Während Marcus dieses, 150 Jahre in der Zukunft angesiedelte, Universum schrieb, dachte er ebenso über das Bungie Spiel nach, zu dem er die stärkste emotionale Bindung spürte: Myth – The Fallen Lords. Er spielte es auch nach Bungies Seattle-Umzug weiterhin mit Freunden aus Chicago und Cleveland. Es war das Echtzeit-Taktik-Element und wie es sich auf dem Schlachtfeld entwickelte, was Marcus daran fesselte. Deshalb landete er letztlich bei dem Ansatz, einen spirituellen Nachfolger zu Myth als V1’s Erstlingswerk zu produzieren. Ähnlich der Legion Myth’s, sollte der Spieler eine Gruppe Outlaws anführen, die zu ihrer menschlichen Form zurückkehren wollten und deshalb einen Aufstand anzetteln. Diese Outlaws bestanden nicht aus Söldnern, sondern Journalisten, Lehrern, Mechanikern und ähnlichem. Normale Leute, die unter außergewöhnlichen Umständen zusammen fanden und ihr Überlebenswille zusammenschweißte. Für die eigentliche Handlung orientierte Marcus sich an der Space Opera Rogue One – A Star Wars Story und Joss Whedon Space Western Firefly. Wobei er als Vorlage für die grundlegende Spielstruktur Mass Effect verwendete. Der Spieler sollte zwischen den Missionen durch seine Basis laufen und sich mit anderen Crew-Mitgliedern unterhalten können. Denn Marcus wollte eine Heimat bauen. In welcher der Spieler durchatmen, sich zurücklehnen und mit Kollegen unterhalten konnte.
Allein mit diesem Konzept und einer Power Point Präsentation, malte sich Marcus wenig Chancen aus, bei Publishern wie Microsoft oder Sony anzuklopfen und tatsächlich mit einem Vertrag in der Tasche zurück zu kommen. Weshalb er begann einen Prototypen in der Unity Engine zu konstruieren, welcher seine Spielmechaniken verdeutlichte. Für diesen Prototypen heuerte Marcus Joe Arroyo an. Einen Studenten des DigiPen Institute of Technology, der in seinem Senior-Year bereits Auszeichnungen mit seinem College Game-Team abräumte. Joe brachte wiederum seinen Zimmerkollegen Nikk Golesh an Bord. Einen begeisterten EVE Online Spieler und Green Bay Packers Fan. Zu dritt arbeiteten sie anderthalb Jahre an ihrem Disintegration Prototypen. Das Resultat war ein reines Echtzeit-Strategiespiel, bei dem der Spieler wie üblich Gottgleich Einheiten aus der Luft managte. Aber an dem Punkt realisierte das Trio, dass sie etwas ändern müssten, damit sich ihr Disintegration von anderen Spielen abheben würde. Sie mussten es in etwas neues transformieren. Dann, eines Nachts um drei, fiel es Marcus wie Schuppen von den Augen. Die Kamera im Himmel müsste zum Teilnehmer des Geschehens werden! Es würde nicht leicht werden, aber sie wollten versuchen, dem Spieler eine Art Fahrzeug zu verleihen. Er sollte sich hinters Steuer klemmen können und mit offensiven sowie defensiven Waffen arbeiten. Sie müssten sich neue Mechaniken ausdenken, um Einheiten auf dem Boden flüssig kommandieren zu können. Aber Marcus war überzeugt, dieser Einfall würde Disintegration den nötigen Kick geben.
Besagtes Gefährt gedieh zum Gravcycle. Einer Art Hover-Bike. Denn Marcus liebte Motorräder und wollte, dass sich der Spieler wie ein Motorradfahrer fühlte. Mit den Händen am Lenker konnte er selbst Kanonen abfeuern und so aktiv ins Kampfgetümmel eingreifen. Es bedeutete ebenso, dass feindliche Bodeneinheiten den Spieler als Ziel betrachteten und versuchten ihn vom Himmel zu holen. Disintegration gedieh dadurch zu einem First-Person-Shooter mit taktischen Elementen. Einer Mixtur zweier Genres. Quasi ein Aerial Tactical Shooter. Das zeit-intensivste Resultat dieser Änderung wurde die Kontrolle der Bodeneinheiten. Denn deren Steuerungsmechanik musste auf einen First-Person-Shooter zugeschnitten werden. Einzelne Einheiten auswählen und managen durfte keine Option sein. Nach schier endlosen Wochen der KI-Programmierung, landete das V1 Interactive Team beim Command Pulse. Einem auf den Boden gerichteten Schuss, der Einheiten dorthin laufen und automatisch Aktionen ausführen ließ. Zusätzlich verliehen sie den zu kommandierenden Bodeneinheiten je eine Spezialfähigkeit, die der Spieler übers D-Pad auswählen konnte. Gewissermaßen wie das Waffenwechseln bei einem gewöhnlichen First-Person-Shooter. Die geplanten Armeen ihres Echtzeit-Strategiespiels schrumpften somit auf zwei bis vier Einheiten pro Mission zusammen.
Als langjähriger Halo Veteran hatte Marcus auch Disintegration von Anfang an mit einem Controller als Steuerungsgerät im Hinterkopf entworfen. Das machte es für sie sehr einfach die analogen Kontrollen auf die Flugmechanik des Gravcycles umzustellen. Die Umstellung bedeutete aber ebenso doppelte Arbeit. Denn jedes Areal des Spiels würde fortan zwei simultane Level beheimaten müssen. Einen für die Bodeneinheiten und einen zweiten fürs Gravcycle, das ein bis sechzehn Meter über dem Boden schwebte. Seine Umgebung musste flüssiges Gleiten ermöglichen und dennoch unzerstörbare Deckung bieten. Währen die Deckung der Bodeneinheiten primär zerplatzen musste, um Feinde ausschalten zu können und die Taktik-Elemente anspruchsvoll zu halten.
Als ihr Prototyp zumindest einen Ansatz dieses Konzepts verdeutlichte, pitchten Joe und Marcus ihr Disintegration sämtlichen namenhaften Publishern. Aber keiner wollte anbeißen. Denn in der Vergangenheit hatten sich schon andere Studios an RTS/Shooter Hybriden versucht und viele waren gescheitert. Marcus entmutigte das aber keineswegs. Er glaubte, etwas neues einzigartiges gefunden zu haben, was viele Spieler begeistern würde!
Rein zufällig traf er zu der Zeit seinen alten Freund Allen Murray zum Essen. Zu Bungies Anfängen produzierte Allen das erste Halo und schrieb später das Konzept für Destiny. Mittlerweile war er zum Produktionsleiter der Private Division aufgestiegen. Auch wenn Take Two Interactives Publishing Label, für Indie Games wie Kerbal Space Program oder Ancestors: The Humankind Odyssey, zu dem Zeitpunkt noch keinen Namen hatte, enthüllte Allen Marcus ihr Ziel. Sie strebten an mittelgroße AAA Games zu produzieren. Also höchstmögliche Qualität bei einem mittelmäßigen Budget erreichen. Dieser Ansatz deckte sich ideal mit der Teamgröße, die Marcus anstrebte. Die einzige Hürde war, dass er zunächst beweisen musste, auch ein Team dafür aufbauen zu können. So kontaktierte Marcus alte Bungie Kollegen aus Halo und Destiny Zeiten, sowie weitere Videospiel-Veteranen der Washingtoner Umgebung. Shadow of Mordor Designer Keith Leiker kam ebenso hinzu wie SOCOM Multiplayer Designer CJ Heine. Aber eine der wichtigsten Personen für Marcus und die Disintegration Story wurde sein alter Freund Lee Wilson. Lee konzipierte bereits die Zwischensequenzen von Halo 2, Halo 3, Halo: Reach und Destiny. Zusammen mit vier weitere Kollegen richtete Lee eine Motion-Capture Stage unten im V1 Gebäude ein und entwarf dort 45 Minuten cinematische Sequenzen für die Single-Player Kampagne Disintegrations. Diese entstanden, wie das gesamte fertige Spiel, in der Unreal Engine. Was sich für viele Kollegen anfühlte wie eine neue Sprache zu erlernen. Sie mussten eigene Shader schreiben usw. Aber Unreal bot die beste Performance für ihre Zielplattformen Playstation 4, Xbox One und PC.