Baldur verstand die Welt nicht mehr. In seiner Hand steckte die Mistelzweigspitze, mit der Kratos den Köcher seines Sohnes reparierte. Unzählige andere Pfeile durchbohrten ihn zuvor ohne etwas zu bewirken. Aber diese simple Mistel lüftete den Fluch. Auf einmal spürte er alles. Den Schmerz der Wunde, die Kälte, einfach alles was das Leben ausmachte. Freya missfiel diese Entwicklung deutlich. Ihr Sohn war sterblich. Bevor Baldur zum nächsten Angriff überging, fesselte sie ihn erneut und kontrollierte zeitgleich Thamurs Leichnam. Der eisige Atem des Riesen-Steinmetzes fegte über sie hinweg und machte die Abenteurer bewegungsunfähig. Deckung suchend kam Atreus eine Idee. Er hatte Worte der alten Sprache von Mimir aufgeschnappt und rief mit diesen Jörmungandr herbei. Die Weltenschlange verschlang Thamurs Kopf und machte so Freyas Marionette Kampfunfähig. Angetrieben von Wind und Kampfgetümmel, stürzten alle vier über die nächste Klippe und landeten nah beieinander. Kratos erholte sich als erster und ging umgehend Baldur an die Kehle. Seine Mutter bettelte den Kriegsgott an, von Baldur ab zu lassen. Doch es waren Atreus Worte, die ihn überzeugten. Baldur war besiegt. Er stellte keine Bedrohung mehr da.
Auch wenn Kratos von ihm ab ließ, endete dessen Streit mit Freya nicht. Sie bettelte um die Vergebung ihres Sohnes und darum gemeinsam eine neue Zukunft aufzubauen. Aber Baldur hielt an seinem Vorhaben fest. Freya sollte für die Lebenszeit bezahlen, die sie ihm stahl. Obwohl sie glaubte, mit ihrer Verbannung längst bezahlt zu haben, gab sie nach. Mit offenen Armen ließ sie den Tod über sich ergehen. Das wollte Kratos jedoch nicht zulassen. Er beendete stattdessen Baldurs Leben. Denn Götter mussten besser sein als das.
In Freyas Augen zählten Baldurs Sünden nicht. Er war ihr Sohn! Kratos konnte sagen was er wollte. Für sie ließ der Kriegsgott das wahr werden, was sie seit über einem Jahrhundert fürchtete. Den Tod ihres Kindes. Freya schwor, Kratos jede nur erdenkliche Qual zu bringen, die er sich vorstellen konnte und seinen Leichnam eigenhändig zu Hel zu bringen. Für den Moment trug sie ihren geliebten Sohn zu Grabe. Aber es war klar, Kratos schuf sich mit ihrer Rettung einen Feind fürs Leben.
Ungeachtet der bevorstehenden Ereignisse, wollte Kratos ihre Reise zu ende bringen. Mit Hilfe von Mimirs wiederhergestellten Augen, öffnete er die Brücke ins verloren geglaubte Reich der Riesen. Hoch oben auf den Fingern des Berges, erblickte Atreus bereits freudig die höchste Stelle aller Reiche am Horizont. Die letzten Meter führten sie durch eine Höhle. Ein merkwürdiges Gemäuer, gefüllt von Bildnissen der Riesen. Atreus schien es, als sei jeder Riese vor seinem Verschwinden durch diese Höhle gewandert. Der Junge verstand nicht, warum seine Mutter sie dort hin schickte. Der Ort verstrahlte keinerlei Emotionen. Er wirkte kalt und leblos. Kratos verließ die Höhle bereits wieder, als Atreus versehentlich eine Wand mit seiner Hand streifte. Auf einmal blätterte die Wand ab und legte zuvor verborgene Malereien frei. Sie zeigten Faye samt Leviathanaxt, wie sie mit Riesen stritt. Gefolgt von einem Bildnis ihrer vorangegangenen Reise. Der Berg mit dem Drachen. Ihr Kampf mit Baldur. Einfach alles was sie erlebten. Offenbar sah Faye all das voraus. Oder es war ihnen einfach vorbestimmt. Weder Atreus noch Kratos begriffen es vollständig. Aber langsam wurde ihnen klar, dass Faye keine gewöhnliche Sterbliche war, wie sie dachten. Atreus Mutter war eine Riesin und das machte ihn sowohl zu einem Gott als auch Riesen. Doch eine weitere Sache, erregte Atreus Aufmerksamkeit. Die alten Schriftzeichen bezeichneten ihn als Loki. Kratos entfiel der Name längst. Aber bei der Erwähnung erinnerte er sich, dass Faye ihren Sohn bei seiner Geburt tatsächlich Loki nennen wollte, bevor sie sich auf Atreus einigten.
Erst beim Anblick von Fayes Leichnam am Gemälde, verstand Kratos, dass er selbst nie Baldurs Ziel gewesen war. Baldur beziehungsweise Odin suchte Faye. Ohne von ihrem Tod oder Sohn zu wissen. Die Reise zum höchsten Punkt aller Reiche nahm ein Ende. Aber ihr gemeinsames Abenteurer begann gerade erst …