Westwood Studios – Ursprung und Sturz der Echtzeitstrategiespiele-Dynastie

by Pandur

Das Westwood Team ging währenddessen ein großes Risiko ein. Westwoods Programmierer Philip Gorrow hatte den Vorschlag gemacht, auf Basis ihrer bestehenden Eye of the Beholder Engine einen eigenen Rollenspielfranchise aufzubauen. Westwood stellte mit Bill Crum einen weiteren Designer ein und der plante mit Philip dann die Lands of Lore Reihe. Ihr globales Ziel war es Eye of the Beholder 2 in jeder Hinsicht zu übertreffen. Das bedeutete, Lands of Lore: The Throne of Chaos musste mehr Story-Dichte, einfachere Regeln und ein insgesamt unterhaltsames Spiel werden. Brett Sperry war besonders darauf bedacht gewesen Lands of Lore benutzerfreundlicher zu gestalten. Womit nicht nur das Interface gemeint war, welches nun im Standardlayout bereits Zugriff auf Ausrüstungsgegenstände gab, sondern viel mehr das Charaktersystem. Brett grauste es davor ein Statistiken umfassendes Charaktererschaffungssystem zu implementieren, was den Casual-Gamer nur abschreckte. Deshalb entschied er diesen Punkt gänzlich zu überspringen. Charakterwerte wurden auf Angriffskraft, Verteidigung sowie Magie beschränkt und der Spieler durfte lediglich eine Auswahl aus vier vorgefertigten Charakteren treffen. Genauso wurden die Wochenlangen Campingtouren auf den Fluren der Dungeons reduziert. Es erschien Brett nutzlos den Spieler so lange auf Camp rumhacken zu lassen, bis alle Charaktere D&D-Konform auf 100% geheilt waren. Es entstand eine wunderschöne Welt aus 30 unterschiedlichen Grafiksets, rangierend von Burgen zu Kerkern, Sümpfen, altertümlichen Ruinen, bis hin zum weißen Turm. In welcher der Spieler King Richard aus den Fängen der Gestaltenwandelnden Hexe Scotia retten musste. Da Virgin zur Zeit des Lands of Lore Releases die CD-ROM pushend wollte, wurde das Rollenspiel zu Westwoods erstem Spiel auf CD. Den neu gewonnen Speicherplatz nutzten sie für Sprachausgabe. In die Rolle von King Richard schlüpfte der damalige Star Trek Next Generation Kapitän, Patrick Steward. Der für 30.000 Dollar beeindruckend das umwerfende Intro vervollständigte. Die Lands of Lore Entwicklung nahm jedoch einen kleinen Rückschlag hin. Während Westwood noch an ihrem Spiel feilte, revolutionierte Looking Glass Technologies den Rollenspielmarkt mit dem ersten 3D Rollenspiel, Ultima Underworld. Für The Throne of Chaos war es zu spät die 2D Engine komplett auf 3D umzustellen. Stattdessen bauten sie einen kleinen Verwischen-Effekt ein, welcher zumindest vorgaukelte der schrittweise Fortschritt würde geschmeidig ablaufen. Trotz dieses Mankos schaffte es Lands of Lore: The Throne of Chaos zumindest auf eine 86% Durchschnittswertung und die Magazine beschrieben es, als alles was Eye of the Beholder hätte sein sollen.

Eine Anspielung auf Lands of Lore war im nächsten Legend of Kyrandia: The Hand of Fate zu finden. Als Easter Egg enthielt es einen Brief von Scotia, der andeutete, dass beide Spielreihen im gleichen Universum stattfanden. Hand of Fate spielte Jahre nach Brandon’s Abenteuer. Es versetzte den Spieler in die Rolle der wunderschönen Alchimisten Zanthia, die ebenfalls Kyrandia retten musste. Dieses Mal löste sich jedoch das Land selbst Schritt für Schritt auf und Zanthia sollte es wieder verankern. Westwood teilte das lineare Abenteuer in sieben Abschnitte auf, bei denen sich der Spieler keinerlei Gedanken machen musste, Gegenstände aus dem vorangegangenen Abschnitt zu vergessen, wie es bei anderen Adventures der Zeit möglich war. Bei jedem Übergang verlor der Spieler automatisch alle unwichtigen Gegenstände und behielt nur die relevanten. Damit Hand of Fate nicht zu simple wurde, bauten die Entwickler eine Vielzahl dieser Red Herrings ein und konstruierten sogar komplette nutzlose Orte, wie die Kannibalen-Insel Mustard Island. Legend of Kyrandia 2 war in Punkto Puzzle-Design ein eindeutiger Aufstieg. Die Trial-And-Error-Puzzles aus Brandons Zeit waren verschwunden und beinahe jedes neue Rätsel logisch aufgebaut. Legend of Kyrandia Book 2 wurde von vielen Spielern als der beste Teil der Reihe betrachtet. Die deutsche ASM gab ihm, wie einige andere Magazine, volle 100 Punkte.

Das Westwood Team war unaufhörlich bemüht das Point-And-Click-Adventure-Genre zu innovieren. Nach einem selten vorkommenden weiblichen Protagonisten im zweiten Buch, durfte der Spieler im dritten den ehemaligen Hofnarr und Bösewicht des ersten Spiels, Malcolm, verkörpern. Am Ende von Buch 1 als Statue zurückgelassen, befreite ein Blitz Malcolm aus seinem Gefängnis und er sinnte nach Rache an Brandon. Malcolm’s bösartige Ader wurde durch Gunther, sein schlechtes Gewissen, verstärkt, was immer stichelte, wenn der Spieler etwas Gutes tat. Obendrein konnte der Spieler, nach Zanthia’s Alchemistenkessel zum Tränke brauen, am Lügometer (Moodometer) wählen, wie sarkastisch sich Malcolm in Unterhaltungen verhalten sollte. Ein äußerst spaßiges Instrument, das eine zusätzliche Rätselebene ins Spiel integrierte. Die zu schlichten und offensichtlichen Rätsel waren der größte Kritikpunkt der Redakteure für Kyrandia 1 und 2 gewesen. Weshalb Westwood den Schwierigkeitsgrad von Legend of Kyrandia 3: Malcolm’s Revenge deutlich anhob. Was teilweise zu obskuren Rätseln führte, für die es nun jedoch multiple Lösungen gab. Genau wie die Lucasfilm Konkurrenz mit Sam & Max zu der Zeit, versteckte auch das Westwood Team ihr neues Interface und machte Platz für Bildschirmfüllende Landschaftsbilder. Trotz der lediglich 80 Schauplätze wurde Malcolm’s Revenge ein deutlich umfangreicheres und vor allem humorvolleres Adventure als seine Vorgänger. Besonders bei den deutschen Kritikern kam Kyrandia 3 mit durchschnittlich 90% Wertungen extrem gut an. Bedauerlicherweise wurde es dank Westwoods Echtzeitstrategiespielen das letzte klassische Adventure der Firmengeschichte.

Der Verkauf an Virgin Interactive Entertainment brachte den Westwood Studios neben ihren eigenen IPs eine Vielzahl neuer Aufträge ein. Da Virgin zu der Zeit der europäische Publisher von Capcom war, durfte das Westwood Team 1996 das erste Resident Evil Spiel für Windows PCs konvertieren. Außerdem hatte VIE für stolze 10.000.000 Dollar die Rechte an Disneys Aladdin, König der Löwen und Dschungelbuch erworben. Virgin selbst hatte die Entwicklung des Aladdin Plattformers übernommen und Westwood angeboten, mit ihrer bereits vorhandenen Engine Lion King fertigzustellen. Als Aladdin jedoch 4 Millionen Verkäufe erreichte und damit zum drittbesten verkauften Mega Drive Spiel aller Zeiten wurde, verließ Programmierer David Perry Virgin, um seine Firma, Shiny Entertainment, zu gründen. Wodurch Westwood gezwungen war, bis zum sechs Monate entfernten Kino-Release, eine neue Engine für Super Nintendo und Mega Drive zu schreiben. Da der Film selbst noch in Produktion war, bekam das 13-köpfige Team obendrein die Grafiken nur Häppchenweise von Disney übermittelt und musste die meiste Arbeit in lediglich zwei Monaten über die Bühne bringen. Aber die Überstunden zahlten sich aus. Die Super Nintendo Version verkaufte sich allein in den USA 1,2 Millionen mal und Sega bundelte die Mega Drive Version mit ihrer Konsole, wodurch Virgin erneut 4 Millionen Exemplare umsetzte. Das summierte sich 1994 zu einem Jahresumsatz von 150 Millionen US Dollar bei Virgin Interactive Entertainment. Als Richard Branson, der Eigentümer des Virgin Gesamtimperiums davon Wind bekam, verkaufte er die Videospielesparte für 250 Millionen an Blockbuster Video.

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