Für Another World schrieb Eric damals eine Skriptsprache, die 20 Instruktionen und 256 Variablen umfasste. Auch wenn ihm die kurzen Variablen-Kennungen stets Kopfzerbrechen bereiteten, ermöglichte ihm die Skriptsprache dennoch, relativ zügig Abläufe für die Level des Spiels zu schreiben. Das Heart of Darkness Gameplay programmierte das Amazing Studio hingegen in C. Was zwar performant war, aber die Erstellung eines einzigen Levels auf Monate streckte und das obwohl sie zwischenzeitlich fünf weitere Mitarbeiter einstellten. Fasst ein Jahr nach der E3 Präsentation, gaben sie den Ansatz wieder auf und implementierten erneut eine Skriptsprache. Von da an schritt das Level-Design deutlich schneller voran. Jedoch nicht schnell genug für Virgin. Denn Virgin Interactive Entertainment investierte parallel in viele weitere kostspielige Projekte, die sich nicht halb so gut verkauften. So verlor der britische Konzern mächtig Kapital und beschoss den Fokus auf die gewinnbringenden Westwood Studios zu beschränken. Sämtliche Third-Party-Projekte stießen sie ab, das galt ebenso für Heart of Darkness. Zugegebenermaßen war es ein schrittweiser Prozess. Zunächst verlor Virgin Amerika das Vertrauen und Monate später auch Virgin UK. Denn das Quintett weigerte sich Kompromisse einzugehen. Sie wollten zumindest ein Mal etwas erschaffen, an das sich die Leute erinnerten. Nachdem die Amazing Studio Crew den Weihnachten 1996 Termin nicht einhielt, stoppte Virgin endgültig die Finanzierung. Die Ironie der Situation war, dass das Gameplay Heart of Darknesses zu dem Zeitpunkt so gut wie vollendet war.
Die folgenden neun Monate verbrachte das Amazing Studio ohne Bezahlung. Sie steckten bei sich selbst zurück und aßen nur noch günstige Mahlzeiten aus Kartoffeln oder Nudelsnacks. Denn keiner von ihnen wollte, dass die vorangegangenen vier Jahre vergebens waren. Ihnen war klar, der große Hype ihres Spiels wäre längst vergangen. Denn schon auf der E3 zwei Jahre zuvor, zeigte Sony zeitgleich die T-Rex Tech-Demo ihrer Playstation. Nicht nur deswegen war 3D zum neue Zauberwort geworden. 2D Platformer sorgten mittlerweile eher für Stirnrunzeln. Aber die Fünf glaubten weiterhin an ihr Werk und arbeiteten 7 Tage die Woche 12 Stunden täglich daran.
Zu der folgenden ECTS im September 1997 war Heart of Darkness dann endlich komplett spielbar und so gelang es dem Team zwei Publisher zu gewinnen. Interplay Entertainment für den amerikanischen Markt und Infogrames für den europäischen. Letztere verschrieben sich dem Spiel gänzlich. Sie kauften es Virgin Interactive Entertainment ab und versprachen, den selben Betrag zusätzlich ins Marketing zu investieren. Auch der Support seitens Infogrames funktionierte deutlich besser. Virgins Produzenten trafen sie ein oder maximal zwei Mal im Monat, Infogrames Produzent stand ihnen täglich zur Seite. Erics Erfahrung nach, war es der beste Support, den er je erlebte.
Die finalen Monate verbrachte das Amazing Studio mit dem Feintuning, denn sie waren mit dem Gameplay nicht vollständig zufrieden. Um sich wirklich zu rentieren, musste Heart of Darkness selbst Leute anlocken, die für gewöhnlich keine Video Games spielten. Aber Infogrames Playtesting zeigte, dass lediglich erfahrene Spieler klar kamen. Die Jüngeren, die vielleicht mal ein Prügelspiel oder sogar einen anderen Plattformer gesehen hatten, empfanden die Puzzles als zu problematisch. Also vereinfachte das Team zunächst Puzzles und gab dezente Hinweise, wie eine Echse an der Wand, die aufs Klettern verwies. Als das auch nicht reichte, implementierten sie zusätzlich blaue Tipps-Bildschirme, die Spielern konkret erläuterten, was zu machen sei.
Nach grob sechs Jahren Entwicklungsdauer, erschien Heart of Darkness am 04. Juli 1998 für PC und Playstation. Philips CD-i Produktion war da bereits eingestellt und Sega brachte bereits ihre Folgekonsole das Dreamcast auf den Markt. Sie zeigten keinerlei Interesse mehr am Spiel. Mit einer 75 Punkte Durchschnittswertung lobten die Magazine die Story und die immer noch gute Optik, kritisierten Heart of Darkness jedoch für das wenig innovative Gameplay. Auf dem PC litten die Zwischensequenzen unter einen schwarzen Bilderrahmen und das gesamte Spiel erstrahlte lediglich in den 256 Farben der VGA Palette. Dennoch verkauften Interplay und Infogrames mehr als eine Million Exemplare, ohne OEM Versionen, Bundles oder dergleichen. In den Folgejahren steigerten sich die Verkäufe dank reduzierten Preisen auf 1,5 Millionen.
Sämtliche Mitglieder des Amazing Studios nahmen sich die folgenden drei Monate frei. Besonders für Eric war es eine Tortur sondergleichen. Seit den Anfängen von Another World arbeitete er neun Jahre ununterbrochen durch. Weshalb er sich im Anschluss an Heart of Darkness eine Auszeit gönnte, die Welt bereiste und der Videospielindustrie für acht Jahre den Rücken kehrte. Besonders weitläufige Gebiete wie Wüsten oder Vulkane taten es ihm an. Seine Beobachtungen des Piton de la Fournaise auf Réunion, verleiteten ihn später doch wieder zu einem Computerspiel. Die von Ubisoft produzierte Göttersimulation From Dust.
Das übrige Amazing Studio Team arbeitete im Anschluss noch an einer Macintosh Portierung und Publisher Infogrames an einer Game Boy Color Version des cinematic Platformers. Beide erblickten nie das Licht der Welt. Das ursprüngliche Videospiel-Studio wurde geschlossen. Frederic Savoir errichtete im Folgejahr Amazing Sound und später die Amazing Digital Studios. Auch wenn sie den Steven Spielberg Film nie umsetzten, ist letzteres bis heute für die Post-Production von französischen Filmen und Fernsehserien zuständig.
Einzelnachweise:
- Amazin Studios
- Classic Game Postmortem – Another World
- Freedom Fighter: Paul Cuisset On The Making Of Flashback
- Facts About Flashback (1992): The Godfather of Cinematic Platforming
- Éric Chahi Interview – GROSPixels
- Morphs: Flashback 2 – Sega Retro
- Interview with Amazing Studio – Gamespot
- Interview with Amazing Studio, Pt. 1 – IGN
- Interview with Amazing Studio, Pt. 2 – IGN
- Another World: the eccentricities of Eric Chahi – Eurogamer
- Next Generation 6
- Next Generation 18
- Next Generation 23 – November 1996
- PC Zone 26 – Mai 1995
- Sega Saturn Magazine 8 – Juni 1996
- Heat of Darkness – Hardcore Gaming 101
- Heart of Darkness picked up in U.S.
- Eric Chahi (The Creator of Another World) Interview – Amiga’s Finest?! [AAPOD171]
- Interview with Eric Chahi about Heart Of Darkness (audio only, English)
- Eric Chahi – LinkedIn