Looking Glass Technologies – Die Schöpfer der 3D Rollenspiele

by Pandur

Mit dem Ziel eine bessere Simulation der Welt zu erzeugen und eine deutlich komplexeren Handlung zu schreiben, ging das Looking Glass Team direkt nach dem Release des ersten Spiels an die Entwicklung von Ultima Underworld II: Labyrinth of Worlds. Sie bohrten die Grafik mit größeren Texturen auf, verlängerten den Plot und implementierten mehr 3D Puzzles, über neue Druckplatten und bewegliche Böden. Underworld 2 bekam neben dem typischen Burgkeller, acht neue Welten zu erkunden, das Dungeon-Darstellungsfenster wurde um 30% vergrößert, es gab haufenweise neue 3D Objekte wie Betten, Tische, Regale usw. Dafür beschäftigte Looking Glass nun vier neue Designer, wohingegen bei Teil eins die Programmierer das Weltendesign und Schreiben der Konversationen übernahmen. So entstanden Spielabschnitte, die an Dungeons & Dragons Abenteuer wie den Tomb of Horrors erinnerten. Das Team wuchs somit auf 18 Mann an und produzierte ein drei bis vier mal größeres Ultima Underworld.

Die Handlung von Underworld 2 setzte ein Jahr nach der Zerstörung des Black Gates in Ultima 7 ein und knüpfte somit an die eigentliche Spielreihe an, statt an Underworld 1. Bei einer Siegesfeier im Schloss von Lord British wurden die wiederkehrenden Helden der Ultima Reihe dort in undurchdringlichen Schwarzfels eingehüllt, was dem Guardian die Chance gibt Britannia anzugreifen. Als der Avatar erkundete der Spieler den Fuß der Schwarzfelshülle und entdeckte dabei Portale in andere Dimensionen. Er musste alle acht Welten von der Herrschaft des Guardians befreien und deckte dabei einen weiteren Plan auf, der sich später im Schloss entfaltete.

Ultima Underworld II wurde innerhalb von 9 Monaten fertiggestellt. Es war ursprünglich für Februar 1993 geplant, aber als sich Weihnachten näherte, versuchte das Looking Glass Team fieberhaft es fertig zu bekommen. Am 18 Dezember war es letztlich so weit. Dank abschließender Playtests und Vervielfältigung begann die Auslieferung dennoch erst im Januar 1993. Wie sein Vorgänger erhielt Ultima Underworld 2 Wertungen von 90% und darüber. Doch das verpasste Weihnachtsgeschäft hatte sie einiges gekostet. Beide Ultima Unterworld Spiele zusammen verkauften innerhalb eines Jahres gerade mal 500.000 Exemplare.

Während Looking Glass Technologies den Weg für die Geschichtsgeführten 3D-Spiele ebnete, gab es ein texanisches Entwicklerstudio, das sich ebenfalls auf First-Person-Spiele konzentrierte: id Software. Nur zwei Monate nach dem Ultima Underworld Release brachte id Wolfenstein 3D heraus. Wie Underworld teilte es die First-Person-Elemente, die zu dem Zeitpunkt gänzlich neu für Videospiele waren. Es war der zündende Funke der First-Person-Shooter, die zur Erschaffung der Doom und Quake Reihe führte.

Manche bezeichneten es als Wettrüsten, andere als freundschaftlichen Wettkampf. Aber für viele bei Looking Glass wurden die Konkurrenzprodukte zu einem Ansporn immer weiter an die Grenzen zu gehen. Id’s Run-and-Gun-Konzept hatte definitiv Einfluss auf Looking Glass nächsten Meilenstein: System Shock. Es ließ vom Rollenspiel ab und wurde deutlich kampflastiger als Underworld, doch weiterhin mit Spieltiefe und einer Art Simulationsaspekt. Da Looking Glass den Fokus auf Geschichtenerzählung legte, wurden Schreiber ein wichtiger Faktor des Design-Prozesses. Gerade als Ultima Underworld ausgeliefert wurde, trat Austin Grossman dem Team bei. Er spielte bereits eine tragende Rolle in Ultima Underworld 2 und sollte die Messlatte der First-Person-Geschichtserzählung mit System Shock drastisch anheben.

Nach zwei Underworld Spielen hatte das Looking Glass Team einfach genug von Fantasy-Dungeons und wollte eine richtige lebensechte 3D Welt erschaffen, mit welcher der Spieler interagieren konnte. Das war System Shock. Es verwendete eine von Grund auf neu programmierte Engine, die es dem Spieler ermöglichte mit der Maus vollkommen frei in sämtliche Richtungen zu gucken. Komplett nach unten oben und zu den Seiten, worin Underworld zuvor leicht eingeschränkt war. Zudem natürlich springen, kriechen und Wände hochklettern zu können, wovon das parallel bei id Software entstandene Doom 2 noch weit entfernt war. Programmierer Seamus Blackley entwickelte eine fortgeschrittene Physik-Engine, die Objekten Masse und Beschleunigung verlieh, wodurch sie tatsächlich gegriffen und geworfen werden konnten. Sean implementierte obendrein als erster das heute FPS-typische zur Seite lehnen Prinzip, das den Spieler um eine Ecke schauen ließ. Um Dialogbäume komplett aus System Shock streichen zu können, unterband das Team die Möglichkeit des Spielers jemals einen lebenden NSC treffen zu können. Der Plot des Spiels wurde stattdessen hauptsächlich durch E-Mails und Logs der verstorbenen NSCs erzählt. Die Entfernung sämtlicher Unterhaltungen verlieh dem Spiel mehr Atmosphäre und gab dem Spieler das Gefühl dort zu sein und es wirklich zu erleben.
Durchs Auslösen bestimmter Ereignisse wie das Zerstören von Sicherheitskameras, machte Looking Glass die Shodan KI allgegenwärtig. Sie erweckte den Anschein eines Gegenspielers, welcher auf die Spielweise reagierte und verband ihn so mit der System Shock Geschichte.

Obwohl Paul Neurath am System Shock Design beteiligt war, waren Doug Church und Austin Grossman das Herzstück des Teams. Von ihnen stammten beinahe die gesamten Designdokumente, auf denen das restliche Team aufbaute. Sie beschrieben mehr Situationen, durch welche die Entwickler verstehen sollten, was dem Spieler vermittelt werden musste, wie „Du hörst das Geräusch einer sich drehenden Sicherheitskamera und das piepen einer Zielerfassung, also duckst du dich hinter der Kiste, als du bemerkst wie sich eine Tür öffnet und jemand eine Granate zu dir rüber wirft.“

Das fertige System Shock versetzte den Spieler als Hacker ins Jahr 2072, wo er beim Versuch auf Dateien der Citadel Station zuzugreifen ertappt wurde. Er wurde daraufhin zur Raumstation gebracht, wo ihm ein TriOptimum Repräsentant offerierte alle Anklagen fallen zu lassen und ihn sogar mit einem Neuralimplantat auszustatten, wenn er sich in die Shodan KI hacken würde, welche die Citadel Station kontrollierte. Nachdem der Hacker die ethischen Grenzen von Shodan entfernt und sie dem TriOptimum Repräsentanten ausgehändigt hatte, wurde er für die Operation in ein Koma versetzt und erwachte sechs Monate später wieder in der von Shodan übernommenen Raumstation. Sämtliche an Bord befindlichen Roboter waren feindselig reprogrammiert und die Besatzungsmitglieder entweder tot, mutiert oder zu Cyborgs aufgerüstet worden. Doch Shodans Plan endete nicht mit der Citadel Station. Sie beabsichtigte den Minenlaser auf die Erde abzufeuern und damit die Hauptstädte des Planeten auszuradieren. Der Spieler musste von da an zahlreiche Vernichtungsversuche Shodans stoppen, in dem er die Schilde der Station reaktivierte und der Laser somit darauf feuerte, die Virenkultivierung stoppte, mit welcher die gesamte Menschheit verseucht werden sollte und Shodans Transfer in das Computernetz der Erde verhinderte.

Da Origin zwischenzeitlich von Electronic Arts aufgekauft wurde, viel Warren Spector die leidvolle Aufgabe zu, EA zu überzeugen System Shock zu vertreiben. Es gelang ihm zwar, aber führte gleichzeitig dazu, dass System Shock neben Origins anderen, zur gleichen Zeit veröffentlichten Titeln, Wings of Glory und Ultima 8 unter ging. Warren bestimmte ebenso das Spiel zunächst auf Diskette und erst drei Monate später als Enhanced Edition auf CD-ROM heraus zu bringen. Eine Fehlentscheidung, wie er später einräumte. Obwohl System Shock seiner Zeit weit voraus war, verkaufte es lediglich 170.000 Exemplare. Denn sämtliche Käufer stürzten sich auf Doom 2, was sich eine Woche versetzt 1,5 Millionen mal verkaufte. Die Spielezeitschriften lobten System Shock in den höchsten Tönen und es ist bis heute in beinahe jeder Liste der besten Videospiele aller Zeiten zu finden, doch damals kostete es Looking Glass mehr als es einbrachte.

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