Ob mit einem Katapult Mauern einzureißen, Wachen im Schwertkampf zu besiegen oder hoch in den Lüften Flugzeuge vom Himmel zu holen, Cinemawares Spiele zeichneten sich durch Spielhallenartige Mini-Games aus. Eben solche sollten genauso ein Teil Lost Patrols werden. Ian hatte dafür unzählige nicht realisierbare Ideen, aber Simon gab sein bestes, sie zum Leben zu erwecken. So kam z.B. ein Verhör mit digitalisierten Zwischensequenzen zu Stande oder eine Sequenz, bei welcher der Spieler durch die engen Tunnel des Vietkong kroch. Elemente, welche die Amiga Version Lost Patrols auf fünf Disketten anwachsen ließ und die Atari ST Fassung auf doppelt so viele.
Aber an dem Punkt setzten die unzähligen Beschränkungen Ocean Softwares ein. Zum Einen plante Gary einen Release fürs Weihnachtsgeschäft 1989, was bedeutete, die Diskettenproduktion Lost Patrols lief parallel zu unzähligen weiteren Ocean Spielen ab und deren Duplikatoren arbeiteten am Limit. Weshalb Gary Shadow Development vorschrieb, ihr Spiel müsse auf eine einzige Diskette passen. Wodurch sie den Großteil ihres Spiels streichen mussten. Lediglich fünf Mini-Games schafften es dadurch ins Endprodukt. Das Beat’em’up gegen einen vietnamesischen Soldaten, wenn der eigene Späher Feindkontakt hatte. Ein Überraschungsangriff des Vietkong, bei dem sich die Squad des Spielers mit einem Maschinengewehr in einer Häuserruine verbarrikadierte. Ein ähnliches Szenario mit angreifenden Vietkong auf einem Feld mit Böschungen, wo Feinde mit Granaten ausgeräuchert werden mussten. Die Überquerung eines Minenfelds, was hauptsächlich einsetzte, wenn der Spieler versuchte in eine feindliche Basis zu gelangen. Und zu guter Letzt der Beschuss eines Scharfschützen, bei dem der Spieler das Mündungsfeuer mit dem Zielfernrohr seines Gewehrs ausfindig machen musste. Ironischerweise hatte Ian extra für die Verhör-Sequenz einen zweiten Programmierer eingestellt. Von dessen Arbeit blieb im finalen Release nur das Beat’em’up übrig. Was aber in seinem eigenen begrenzten Umfang vollständig blieb. Denn selbst die anderen übrig gebliebenen Arcade Games beschnitt Simon zum Platzsparen. So bot die Minensuche mit dem Bayonet ursprünglich deutlich mehr Optionen, welche durch Animations-Einsparungen jedoch über Bord gingen.
Die Folter-Sequenz flog ebenfalls raus, weil Ocean Software keinen echten Kriegsgräuel und nicht mal „harte“ Worte wie „kill“, „dead“ oder dergleichen wollte. Sie wünschten sich stattdessen weiche umschreibende Begriffe. Das zweite riesige Problem, bei dem sich Ian und Simon glücklicherweise behaupteten, war das Kern-Gameplay. Denn Ocean hatte keinerlei Interesse an einem realistischen Spiel mit Tiefgang. Weshalb der komplette Kartenbildschirm mit dem Moral-Management und allem was dazu gehörte, verschwinden sollte. Was Ocean eigentlich anstrebte, seitdem sie den ersten Pitch des Spiels sahen, war eine Fortsetzung ihres Verkaufsschlagers Platoon von Weihnachten 87. Denn mit reinen Arcade Games wie diesen, häufig in Form von Platformern à la Batman verdienten sie die meiste Kohle. Aber das Shadow Development Duo wollte den Spieler keine anonymen schlitzäugigen Sprites abknallen lassen. Er sollte Rollenspiel betreiben und Verbindungen mit seinen Team-Mitgliedern formen.
Oceans dritte Hürde im Laufe der Monate wurden die Zielplattformen. Ian und Simon strebten von Anfang, lediglich Ataris und Commodores 16-Bit Computer, an. Aber Ocean Software belieferte damals beinahe jedes vorhandene System und bestand mindestens auf eine zusätzliche MS-DOS Variante. Ein Punkt indem Simon und Ian sich ebenfalls behaupteten. Letzten Endes lagerte Ocean die PC Portierung bei einem weiteren Freelance-Team aus. Mit diesen hatte Shadow Development keinerlei Kontakt. Scheinbar bekamen sie lediglich Shadow Developments Demo-Versionen und bauten das Spiel anhand dieser nach. Ein Umstand der für Bugs sorgte, wie dass das Mündungsfeuer der Scharfschützen im entsprechenden Mini-Game fehlte und diesen Abschnitt auf dem PC unmöglich machte.
Erwähnte Demo-Versionen waren der finale Sargnagel nach Meinung des Entwickler-Duos. Ähnlich wie Studios heutzutage Meilensteine der Entwicklung erreichen müssen, forderte Ocean Software ständig Demo-Versionen ihres Spiels. Die dienten jedoch selten dazu, den Fortschritt zu bewerten, sondern viel mehr dazu, es auf Messen vorzuführen oder als Zeitschriften-Beilage zu vermarkten. Obwohl das zunächst wie ein durchaus plausibler Marketing-Schachzug Oceans scheint, kosteten Simon und Ian diese zahlreichen Demos viereinhalb Monate der einjährigen Entwicklungsspanne! Etwas womit das Duo zuvor nicht gerechnet hatte und wofür sie Ocean im Nachhinein verfluchten.
Über einen gemeinsamen Bekannten, aus der Amiga-Demo-Szene, kam Ian in Kontakt mit Chris Glaister. Einem damals 16-jährigen Jungen, der sich gerade einen Amiga 500 gekauft hatte und mit Musikprogrammen wie Activision’s Music Studio und Aegis Sonix experimentierte. Während Chris in den Sommerferien 89 bei seiner Mutter in England war, schrieb er den Ohrwurm, welcher das Theme des Spiels werden sollte. Filmische Atmosphäre mit der 4-Stimmen Polyphony des Amigas zu erzeugen, stellte Chris, laut eigener Aussage, vor große Herausforderungen, die er jedoch hervorragend meisterte. Das Chris von dem Projekt an, nicht in die kommerzielle Musikproduktion wechselte, ist Ocean Software zu verdanken. Denn wie der britische Publisher Shadow Development zusetzte, desillusionierte den Jungen.
Damit ist abseits der Kürzungen vor allem der Lost Patrol Release im Dezember 1989 gemeint. Denn obwohl das Spiel eine 82% Durchschnittswertung erhielt, somit von den Magazinen geliebt wurde und 1990 in der britischen Verkaufs-Top-10 landete, erfuhren Ian und Simon nie, wie gut sich Lost Patrol wirklich verkaufte. Die genauen Zahlen kannte nur Ocean und die berichteten ihnen von 13.000 Verkäufen. Aber selbst dafür blieb die versprochene Gewinnbeteiligung aus. Ein Problem, das damals einige Entwickler mit dem britischen Publisher hatten und weshalb sich zum Beispiel auch Sensible Software von Ocean Software trennte. Entgegen Jon Hare gingen Simon und Ian sogar gerichtlich gegen ihren Publisher vor, verloren jedoch gegen deren gutbezahlte Anwälte. Auf diese Weise kostete Lost Patrol die beiden mehr, als es ihnen einbrachte. Ian hielt an dem Punkt, als seinen letzten Willen fest, eines Tages seine Asche über Gary Braceys Haupt zu verstreuen.