So brillant das kleine Studio auch war, kämpften sie ununterbrochen ums Überleben, während Electronic Arts die Kohle einheimste. Lerner Researchs und Looking Glass bisherige Veröffentlichungen hatten dem Publisher 90 Millionen Dollar eingebracht. Deshalb entschieden Paul und Ned ihre nächsten Spiele selbst zu publizieren. Sie überzeugten Investmentfirmen 3,8 Millionen in Looking Glass Technologies zu stecken und formten so ihren eigenes Publisher Label: Immersive Reality
Ihr erstes veröffentlichtes Spiel sollte Flight Unlimited werden. Obwohl Lerner Research schon seit Jahren diverse Flugsimulatoren mit verschiedenen Jets entwickelt hatte, wurde Flight Unlimited etwas gänzlich neues. Seamus Blackley hatte Studenten bei Fermilab Research Partikelphysik gelehrt und auf eine Anzeige von Lerner Research reagiert. Seamus hatte zunächst kleinere Physik-Demonstrationen und das Physikmodell für Car and Driver geschrieben. Als Hobbypilot und von der Programmierung fasziniert, überredete Seamus Paul von dessen Idee einer Cessna Simulation abzulassen und stattdessen eine Kunstflug-Trainings-Simulation zu programmieren.
Flugsimulationen hatten bis dahin meist aus originalgetreuen Cockpits und mehreren hundert Seiten starken Handbüchern bestanden, um einen möglichst großen Realismus für Berufs- oder Hobbypiloten zu bieten. Aber diese Simulationen machten keinen Spaß. Seamus wählte eine gänzlich andere Herangehensweise. Er nahm eine Datenbank mit Sensordaten von Windtunneln zur Hand und verband sie mit seinem Wissen über Partikel-Physik. Das Resultat war eine simulierte Atmosphäre. Die Luft agierte wie eine Flüssigkeit, welche auf die Form der Objekte reagierte. Die Flugzeugmodelle des Spiels stiegen so in die Luft, weil es ihre aerodynamische Bauweise vorgab, wie im richtigen Leben. Durch diese Simulation der Flugdynamik waren in Flight Unlimited Manöver möglich, die in vorangegangenen Simulatoren undenkbar gewesen waren.
Im fertigen Flight Unlimited konnte der Spieler zwischen fünf verschiedenen Flugzeugen wählen, vom Bellanca Decathlon bis zur Sukhoi Su-31 und sich entscheiden ob er auf dem Rollweg, der Startbahn oder direkt in der Luft begann. Das Spiel umfasste Unterrichtsstunden von Grundlagen bis fortgeschrittenen Flugtechniken und einem Fluglehrer mit Ratschlägen zur Spielerleistung in Echtzeit.
Als Flight Unlimited im Juni 1995 erschien, lag es zwanzig Plätze hinter Microsofts Flight Simulator 5.1 zurück, wurde für Looking Glass aber dennoch zu einem finanziellen Erfolg. Sie verkauften 300.000 Exemplare in den ersten zwei Jahren und bis 2002 780.000.
Zur Zeit des Ultima Underworld Releases kam Paul die Idee eines taktisches Squad-basierendes 3D-Sci-Fi-Spiels, was sich grob am Starship Troopers Film und dem der Ewige Krieg Roman orientieren sollte. Da die Soldaten zu Missionsbeginn ohne Fallschirm aus einem Flugzeug abspringen sollten, wollte Paul es Freefall nennen. Die Produktion des Spiels lief mit einem winzigen Team parallel zu Ultima Underworld 2 und System Shock ab und wurde unzählige male verschoben. Wie bei den ersten Spielen behielt Looking Glass die Philosophie bei, eine möglichst gute Simulation der Realität durch verschiedene Systeme zu entwickeln und dadurch letztlich zu einem guten Spiel zu kommen. Doch der einzige Programmierer für Freefall verließ Looking Glass während der Entwicklung und so sprang Projektleiter Dan Schmidt selbst ein.
Der ursprüngliche Plan für das Spiel war es gewesen, die Missionen wie bei Wing Commander mit simple Zwischensequenzen zu versetzen. Doch als Wing Commander 3: Heart of the Tiger 1994 plötzlich Full-Motion-Video Sequenzen einführte, sah sich Looking Glass gezwungen die ebenfalls zu implementieren. Da das Spiel zu dem Zeitpunkt bereits hinter dem Zeitplan zurück lag und zudem übers eigentliche Budget hinaus schoss, war Paul gezwungen sich zwischen den aufwendigen Sequenzen und dem unfertigen Online-Multiplayer-Feature zu entscheiden. Seine Wahl war gegen den Online-Teamplay-Modus und beraubte das Spiel somit eines wichtigen Verkaufselements. Auf der Winter CES 1995 demonstrierte Looking Glass ihr nun Terra Nova: Strike Force Centauri getauftes Spiel erstmalig der Öffentlichkeit.
Es stellte sich heraus, dass der angestrebte Realismus ihrer Simulation nicht so spaßig war wie erhofft. Looking Glass stand vor dem Problem Terra Nova komplett einzustellen oder an der vollkommenen Fertigstellung Pleite zu gehen. Sie beschnitten Teile der Physik, indem sie sämtliche Charaktere in unsichtbare Bälle verbannten, bauten es auf eine actionlastigere Spielweise um und brachten es Anfang März 1996 heraus. Mit der Absicht den Mehrspielermodus innerhalb des nächsten halben Jahres als Patch nachzuliefern. Aber trotz der durchweg 90% Wertungen und unzähligen Auszeichnungen verkaufte Terra Nova gerade mal 100.000 Exemplare, was die Produktionskosten nicht annähernd deckte. So blieb das Multiplayer-Feature ein Wunschtraum. Wäre es anders gekommen, würden wir heute vielleicht Terra Nova in einem Atemzug mit Team Fortress und Halo nennen.
1995 hatte Looking Glass bereits 50 Mitarbeiter, mit einem Lohn von 20.000$ pro Kopf. Um alle Rechnungen bezahlen zu können, musste die Firma mindestens eine Million pro Jahr verdienen und das bei der normalen 40 Stunden Woche. Daher schloss Paul im August 1995 einen Vertrag mit Viacom New Media ab, um für finanzielle Stabilität zu sorgen. Unter der neuen Partnerschaft sollten zahlreiche neue Titel erscheinen. Angefangen mit einem Star Trek Voyager Adventure. Doch nach 18 Monaten trat Viacom von dem Vertrag zurück und stellte Voyager ein. In dem Moment begannen die Probleme für Looking Glass.
Nach dem gut verkauften Flight Unlimited 1995, wurden Terra Nova 1996 sowie Britisch Open Championship Golf 1997 zu einem finanziellen Desaster für Looking Glass Technologies und ließen die Firma mit einem Schuldenberg zurück. Deshalb begann Paul 1997 mehrgleisig zu fahren. Looking Glass schloss sich mit Intermetrics Inc. zusammen, eine Firma die sich auf Compiler Technologie für die Space Shuttles spezialisiert hatte und benannte sich dabei zu Looking Glass Studios um. Grundlegend kreierte Intermetrics Programme, die Source Code in gängige Formate übersetzte. Dadurch war es Looking Glass möglich Spiele auf das Nintendo 64 zu portieren, was sich in den USA gerade gut verkaufte. Ihr erstes dadurch konvertiertes Spiel wurde Westwood Studios Command & Conquer. Super Mario und Zelda Erfinder Shigeru Miyamoto war davon dermaßen beeindruckt, dass er Looking Glass bat ihm bei seinem neuen Mini Racers Projekt behilflich zu sein. Für diese Aufgabe entsandte Looking Glass diverse Mitarbeiter nach Japan, um Miyamotos Team zu unterstützen. Doch wie viele Looking Glass N64 Titel wurde Mini Racers nie Released. Erstaunlicherweise tauchte einige Zeit später ein Mini Racers Modul auf eBay auf und verkaufte sich für über 3.000$. Aber das half Looking Glass nicht. Sämtliche Nintendo 64 Spiele, die sie entwickelten wurden entweder von Nintendo Seite her eingestellt oder verkauften sich nicht gut genug, wodurch das finanzielle Loch immer größer wurde. Das einzige Licht am Horizont war Thief: The Dark Project.