Arkane Studios – Die Design-Herausforderungen der Immersive Sims

by Pandur

An diesem Punkt ist es eigentlich erstaunlich, dass die Arkane Studios überhaupt noch existierten. Zwei wenig erfolgreiche veröffentlichte Spiele, gefolgt von zwei eingestellten. Und tatsächlich überlebte das Studio nur, weil sie für einige Jahre Hilfsarbeiten ausführte. Die erste Zuarbeit wurde LMNO, dessen Pre-Production bereits Jahre zuvor begonnen hatte.
2005 hatte Electronic Arts einen Vertrag mit Steven Spielberg geschlossen, drei Spiele für sie zu entwerfen. Eines wurde das 2008 erschienene Physik-basierte Kinder-Puzzlespiel Boom Blox für die Nintendo wii. Für LMNO formte EA ein neues Studio in Los Angeles namens Blueprint. Neil Young, der parallel die anderen Steven Spielberg Projekte beaufsichtigte, wurde der Studioleiter und Doug Church der Projektleiter des 30-köpfigen LMNO Teams. Doug war vielleicht keine so große Hausnummer wie Steven, aber in der Spielewelt bereits bekannt für Ultima Underworld 2, System Shock sowie die Thief Reihe, die er zu seiner Looking Glass Zeit entworfen hatte und danach Tomb Raider (Lara Croft: Tomb Raider – Legend) für Eidos.
Steven Spielberg arbeitete mit Doug Church das Spielkonzept aus, was oberflächlich betrachtet ein First-Person Action-Adventure für Playstation 3, Xbox 360 sowie PC in den 50er werden sollte. Es teilte sich in leichte Rollenspielelemente auf, bei den der Spieler mit Charakteren redete, um Informationen aufzudecken, sowie Action-Sequenzen, die sich hauptsächlich um kreative Fluchtwege drehten. Der Spieler floh vor nahenden Helikoptern und FBI-Agenten, wurde in Handgemenge verstrickt und entkam dann Parkour-style-mäßig. Was das Flucht-Gameplay sehr ähnlich wie in Mirror’s Edge erscheinen ließ, welches parallel bei EA’s Studio DICE entstand. Aber der wichtigste Schlüsselfaktor war eigentlich das Alien-artig-aussehende junge Mädchen Eve. Der Spielercharakter, Lincoln, brach sie zu Beginn von LMNO aus einer Area-51-mäßigen Militärbasis aus. Von da an half sie ihm, mit ihren Psionischen Kräften und gab ihm Hinweise, was er in der Umgebung machen sollte. Ganz ähnlich wie es Ubisoft in der Prince of Persia: The Sands of Time Reihe gemacht hatte. Wobei Eve deutlich stärker das Gameplay beeinflussen sollte. Der Spieler konnte voraus rennen und auf eigene Faust durch den Level kommen, oder bei ihr bleiben, Kommandos erteilen und sie so mit schweren Objekten Türen verbarrikadieren lassen, während er selbst nach dem Fluchtweg suchte. Ebenso konnte Lincoln Eve für gemeinsame Angriffe koordinieren. Steven Spielbergs Ansatz dabei war, eine emotionale Verbindung zum Spieler zu schaffen. Weshalb das Team ebenso eine KI á la The Sims entwickelte, durch die sich Eve anders verhielt, je nachdem wie Lincoln mit ihr umging. Der Spieler sollte ihr im Spielverlauf nicht nur neue Fähigkeiten geben, sondern sie ebenfalls emotional aufbauen oder entmutigen können. Wodurch Eve ihm wiederum mehr oder weniger half.
Der risikoreichste Faktor von LMNO war jedoch die Spieldauer. Es sollte lediglich zwei oder drei Stunden dauern LMNO durchzuspielen, dafür aber einen extrem hohen Wiederspielwert bekommen. Nach zweieinhalb Jahren gab es viele funktionierende Systeme, aber nur einen fertigen Level, für dessen Design die Arkane Studios maßgeblich verantwortlich waren. Der Level vereinte die unterschiedlichen Spielelemente und konnte in zwei bis drei Minuten durchgespielt werden. Es war jedoch ebenso möglich 45 Minuten darin zu verbringen. Mit der, auf den ersten Blick großen Ähnlichkeit zu Mirror’s Edge, was zu DICEs kommerziell wenig erfolgreichen Spielen zählte, der kurzen Spiellänge und dem fehlenden Mehrspieler-Modus, wurde Electronic Arts langsam nervös. Sie stellten die Produktion durch Blueprint und Arkane im Juni 2008 ein. Das Grundkonzept lebte noch einige Monate weiter. Unter dem Titel „The Escape Artist“ durchlebte es eine Metamorphose zu EA’s Variation von Uncharted in einem Steven Spielberg Universum. Als Electronic Arts im November 2009 den Hauptfokus ihrer Produkte auf Online-Games beschränkte und ca. 1.500 Mitarbeiter entließ, fiel dem u.a. The Escape Artist zum Opfer.

Auch wenn LMNO nie erschien, brachte es den Arkane Studios eine sehr gute monatliche Bezahlung seitens Electronic Arts ein. Dem folgte Treyarch’s Call of Duty: World at War, wofür die Arkane Studios ausgerechnet das designten, was ihnen bei The Crossing keiner zugetraut hatte: Die Mehrspieler-Komponente. Die letzte bezahlte Hilfsarbeit lieferten die Arkane Studios 2010 mit BioShock 2 ab, für das sie 2K Marin mit Konzeptzeichnungen, Animationen sowie Leveldesign belieferten.

Gut anderthalb Jahrzehnte zuvor gab es noch einen zweiten aufstrebenden Designer: Harvey Smith. Der Texaner hatte schon in seiner Kindheit Fantasy-Universen und eigene Pen & Paper Regeln erfunden. Nach sechs Jahren als Techniker für Satellitenkommunikation in der US Air Force, zog er in die Stadt, die ihm aus seinen Kindheitserinnerungen am besten gefiel: Austin, Texas. Harvey begann bei Origin System’s Events abzuhängen, spielte im Origin Softball Team, machte bei ihren abendlichen Shadowrun Kampagnen mit und sprang sogar ein Mal mit Richard Garriott und weiteren Mitarbeitern Fallschirm. 1993 schloss sich Harvey dann Origins Qualitätssicherungsabteilung an. Nach der QA für Wing Commander auf dem 3DO wurde er zum Leiter der Qualitätssicherung für System Shock, wo er erstmalig mit Raphael Kontakt hatte. Harveys harsche Kritik an Ultima 8, zu dem er Richard Garriott eine Liste mit 100 Gründen schrieb, warum es mies sei, machte Harvey später zum Koproduzenten des Spiels. Er überholte die bugreiche Disketten-Version von Ultima 8 und brachte eine deutlich bessere CD-Rom Fassung des Spiels heraus. 1995 designte er dann bei Origin sein erstes eigenes Spiel: Technosaur. Ein Echtzeit-Strategiespiel nach dem Vorbild von Westwood Studios Dune 2. Das simple Interface-Design von Dune 2, bei dem ein Linksklick beinahe alles ermöglichte und die Einheiten umgehend akustische Rückmeldungen gaben, hatten Harvey umgehauen. Er wollte das mit einer abgedrehten Jurassic Park Story kombinieren. In Technosaur hatten die ökologischen Katastrophen der zukünftigen Erde zur totalen Zerstörung geführt, den Überlebenden war jedoch die Zeitreise gelungen, was zu kybernetisch verbesserten Dinosauriern führte, mit denen sie die Erde des 20. Jahrhunderts überfielen. Technosaur war anderthalb Jahre mit einem 13-köpfigen-Team in der Entwicklung. Es hatte nur einen Fehler. Es sollte besonders viele grafisch ansprechende Animationen für die Dinosaurier sowie anderes Kriegsgerät haben und einen stufenlosen Zoom bieten. Um also die Kamera von einer 6 Meter Nah-Ansicht bis zu 1.500 Meter heraus fahren zu können, verwendete Technosaur eine Draufsicht. Denn auf diese Weise konnte das Team die Sprites der Objekte schlichtweg drehen, wohingegen die genretypische ¾ Perspektive separate Animationen benötigte. Bei Harveys Demonstration des Spiels vor der EA-Führung, machte EAs Worldwide Studios Präsident, Don Mattrick, die Perspektive nicht und Harvey war gleichzeitig zu engstirnig, sich auf eine Änderung einzulassen. So wurde ihnen die Finanzierung entzogen. Harvey verließ Origin System kurz darauf und schloss sich für zwei Jahre Multitude in Kalifornien an. Wo er an dem Truppen-basierenden Online-Taktikspiel Fireteam arbeitete. Anschließend nahm Harvey mit seinem früheren Origin Kollegen Warren Spector Kontakt auf. Sie plauderten darüber, wie sie Ultima Underworld und System Shock auf den nächsten Level heben könnten. Das Ergebnis ihrer gemeinsamen Planung wurde im Juni 2000 Deus Ex. Bei dessen Nachfolger, Deus Ex: Invisible War, übernahm Harvey die Rolle des Leitenden Designers, während Warren sich um die Firma und andere Projekte kümmerte. Bedauerlicherweise brachte das Missmanagement, was mit John Romeros Firmengründung begann, 2005 das Ende von Ion Storm und Harvey Smith musste sich nach einem neuen Job umsehen.

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