Es dauerte weitere drei Wochen, bis Melie mit ihrem befreiten Bruder ebenfalls zurückkehrte. Wie Arthur Amicia erzählte, hörte er von seiner Zelle aus, wie sie Beatrice de Rune folterten. Amicia wollte umgehend einen weiteren Befreiungsversuch starten. Aber Arthur und Melie hielt das für unmöglich. Beatrice wurde zu gut bewacht und beinahe pausenlos von Inquisitor Nicholas befragt. Als Amicia von der Folter hörte, untersagte sie ihren Freunden Hugo etwas davon zu verraten. Selbst der Umstand, dass sie am Leben war nicht. Aber Hugo pirschte sich längst an und hörte genau das mit an.
Hugos Gesundheit verschlechterte sich, bevor es Lucas gelang das Mittel zur Verlangsamung der Krankheit zusammen zu mischen. Die verfärbten Adern reichten dem Jungen mittlerweile bis ins Gesicht, als Amicia ihm endlich die Medizin verabreichte. Sie hofften, am nächsten Morgen würde es Hugo besser gehen. Bevor sie sich gemeinsam Schlafen legten, fragte Hugo ein letztes Mal nach seiner Mutter. Aber Amicia beteuerte weiterhin, Mami wäre fort.
Am folgenden Morgen weckte Arthurs und Rodrics Streit unsanft Amicia. Es dauerte einige Sekunden, bis sie Hugos Verschwinden bemerkte. Erst sein fehlendes Medaillon, das er zuvor neben ihrem im Hof aufhing, brachte die Gewissheit, dass Hugo weggelaufen war. Amicia eilte ihm umgehend nach, ohne zu wissen, wo genau er hin gelaufen war. Mit tränenüberlaufenden Augen stürzte das Mädchen und verlor ihr Bewusstsein. Erst drei Tage später fanden Melie und Arthur sie. Sie brachten Amicia zurück ins Chateau.
Währenddessen fiel Hugo längst der Inquisition in die Hände. Großinquisitor Benevents Leibarzt nahm Hugo Blut ab und indizierte es seinem Meister. Auf das Hugos Fortschritte sich auf den Großinquisitor übertragen würde. Keiner erwog, den fünfjährigen zu fesseln. So gelang es dem kleinen scheinbar unbemerkt Inquisitor Nicholas in den Kerker zu folgen und seine Mutter ausfindig zu machen. Beatrice konnte kaum fassen, Hugo wiederzusehen, war jedoch sofort um dessen Gesundheit besorgt. Als Hugo ihr berichtete, er würde die Stimmen jetzt dauerhaft hören, begriff sie, dass er die erste Schwelle überschritt. Händchenhaltend bat sie Hugo, den Stimmen zu antworten. Es schmerzte, aber von dem Moment an, kontrollierte der kleine Junge die Ratten. Sie folgten seinen Gedanken, wohin er auch wollte.
Unterstützt von unzähligen Ratten, flohen die beiden aus dem Kerker und stolperten direkt in Benevents Thronsaal. Der Großinquisitor erwartete sie bereits. Selbstverständlich bemerkte Nicholas die Verfolgung des kleinen Jungen zuvor. Aber der Großinquisitor vermutete, Hugo bräuchte eine Art Katalysator, um die zweite Schwelle zu erreichen. Deshalb ließ er dem Jungen freien Lauf. Der Thronsaal repräsentierte Vitalis Benevents Prüfung. Zeitgleich entfesselten seine Untertanen Ratten und ließen Soldaten auf Hugo samt Mutter los. Der kleine Junge, tötete einen Soldaten nach dem anderen mit den Nagern. Aber mehr nicht. Als Hugo nach zahlreichen Toten erschöpft zusammen brach, ließ der Großinquisitor die beiden wieder abführen. Offenbar musste er einen anderen Weg finden, die zweite Schwelle zu erreichen.
Ein voller Monat verging. Zwischenzeitlich war es tiefer Winter. Die Sonne ging gerade unter. Ein Zeitpunkt an dem die Jugendlichen für gewöhnlich den Hof von Ratten säuberten, um die Nacht ungestört verbringen zu können. Aber an dem Abend ging etwas schief. Sie hatten die letzten Biester gerade mit den Feuern vertrieben, als sich eine Flut von ihnen über den Hof ergoss. Die Ratten agierten organisiert. Sie formten rotierende Säulen und löschten die Feuer. Amicia und Arthur brachten sich im Gebäudeinneren in Sicherheit. Aber Türen hielt Ratten kaum auf. Im nächsten Moment erklommen die Nagetiere die Kellertreppe. Begleitet von Inquisitor Nicholas und Hugo in einer schwarz-roten-Robe er Inquisition. Amicias kleiner Bruder schien wie im Trance und gehorchte Nicholas aufs Wort. Rodric riss Amicia zur Seite und floh mit ihr in einen der unzähligen Korridore. Doch der Inquisitor stoppte die Flucht der Jugendlichen. Unerwartet von den Flüchtlingen, brach er durch eine der Türen und schlug Arthur nieder. Dann schnappte er sich Amicia und warf sie Hugo vor die Füße. Der Ritter befahl dem Jungen seine Schwester zu töten. Es würde seine finale Prüfung sein. Die zweite Schwelle. Als dieser jedoch nicht gehorchte, rückte Nicholas Amicia selbst zu Leibe. Während sie rückwärts stolperte, plauderte der Inquisitor siegessicher aus, Hugo wäre bald nicht der einzige Prima Macula Träger. Sein Meister Großinquisitor Vitalis Benevent stünde dank Hugos Blut ebenfalls vor der zweiten Schwelle.
Im nächsten Augenblick schnappte Arthurs Falle zu. Er gab dem Gerüst einen Stoß und die darauf liegenden Felsen begruben Inquisitor Nicholas. In der Zeit, wo Arthur sicher stellte, dass der Ritter wirklich tot war, versuchte Amicia sich ihrem Bruder zu nähern. Aber der kleine hob bedrohlich die Hände, wodurch die Ratten sie umzingelten. Offenbar kam Hugo nicht darüber hinweg, dass seine Schwester ihn über den Tod ihrer Mutter belog. Er verstand nicht, dass sie ihn nur zu schützen versuchte. Als die Ratten um Amicia herum wirbelten und langsam an ihr empor stiegen, rannte das Mädchen auf ihren kleinen Bruder zu und umarmte ihn. Obwohl die Ratten ihr folgten, blieben beide unversehrt. Die Nager ließen von den Geschwistern ab und zogen sich zurück.
Zwei Sekunden später schrie Hugo auf. Denn der totgeglaubte Inquisitor erhob sich hinter Arthur. Für den Jungen kam jede Hilfe zu spät. Bevor er den Ritter überhaupt wahrnahm, bohrte sich dessen Langschwert in seinen Oberkörper. Amicia reagierte dafür um so schneller, mit den Geschossen ihrer Schleuder löschte sie die Feuer um Nicholas und im nächsten Augenblick hetzte Hugo die Ratten auf ihn. Der Inquisitor versank im Meer von Ratten.