Ion Storm – Nur das Design zählt

by Pandur
Futuristische Waffenkammer mit grünem Ion Storm Logo

Aber zusammen mit der Akquirierung des Dominion Teams hatte Ion Storm Dallas im Sommer 1997 bereits ein zweites Studio eröffnet. Ion Storm Austin wurde von Warren Spector geleitet. Der hatte bereits Anfang 1993, als er noch für Origin tätig gewesen war und von dort die Ultima Underworld II Entwicklung beaufsichtigte, die Idee für Troubleshooter gehabt. Eine Simulation mit einer ähnlich realistischen Welt wie Underworld, jedoch gepaart mit Verschwörungstheorien und einem Science Fiction Setting. Doch Origins Publisher Electronic Arts hatte Troubleshooter abgelehnt. Als Warren zu Looking Glass wechselte und diese ihren Durchbruch mit Thief: The Dark Project feierten, versuchte Warren erneut Troubleshooter zu pushen. Doch die Looking Glass Führung sah es als Fehler an, ein Spiel zu programmieren, in dem man wie in Thief schleichen konnte, aber es nicht musste. John Romero hingegen erkannte die Brillanz von Troubleshooter und so durfte Warren Spector zusammen mit einigen ehemaligen Looking Glass Angestellten sein Projekt mit Ion Storms Finanzierung Realität werden lassen. Parallel zur Pre-Production seines kommenden Spiels, schrieb Warren ein Manifest für die Konzeption von Rollenspielen, ähnlich wie es Lucasfilm Games Ron Gilbert es für Adventures gemacht hatte. Es schloss Prinzipien wie „kein erzwungenes Versagen“, „Gebiete mit multiplen Ein- und Ausgängen“ und „keine Puzzles, sondern Probleme“ ein. Sein erstes Troubleshooter, das nun den Titel Deus Ex hatte, wurde das Paradebeispiel für diese Grundregeln. Der Titel lehnte sich an das lateinische Problem „deus ex machina“ an, bei dem ein unmöglicher Plot durch ein unvorhergesehenes Eingreifen gelöst wird. Die immersive Simulation, in welcher der Spieler einen augmentierten Agenten im chaotischen Jahre 2050 steuerte, orientierte sich an Spielevorbildern wie Half-Life, Fallout, Thief sowie GoldenEye 007 und Filmvorlagen wie Der Manchurian Kandidat, Robocop und Akte X. Entgegen der drei Ion Storm Entwicklungsteams in Dallas ging Warrens Austiner Team gänzlich anders an die Entwicklung heran. Sie lizenzierten die Unreal Engine, weil diese bereits 80% ihrer Anforderungen von Grund auf abdeckte und entwickelten die problematischten Teile des Spiels zu erst. Wodurch technische Hürden, wie zu große Karten, welche das gesamte Spiel verlangsamten, sofort korrigiert werden konnten. Außerdem reduzierten sie das ursprünglich 500 Seitige Design-Dokument auf realisierbare 270 Seiten. Bedauerlicherweise hatte Ion Storm Austin jedoch Probleme talentierte Entwickler zu gewinnen, da in der Presse immer wieder von den Katastrophen bei Ion Storm Dallas berichtet wurde und kaum jemand gewillt war bei Ion Storm anzufangen. Ion Storm Austin überlegte daher zeitweise sogar sich in Manifesto Games umzubenennen.

Dennoch gelang es dem Studio innerhalb von 34 Monaten ein Action-Rollenspiel in einer Cyperpunk Welt zu erschaffen, die damals Looking Glass‘ System Shock am ähnlichsten war. Die Geschichte folgte J.C. Denton, einem Anti-Terrorist Agenten, der dank Nanotechnologie mit seinen übernatürlichen Fähigkeiten menschliche und robotische Terroristen bekämpfte. Seine Missionen deckten eine Verschwörung auf, die sich über die Triade, Illuminati und Majestic 12 erstreckte. Dabei kombinierte Deus Ex Simulations-, Rollenspiel-, Egoshooter, und Adventure-Elemente. Was dem Spieler erlaubte Aufgaben und Missionen auf gänzlich verschiedenen Wegen mit unterschiedlichen Ausgängen zu lösen. Es gab Lösungen fürs Schleichen, Scharfschützen, Frontalangriff, Unterhaltungen oder Hacken von Computern. Dafür durfte der Spieler 24 verschiedene tödliche oder nicht-tödliche Waffen wählen und diese mit Zielfernrohren, Schalldämpfern und Laservisieren modifizieren. Ähnliche Spezialisierungsoptionen bot das Charaktersystem selbst. Als Deus Ex im Juni 2000, einen Monat nach Daikatana, erschien, wurde es zu einem riesigen Erfolg. Eidos verkaufte über eine Millionen Exemplare. Die Durchschnittswertung lag bei 90%. In den darauffolgenden Monaten und Jahren sicherte sich Deus Ex immer häufiger einen Platz in den Listen der besten Spiele aller Zeiten. Unzählige Spiele mussten sich die nächsten Jahre mit dem Meisterwerk messen und zogen fasst immer den Kürzeren.

Parallel zu den drei zuerst erschienen Titeln, arbeitete Tom Hall in Dallas ebenfalls an einem Sci-Fi RPG. Der Anachronox Hauptcharakter Sylvester Bucelli basierte auf einer Idee aus Toms College Zeit, die er durch einen Geistesblitz beim Duschen in ein umfangreiches Rollenspiel á la Squaresoft’s Chrono Trigger und Final Fantasy verwandelte. Was u.a. dazu führte, dass Tom von dem Moment an immer ein Aufnahmegerät und eine Tafel im Bad hatte. Er verfasste ähnlich wie Warren ein 460 Seiten starkes Design Dokument und versprach der Öffentlichkeit bei der Ankündigung eine „turbulente Story mit einer Achterbahn der Gefühle“. Tom wollte ein ergreifendes kinoreifes Abenteuer erschaffen. Weshalb er Jake Hughes als Regisseur der Zwischensequenzen anhörte. Jake hatte bis dahin in der Filmindustrie gearbeitet und diverse Independent-Filme gedreht. Wie John Romero setzte Tom ebenso auf die Quake Engine und war im Verlauf der Anachronox-Entwicklung daher mit den gleichen Upgrade-Problemen wie John konfrontiert. Tom und sein Team schrieben jedoch bedeutend mehr Tools, um die 130 NPCs und 160 Locations zum Leben zu erwecken, Dialoge Lippen-synchron zu machen und dergleichen. Genau wie Daikatana demonstrierte Ion Storm Anachronox erstmalig auf der E3 1997. Entgegen Daikatana erhielt es nicht nur bei dieser Präsentation, sondern auch auf den kommenden Messen immer größer werdenden Beifall und wurde 1998 zum vielversprechensten Rollenspiel gewählt. Mitte 1999 wurde klar, dass Toms Ideenreichtum des Universums zu umfangreich für ein einzelnes Spiel war. So kündigte Ion Storm, neben einem ungefähren Erscheinungstermin von Ende 1999 / Anfang 2000, ebenso zwei Erweiterungssets an, welche die Gesamtgeschichte vollenden sollten. Durch den Ausfall des Daikatana Teams musste Toms Team jedoch dort aushelfen, weshalb Anachronox erst nach dessen Veröffentlichung wieder voll in Produktion ging und sich um ein komplettes Jahr verzögerte.

Das fertige Anachronox spielte in einer künstlichen Sphäre, welche diverse Planeten mit futuristischen Städten beinhaltete und per Shuttle-Transfer besucht werden konnte. Der Spieler schlüpfte dabei in die Rolle des Ex-Privatdetektivs Sly Boots, der sich in typischer Japano-Rollenspiel-Manier durch eine 3D Welt bewegte und rundenbasierende Kämpfe mit einer Variation von Final Fantasys Active-Time-Battle-Systems austrug. Begegnungen wurden dabei nicht zufällig, wie in Final Fantasy ausgelöst, sondern waren wie in Chrono Trigger vordefiniert. Der Spieler konnte Gruppenmitglieder nach belieben austauschen. Wobei jeder spielbare Charakter eine einzigartige Fähigkeit wie Schlösserknacken oder ähnliches besaß, die zum Lösen von Rätseln nötig waren. Die äußerst umfangreiche und amüsante Geschichte fasste Regisseur Jake Hughes ein Jahr später in einem zweieinhalbstündigen Anachronox: The Movie Video zusammen.

Als Anachronox im Juni 2001 erschien lobten die Tester die ungewöhnliche Mixtur von Rollenspiel und First Person Shooter, die strategischen Schlachten sowie die tiefschürfende Geschichte und den Humor des Spiels. Mit einer Metacritic-Wertung von 77 Punkten, lag es zwar hinter Deus Ex zurück, war punkte-mäßig aber fasst doppelt so gut wie Daikatana. Bedauerlicherweise wartete Geldgeber Eidos dieses Urteil nicht mehr ab. Noch bevor Anachronox ausgeliefert war, schloss Eidos Ion Storm Dallas.

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