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Lost Patrol – Ocean Software’s Vietnam Survival-Game

by Pandur
Es läuft nicht alles rosig in der Videospiele-Industrie. Viele Träume des großen Durchbruchs zerplatzen. Manchmal sogar schon beim ersten Versuch. Den einen haut ein Publisher übers Ohr. Den nächsten zerreißen die Kritiken der Magazine. Oder das Erstlingswerk verkauft sich schlichtweg nicht wie erhofft. Videospiel-Entwicklung und Vermarktung hat viele Tücken. Dies sind ihre Geschichten. Erzählungen von einzelnen, Personen oder winzigen Studios deren Debütprojekte bereits floppten oder aus anderen Gründen zum Ausstieg der Entwickler führten. Kommt in dieser Geschichte mit auf eine Reise nach Bristol und erlebt die Entstehung von Lost Patrol.

Mit 4096 Farben und digitalem Stereo Sound war Commodores Amiga die Multimediamaschine der 80er. Etwas was das amerikanische Cinemaware früh erkannte und mit Spielen wie Defender of the Crown, S.D.I. oder Rocketeer ausnutzte. Für die beiden Engländer Ian Harling und Simon Cooke waren es jedoch Blender-Produkte. Die Cinemaware Titel besaßen aus ihrer Sicht exzellente Grafik, boten inhaltlich jedoch nur Arcade-artige Minispielchen ohne Tiefgang. Besonders Ian verstand nicht, wie eine Firma mit 40 Mitarbeitern, sich lediglich drei oder vier Mini-Games für einen Titel einfallen lassen konnte. Zur Verteidigung aller Beteiligten, sollte an dieser Stelle festgehalten werden, dass Cinemaware in den Anfängen lediglich aus dem 33-jährigen Robert Jacob bestand, der seine Spielkonzepte von unterschiedlichen Firmen realisieren ließ. Wodurch die Credits der Spiele tatsächlich den Eindruck vermittelten, den Ian und Simon hatten. Aber das konnten sie in der Pre-Internet-Ära kaum in Erfahrung bringen und sei ihnen somit verziehen. Viel wichtiger für diese Geschichte ist aber, dass genau das der Ball des Anstoßes für „Lost Patrol“ war, oder „The Long March“, wie es ursprünglich heißen sollte.

Im Herbst 1988, als alles anfing, zeichnete Ian Harling bereits drei Jahre lang Grafiken auf dem Amiga. Für Arcana Software in seinem Heimatort Bristol bebilderte er Spiele wie Mars Cops, No Excuses oder Powerplay: The Game of the Gods. Bei einem dieser Projekte lernte er Programmierer Simon Cooke kennen. Einen gerade mal 20-jährigen Programmierer, der bei Arcana lediglich Konvertierungen bestehender Spiele schreiben durfte. Obwohl die beiden 17 Jahre und 100 Meilen trennten, verstanden sie sich sofort und beschlossen sich als Shadow Development selbstständig zu machen. Denn sie wollten ihre eigenen Ideen umsetzen und in Kontrolle der Projekte bleiben.

Zur damaligen Zeit bedeutete eine derartige Selbstständigkeit jedoch nicht sofort ein eigenes Büro, sondern eher aus dem heimischen Wohnzimmer heraus zu arbeiten. Auch wenn es dem Duo am Internet mangelte, gelang es ihnen, vieles schlicht per Telefon zu organisieren. Mit dem etablierten Ziel des Cinemaware Stils und ihrem persönlichen Hintergrund, planten die beiden zunächst eine historische Nachstellung des englischen Bürgerkriegs von 1642. Als Ian dann jedoch die unglaubliche Materialflut des Vietnamkriegs sah, änderte sich diese Entscheidung. Während Simon noch Xenodrome für Thalamus programmierte, fuhr Ian täglich zur Bibliothek, verschlang ein Vietnamkrieg-Buch nach dem anderen, schaute Hollywood Streifen wie Apocalypse Now oder Platoon und natürlich auch echte Dokumentarfilme der Ereignisse. Je mehr er dabei, über das Verhalten der Amerikaner, lernte, desto mehr wünschte er sich, es nicht gelesen zu haben. Dinge wie amerikanische Soldaten, die einen gefangenen Vietnamesen an einen Baum fesselten, ihn folterten, indem sie ihm mit dem Messer ein Auge raus schnitten und ihn dann nach langer Qual abstachen. Die normale amerikanische Bevölkerung schien das zu verdrängen. In Ians Augen wirkte es wie eine Art Anti-Marketing. Es warf außerdem die Frage auf, ob der Vietnamkrieg tatsächlich das richtige Thema sei? Aber Ian beschloss, aus genau diesem moralischem Dilemma einen Plot zu spinnen.

Er siedelte das Spiel im Juni 1965 an. Einer Zeit, in welcher die amerikanischen Truppen nicht im Entferntesten für einen Einsatz in Sümpfen oder Dschungel gerüstet waren. Sie verfügten weder über passendes Training noch überhaupt ein Dschungel-Überlebenshandbuch. Das folgte erst gut ein Jahr später. Weshalb sich das Spiel eben um das Überleben im Dschungel, Unterscheidung von Freund oder Feind, feindlichen Überfällen und dem daraus resultierenden emotionalen Druck drehen sollte. Die Ausgangslage für Lost Patrol wurde somit, der Absturz eines U.S. Helikopters im abgelegenen Hochland Vietnams. Sieben Soldaten traten aus dem Wrack hervor. Knapp dem Tod entkommen, mussten sie sich ohne Funkgerät und nur mit wenig Munition durch 58 Meilen Wildnis mit Sprengfallen und feindlichen Soldaten kämpfen. Auf dass sie, Tage oder Wochen später, die gesicherte Du Hoc Basis erreichten.

Diesen Pitch schickte Ian, zusammen mit fünf von ihm gezeichneten Deluxe-Paint-Bildern, an sieben Publisher, einschließlich Cinemaware. Doch alles was zurück kam waren Absagen. Es warf Ian moralisch dermaßen zurück, dass er überlegte in die Spielhallen zu gehen und etwas neues mit Raumschiffen und kleinen Männchen zu machen, wie es beinahe jeder zu der Zeit tat. Glücklicherweise antwortete er parallel jedoch auf die Stellenanzeige einer Firma namens Blitz. Deren Chef erkannte Ian als äußerst fähigen Grafiker und unterbreitete wenige Wochen später Ocean Softwares Entwicklungsleiter Gary Bracey zwei Projekte. Seinen eigenen Flugsimulator und Ians Diskette mit dem Long March Pitch. Auf diese Weise erhielt Shadow Development im Januar 1989 tatsächlich ihren ersten Auftrag.

Ocean Software war damals so eine Art britisches Gegenstück zu Electronic Arts. Der 1982 von David Ward gegründete Publisher, machte bereits im ersten Jahr mit rund 200.000 verkauften Spielen mehr als 500.000 Pfund Umsatz. Indem sie junge formbare Programmierer einstellten und im Kellergeschoss ihres Gebäudes fernab von Sonnenlicht schuften ließen, wuchs Ocean bis 1987 auf über 60 Angestellte an, die mehr als drei Millionen Spiele verkauften und 10.000.000 Pfund Umsatz generierten. Im November 1988, als Ian Harling ihnen seinen ersten Vorschlag schickte, gelang Ocean Software der bis dahin größte Durchbruch. Ihr Robocop stieg mit über 1.000.000 Verkäufen zum bestverkauften Spiel der Firmengeschichte auf.

Mit ein Grund für Oceans kometenhaften Aufstieg, lag in der Finanzierung ihrer Projekte. Während sie kostspielige Lizenzen einkauften, um namenhafte Produkte mit hohem Wiedererkennungswert zu produzieren, sparten sie an den Entwicklern. Das galt nicht nur für die internen Berufseinsteiger, sondern ebenso für externe Vertragspartner. Mit der Aussicht auf eine Gewinnbeteiligung, im Falle des rentablen Spielverkaufs, baten sie Entwickler das Risiko mit zu tragen und auf ein hohes Startkapital zu verzichten. So kam es, dass Simon und Ian sich zwar freuten, endlich einen Vertrag zu haben, aber lediglich 15.000 Pfund für ihr Spiel bekamen. Was ungefähr die Hälfte von Gary Braceys Jahresgehalt war. Das wohlgemerkt für sie beide und wie sich später herausstellen sollte ein Jahr Entwicklungszeit.

Den beiden Shadow Developern schwebte ein tiefschürfendes, realistisches Spiel vor, das Aspekte der ersten Text-Adventures aufgriff. Es sollte ein Text-Fenster bieten, was die aktuellen Ereignisse beschrieb, Aktionen wie das Gelände abzusuchen bot und eine Interaktion mit der eigene Squad ermöglichte. So begann Ian damit, auf seinem Amiga 500 in Deluxe Paint II eine Gebietskarte sowie Icons zur Steuerung zu entwerfen. Mit Hilfe dieser programmierte Simon anschließend das Interface. In der ersten Iteration griffen sie dafür auf multiple Icons und eine Tastatur-Steuerung zurück. Aber mit ca. 20 Icons wurde das Konzept zu chaotisch und so wichen zahlreiche Icons einem Menübalken sowie Maus-Steuerung. An dem Punkt fing Simon an das Kern-Programm mit Devpac auf dem Amiga und Argasm auf dem ST zu schreiben. Also gewissermaßen die Game-Engine, welche den Kartenabschnitt und die kleinen Arcade Games zusammen halten würde. Zur gleichen Zeit arbeitete Ian weiter am Grafikmaterial. Mit Hilfe von Vidi-Amiga digitalisierte er original Filmaufnahmen Vietnams und zeichnete freihändig Grafiken. Wie viele Künstler verwendete er Details aus mehreren Foto-Vorlagen und formte daraus ein finales Bild. Er mochte es nicht, wenn andere Grafiker lediglich eine 16-Farben Palette benutzten, um dem Atari ST Standard gerecht zu werden. Stattdessen nutzte Ian die volle Farbenpracht von 32 für den Amiga und reduzierte sie später für Ataris ST. Jedes Bild des Spiels kostete ihn ungefähr drei Tage Arbeit, mit 12 – 14 Stunden pro Tag.

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