Irrational Games / 2K Boston Historie – Ken Levines interaktive Geschichtsstunden

by Pandur
Elisabeth und Booker fallen aus der fliegenden Stadt Columbia in die Wolken

Das Trio begann Spielkonzepte auszuarbeiten und an verschiedene Publisher zu schicken. Nach einigen misslungenen Entwicklungsverträgen mit verschiedenen Firmen, begannen die Drei erneut ein Action-Rollenspiel in einem Sci-Fi Universum á la System Shock, mit dem Arbeitstitel Junction Point, zu entwickeln. Wofür sie ironischerweise die Unterstützung ihres ehemaligen Arbeitgebers fanden. Paul Neurath erlaubte dem Trio sowohl Looking Glass Studios Büroräume als auch Engine-Technologie zu nutzen. Innerhalb eines halben Jahres entwickelten Ken, Jon und Rob einen Prototypen auf Basis der Thief Technologie. Entgegen der Looking Glass Herangehensweise, stets möglichst realistische Simulationen produzieren wollten und dafür neue Technologien zu erfinden, designte Irrational Games ihre Spiele an Hand der vorhandenen Technologien. Ihr erster Junction-Point-Prototyp überzeugte Electronic Arts Anfang 1998 die Entwicklung zu finanzieren und ihnen sogar die System Shock Lizenz zu überlassen. Das Irrational Games Trio stellte für die Produktion einige Modder ein, die bereit waren für etwas weniger Geld als der ausgelernte Entwickler zu arbeiten. Sie fokussierten sich darauf Deadlines einzuhalten und Abstriche in Kauf zu nehmen, was zu kleineren Makeln, wie den miesen Portraits des Spiels oder dem schlechten Leveldesign, führte. Sie besaßen weder Zeit noch Resourcen für extensives Skripting von furchteinflößenden Monstern und cinematischen Sequenzen, wie Valve es in dem Jahr mit Half-Life demonstriert hatte. Stattdessen besannen sie sich auf bewährten Methoden, wie die Geschichtserzählung über Datenpads, die bereits Roberts System Shock geboten hatte. Obendrein verwendeten sie Kameras zusätzlich zu den typischen Wachen, um das Thief System in die Zukunft zu heben. Auf diese Weise und unterstützt von einigen Looking Glass Mitarbeitern, gelang es ihnen System Shock 2 innerhalb von 14 Monaten fristgerecht auszuliefern. Irrational Games Erstlingswerk definierte im August 1999, mit einer 92% Durchschnittswertung und unzähligen Game of the Year Awards, somit bereits einen Standard für das nun 15-köpfige Studio. Einen Monat später zog Irrational Games bei Looking Glass aus und in eine ehemalige Schule im Süden Bostons ein, wo sie die nächsten Jahre in vier Büros mit übergroßen Fenstern hausten. Ken schickte im Folgejahr einen zweiseitigen Vorschlag für einen System Shock 2 Nachfolger an Electronic Arts. Aber EA lehnte die Idee ab, weil System Shock 2 trotz grandioser Wertungen in ihren Augen ein finanzieller Fehlschlag gewesen war.

Die Zusammenarbeit zwischen Irrational und Looking Glass setzte sich für den nächsten Titel weiter fort. Als sich System Shock 2 langsam der Vollendung genähert hatte, schrieb Ken Levine einen 60er Jahre Agenten-Thriller, inspiriert von John le Carré’s Roman „Der Spion, der aus der Kälte kam“. Das Looking Glass Team begann bereits mit der Pre-Production und die Irrational Gruppe klinkte sich für wenige Monate ein. Deep Cover ging jedoch nie in Produktion, es reichte lediglich für einen Prototypen mit einem spielbaren Level. Denn Looking Glass finanzielle Lage verschlechterte sich, durch den ausbleibenden Erfolg von Flight Unlimited 3, weiter. Was dazu führte, dass sie Irrational nicht bezahlen konnten und diese im November 99 bereits wieder ausstiegen. Paul Neurath stellte das Projekt schlussendlich ihrerseits ein und übernahm die neuen, für Deep Cover geplanten Features, in Thief 2. Robert Fermier verabschiedete sich gleichzeitig von seiner mitgegründeten Firma und zog zurück in seine Heimat Texas, wo er sich den Ensemble Studios anschloss und als nächstes der leitende Programmierer von Age of Mythology wurde.

Kens Ausstieg aus dem Deep Cover Projekt war unter anderem darin begründet, dass der kalifornische Konsolenspielhersteller Crave Entertainment einen ihrer zuvor gepitchten Spielvorschläge realisieren wollte. Das Konzept von The Lost war eine Mischung aus Zelda und Silent Hill mit einer Priese Devil May Cry. Die Kellnerin Amanda reiste darin durch die neun Kreise der Hölle, um ihre Tochter zu finden und bekämpfte dabei Monsterhorden mit einer breiten Waffenauswahl und Spezialangriffen. Dank dem Austragungsort, war es selbstverständlich mit einer Reihe psychologischer Horrorelemente verbunden. Für das noch ziemlich unerfahrene Irrational Games Team, wurde The Lost ihr erstes Konsolenspiel, das sie obendrein ohne ihren bisher leitenden Programmierer Rob bewältigen mussten. Sie lizenzierten die damals durch No One Lives Forever bekannt gewordene LithTech-Engine. Doch im Laufe der Entwicklung wuchsen ihre Probleme im Umgang mit der Engine und ihr kleines Team war nicht in der Lage die technischen Ungereimtheiten auszubessern, wodurch das Endergebnis immer weiter vom eigentlichen Konzept abwich. Als das Bostoner Team die Playstation 2 Fassung im Sommer 2003 vollendet hatte, beschlossen sie diese nicht zu veröffentlichen, da sie nicht ihrem eigenen Qualitätsstandard entsprach.
Volle zwei Jahre später verkaufte Ken es an das indische FXLabs Studio. FXLabs war darauf bedacht den indischen Spielemarkt auszubauen, wollte zu diesem Zweck die finale Version von The Lost auf den PC konvertieren und lediglich national veröffentlichen. Ein weiteres Jahr später hatte sich der third-person shooter survival horror in Agni: Queen of Darkness verwandelt. Der Levelaufbau sowie die Waffenpalette waren gleich geblieben, aber selbst die ursprünglichen Designer empfanden das neue Bollywood Flair als äußerst surreal.

Bereits nach der Fertigstellung von System Shock 2 war Jonathan Chey in sein Heimatland Australien zurückgekehrt. Am 27. April 2000 eröffnete er dort Irrational Games Canberra. Das 20-köpfige Team war als Erweiterung für Boston gedacht. Während sich Ken’s Team in den USA um das Design und Story kümmerten, sollte sich Jon’s Team in Australien auf die technischen Aspekte und das Leveldesign konzentrieren. Fürs Erste entwickelten sie jedoch parallel zu The Lost im Alleingang Freedom Force. D.h. abgesehen vom Konzept, welches auf Ken Levines und Irrationals leitendem Künstler Rob Waters Vernarrtheit in Comic-Büchern zu verdanken war. Sie schlüpften gewissermaßen in die Rolle von Stan Lee und erschufen ihr eigenes Comic-Buch-Universum. Bei diesem zweiten Pitch, den wiederum Crave Entertainment mit 2 Millionen US Dollar finanzierte, handelte es sich um ein Team-basiertes-Strategiespiel mit Rollenspielelementen. Würde man den unglaublich starken 70er Jahre Comic Faktor, mit den knallbunten Farben und Sprechblasen außer Acht lassen, ließe es sich vielleicht mit Baldur’s Gate vergleichen, was beinahe zeitgleich mit System Shock 2 erschienen war. Denn Freedom Force war ursprünglich als Rundenbasierendes Rollenspiel mit Pausefunktion geplant gewesen. Evolvierte während der Entwicklungszeit jedoch zu einem Echtzeitstrategiespiel, aber weiterhin mit Pausemodus. Ken Levines und Rob Waters Kreationen waren nicht völlig frei erfunden. Man konnte klar erkennen, dass Minute Man eigentlich Captain America war, der in seiner Powerrüstung gefangene Man-Bot Iron Man war und Bullet auf dem Flash basierte. Aber es war das Zusammenspiel mehrere vordefinierter Helden wie Man-O-War, Alche-Miss oder gänzlich vom Spieler erstellte Figuren aus Gumm oder Stahl, die Freedom Force außergewöhnlich machten. Gerade der Faktor hatte es für Irrational Games dennoch schwer gemacht, das Projekt Publishern schmackhaft zu machen. Die meisten hatten es abgelehnt, weil sich schon Spiele zu bekannten Comic-Figuren, wie Spiderman oder Hulk nicht verkaufen ließen und derartige Spiele als verflucht galten. Obendrein bereitete die Heldenmixtur Irrationals Qualitätssicherung reichlich Kopfzerbrechen. Das Helden-Baukastensystem war kaum zu balancen. Sobald ein Spieler in der Release Version den superschnellen Bullet spielte, war er beinahe unschlagbar. Zudem bestand Freedom Force prinzipiell nur aus einer Reihe Skirmisch Missions, die mit einem dünnen Plot aneinander gereiht waren. Ken hatte außerdem bis zur letzten Minute Bedenken, Freedom Force könnte nicht düster genug sein, aber wie sich zeigte waren diese unbegründet. Es verkaufte sich 400.000 Mal, erhielt ein 90 Punkte Metacritic Rating, mehrere Game of the Year Awards und Image Comics erschuf auf Basis von Kens Heldenfiguren eine Freedom Force Comic-Buch-Reihe.

You may also like

Cookies sind für die korrekte Funktionsweise einer Website wichtig. Wir verwenden diese zur Personalisierung von Inhalten und Anzeigen, zur Einbindung von sozialen Medien sowie für Zugriffsanalysen auf unsere Website. Mit der Nutzung unserer Dienste erklärt ihr euch damit einverstanden, dass wir Cookies verwenden. Klickt auf "Ich stimme zu" um dies zu akzeptieren oder lest "Datenschutzeinstellungen" zu den von uns verwendeten Arten von Cookies. Ich stimme zu Datenschutzeinstellungen