Bitmap Brothers – Die britischen Rock Stars der Arcade-Games

by Pandur

1989 lief im britischen Fernsehen die Show Treasure Hunt von Anneka Rice, in welcher zwei Kandidaten unter Verwendung einer Bibliothek, Karten und Hinweisen Rätsel lösen mussten. Zwei Jahre zuvor hatte FTL Dungeon Master herausgebracht. Ein Dungeon-Crawler RPG was damals Maßstäbe setzte. Da Mirrorsoft der europäische Publisher von Dungeon Master war, erhielten die Bitmaps automatisch Exemplare des Spiels zur Ansicht. Was dazu führte, dass im Büro für zwei Wochen niemand arbeitete. Als sie fertig waren, wollten sie auch ein Spiel dieser Art entwickeln. Aber mit Adventure Charakter wie die Treasure Hunt Show und einer isometrischen Perspektive wie Knight Lore. Ihr größtes Problem war nur, keiner von ihnen hatte je etwas 3D mäßiges programmiert. Ihr Ziel war kein echtes 3D Spiel, weil das mit der Atari ST und Amiga Hardware undenkbar war. Aber eine räumliche Perspektive, in welcher der Spieler vor und hinter Objekten entlang gehen konnte und Feinde ebenso agierten. Es war zunächst ein Versuchsprojekt, was sich langsam zu einem Karteneditor entwickelte. Nach starken sechs Monaten Arbeitszeit war ihre Adventure Creation Language geboren, mit der Steve 500 Räume für das Cadaver getaufte Projekt erschaffen wollte. 100 Räume pro Etage und fünf Etagen im Ganzen. Mit dem ACL konnte ein Designer aus 90 verschiedenen Elementen wählen, um einen Raum zu gestalten. Die erneut überwiegend von Daniel Malone stammten. Ebenso wie die zwergische Spielerfigur, Karadoc. Das Burg-Erkundungs-Abenteuer bekam unzählige Rollenspielelemnte. Jeder Raum konnte bis zu vier Kreaturen beherbergen, die jeweils über Attribute wie Stärke, Kraft und Intelligenz besaßen und bestimmte Bahnen sowie Verhalten gegenüber dem Spieler hatten. Sogar jedes Objekt erhielt Eigenschaften und Werte. Aber letzteres überstand das ersten Playtesting nicht.
Es dauerte mehr als zwei Jahre, bis Cadaver von der ersten Idee und der Erfindung des Editors, im August 1990 in die Läden kam. Doch es stieg direkt auf Platz eins der britischen Software-Charts ein. Auch wenn die Tester zu Beginn etwas verwirrt über das neue Genre der Bitmaps waren. Denn niemand hatte ein Action-Adventure mit Rätseln von dem Shoot’em’up und Sportspielmachern erwartet. Im ersten Atemzug lobten die Tester das neue 3D Design und Puzzlelösen, aber ihnen fehlte die Action in Cadaver und so wurde es das erste Bitmap Brothers Spiel mit Bewertungen durchweg unter 90%. Cadaver verkaufte in Großbritannien nicht annähernd so viele Exemplare wie es die Xenon und Speedball Titel geschafft hatten, dafür kam es jedoch in Deutschland gut weg. Amiga Joker kürte es mit 91% zum Hit.

Cadaver war Steve Kellys Baby gewesen und er hatte vermutlich mehr Zeit mit der Programmierung des Editors und der Skriptsprache verbracht als mit dem Spiel selbst. Das ging letztlich auf Kosten von 150 der 500 geplanten Räume. Obendrein war Steve der Meinung, die lange Entwicklungszeit müsste sich stärker auszahlen. Die Überlegung führte zu Cadaver: The Payoff. Die Bitmap Brothers dachten zunächst über eine neue Sci-Fi Variation nach, oder eine Jack the Ripper Variante in einem viktorianischen London. Doch letztlich wurde es kein Cadaver 2, sondern nur ein Erweiterungsset für Cadaver. Der triumphale Held Karadoc kehrte von einem Abenteuer in die Stadt zurück, von wo seine Auftraggeber verschwunden waren und alle anderen tot. So brach Karadoc erneut auf und landete in einen Tempel mit vier neuen Etagen. The Payoff bekam nicht nur ein Facelifting, sondern auch deutlich verbesserte KI und einen Sidekick namens „The Snot“. Die Bitmap Brothers hätten es als Cadaver 2 verkaufen können, doch machten es nur zu einem Expansion Pack das sechs Monate nach dem Original erschien. Der allgemeine Tenor der damaligen Zeit war leider Erweiterungssets schlechter als die Originale zu bewerten und so erhielt Cadaver: The Payoff zwar Lob für bessere Puzzles und ein allgemein verbessertes Spiel, aber dennoch deutlich niedrigere Wertungen. Die Bitmap Brothers würden nie wieder ein Erweiterungsset herausbringen, das stand fest.

Es ist hinreichend bekannt, dass Entwickler Publisher hassen. Eine wahrlich faszinierende Angelegenheit bei Videospielen. Denn es geht keiner in ein Plattengeschäft und fragt nach einem Capitol Records Album, sondern einem Beatles Album. Dennoch sind es immer Bethesda, Electronic Arts, oder Ubisoft Spiele, die den Ruhm einheimsen. Das galt bei den Bitmap Brothers ebenso für ihre Auszeichnungen. Die Bitmap Brothers Spiele hatten offiziell schon drei gewonnen, aber statt dem Trio, wurde Image Works Chef Peter Bioletta dafür ausgezeichnet. Das noch größere Problem sind die Gewinne. Der Entwickler versucht ein Projekt zu realisieren, unterbreitet dem Publisher eine Schätzung der Kosten, der Publisher streckt dem Team diesen Betrag für die Entwicklung vor. Wenn sich das anschließend gut verkauft, bekommt der Entwickler pro Exemplar ein paar Cent oder sogar ein Pfund extra als Gewinnbeteiligung. Zumindest war es damals so. Im Laufe der Zeit veränderten sich die Margen und Produktionskosten. Aber wie dem auch sei, sahen die Bitmap Brothers nicht ein, wieso ihr Publisher das meiste Geld einstreichen sollte. So entschieden sie sich, nach der Ablieferung ihres fünften Spiels, Cadaver the Payoff, die Partnerschaft mit Image Works nicht zu verlängern.

Stattdessen gründeten die Bitmap Brothers ein eigenes Publisher Label. Durch ihre vorangegangene Beziehung mit Rythm King für den Bomb the Bass Soundtrack, kamen sie mit Label-Chef Martin Heath ins Gespräch. Der rief wiederum Dan Thompson von der 365 Media Group an und überredete ihn eine Videospielevertriebsfirma als Tochter des Musiklabels zu gründen. Als Musikproduzent hatte Dan Thompson keinerlei Ahnung von Videospielen, aber da kamen Martin Heath und Tom Watson ins Spiel. Letzterer war ebenfalls ein Image Works Mitarbeiter, den die Bitmap Brothers abgeworben hatten. So begab es sich, dass Martin Heath, Dan Thompson und Tom Watson zusammen mit den drei Bitmap Brothers Eric Matthews, Steve Kelly, Mike Mongomery Renegade Software gründeten. Ein britisches Publisher Label, das den Entwicklerstudios mehr künstlerische Freiheit geben sollte und die Gewinnmarge zwischen Entwickler und Publisher 50/50 teilte.
Für den Anfang vertrieb Renegade Software zunächst nur Bitmap Brothers Spiele. Aber später würde Sensible Software sowie Graftgold hinzukommen und Renegade stand sogar einige Zeit in Verhandlungen mit Peter Molyneux. Doch der verkaufte Bullfrog lieber für 40 Millionen Pfund an Electronic Arts, statt unabhängig zu bleiben.

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