der einen war Paris eine königliche Utopie und in der anderen Welt hatte sich die Stadt ins Chaos aufgelöst.
Viktor war schon mit 17 von Bulgarien in seine Wunschheimat Paris gezogen. Somit hatte das Spiel für ihn und Raphael einen äußerst emotionalen Bezug. Sie erschufen ein Paris des Luxus, in dem sich Könige wohl fühlen konnten. Aber zugleich die moderne Version einer zerbrochenen Welt, gefüllt mit Ghettos, Drogen-Dealern und Gangstern. Die Wissenschaftler der modernen Welt hatten einen Weg gefunden, alternative Realitäten zu erzeugen, in dem sie in der Zeit zurück reisten und Elemente der Welt manipulierten. Sie ließen sich die alternativen Welten entfalten und ernteten dann die einfallsreichsten Erfindungen, welche die Realität hervorgebracht hatte. In der Ausgangslage von The Crossing gab es ein dafür kreiertes Portal, zu einer anderen Realität, im Zentrum von Paris. Der Spieler erwachte an dem Morgen, als alles zur Hölle fuhr. Eine Invasion futuristischer Templer begann. Sie verschossen Haken und flogen daran wie Spiderman durch die Luft. Selbstverständlich wusste der Spieler nichts von dem Portal, schlitterte mehr zufällig hindurch und fing so langsam an zu realisieren was geschah. Im Spielverlauf sollten sich die beiden Welten immer mehr annähern und zum Schluss eine werden. Wie in den typischen 70er Jahre Sci-Fi Geschichten, formte sich ein gotisches Frankreich mit Ghetto-Gangstern. Für das Arkane Team war The Crossing der Wunsch, die Liebe und Hingabe zu ihrer Heimat in einem Spiel zu vereinen, gekoppelt mit einem gänzlich neuen Ansatz für Einzel- und Mehrspieler. Als Raphael das erste Interview fürs „Games for Windows“ Magazin gegeben hatte, erregte The Crossing die Aufmerksamkeit der großen Publisher. Doch keiner biss direkt an. Ein Kriterium war Valve’s Source Engine, durch die The Crossing nur für PC und Xbox 360, aber nicht für die Playstation 3 erscheinen konnte. Das andere Problem war das Matchmaking, denn The Crossing beinhaltete ein damals völlig neues Spielprinzip. Die Grundidee war, die KI mit echten Spielern zu ersetzen. Wenn ein Spieler die Einzelspieler-Kampagne begann, konnten weitere Spieler dieser im Multiplayer beitreten und die Kontrolle der Feinde übernehmen. Das Konzept sollte die nervigen Downtimes beim Respawn aushebeln, bei denen der Spieler damals 30 Sekunden oder sogar eine Minute nichts-tuend herumsaß. Wann immer ein Gegner-Spieler starb, versetzte ihn das Spiel in einen neuen Gegner kurz vor dem Punkt des Kampagnen-Spielers. Wodurch der Spielfluss nie abriss. Technisch betrachtet, kein einfaches System, bei dem der Kampagnen-Spieler teilweise Zwischensequenzen sehen sollte, während neue Spieler im Ladebildschirm waren usw. Vor allem aber stellte es für die Arkane Studios das Leveldesign gänzlich auf dem Kopf. Nicht nur weil die Spieler aus verschiedenen Richtungen kamen und sich mit Haken überall hoch hangeln konnten, sondern weil es auch extrem viel Balancing, Timing und Positionierung erforderte. Keiner der großen Publisher traute das den Arkane Studios zu. Es sollte erwähnt werden, dass Anfang der Jahrtausendwende Halo das einzige Spiel war, welches das Matchmaking perfektioniert hatte. Weshalb Raphael sogar Halo 2’s Max Hoberman für das The Crossing Matchmaking konsultiert hatte. Zu guter Letzt war da dann auch noch das finanzielle Risiko, denn für ein derart umfangreiches Projekt hatte Raphael ein Budget von 15 bis 20 Millionen Dollar angesetzt. In der heutigen Zeit und mit Arkanes mittlerweile etabliertem Ruf, hätte es sicherlich keinerlei Probleme gegeben. Aber damals verbrachte Rapahel erneut viele Monate nur in Verhandlungen mit Publishern und stellte The Crossing letztlich nach zwei Jahren Entwicklung ein.

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