Rare Historie – Die Könige des Spielhallen-Dschungels

by Pandur
https://www.youtube.com/watch?v=gmytJ02HSvQ

Für Battletoads Arcade hatte Rare zum ersten Mal PowerAnimator benutzt. Eine Modelling- und Animationssoftware samt Effekt-Bibliothek, welche heute in erweiterter Form als Autodesk Maya bekannt ist. Diese Software lief auf 120.000 $ teuren Silicon Graphics Workstations, die bis dahin nur für Special-Effects in Filmen wie James Camerons Terminator 2 oder Steven Spielbergs erstem Jurassic Park genutzt wurden. Eine derartige Investition ließ man selbstverständlich nicht irgendwo in der Ecke verrotten. Weshalb die Stampers ihr erstes rundenbasierendes Prügelduell einläuteten: Killer Instinct.

Die Brüder hatten keinerlei Erfahrung, was Beat’em’ups á la Street Fighter, Fatal Fury oder Mortal Kombat anging. Weshalb sie dafür fünf neue Mitarbeiter anheuerten. Grafiker Kevin Bayliss gesellte sich Chris Seavor zur Seite und das eigentliche Game-Design übernahmen Chris Tilston sowie Ken Lobb. Chris Tilston war zu dem Zeitpunkt ein unbeschriebenes Blatt aber, Ken war quasi der Prügelspielexperte des Teams. Er hatte bereits Spiele wie Burai Fighter, Knuckle Heads oder Super Punch-Out!! für Namco und Nintendo entworfen. Durch ihn verwandelten sich die Standard-Blocks, Schläge und Tritte, welche das Team von Battletoads übernommen hatte, in Eröffnungsangriffe, automatische Doppelangriffe, Finishing-Moves und Gegenangriffe für Kombos. Kombos waren zweifellos der wichtigste Faktor des Gameplays, denn die Standard-Angriffe richteten nur unmerklich Schaden an. Unabhängig davon, um welche Attacke es sich handelte, mussten die Grafiker die Gestalten jedoch komplett in PowerAnimator rendern. Was zu einer extrem ungewöhnlichen Auswahl an Kämpfern führte. Ohne wirkliches Konzept, modellierten sie schlichtweg Gestalten, die sich aus der mitgelieferten Effekt-Bibliothek ergaben. Da PowerAnimator Feuer- und Eis-Effekte bot, entstanden die Elementare Cinder und Glacius. Genauso waren Eyedol, Gargos und Spinal ein Resultat der PowerAnimator Bibliothek. Sabre Wulf markierte eine der wenigen Ausnahmen. Sein Ursprung lag logischerweise bei Rares frühen ZX Spectrum Spielen. Das resultierte in den ungewöhnlichsten Kampfpaarungen, die bis dahin in einem Beat’em’up vor kamen. Wie z.B. mit einem Dinosaurier gegen einen Cyborg antreten zu dürfen. Die zweite Begleiterscheinung von PowerAnimator war die Verwendung von Motion-Capture für realistische Bewegungen. Rare schaffte sich in Kombination mit den Silicon Graphics Rechnern ebenso ein „Flock of Birds“ MoCap-System an. Obwohl auch das bereits in besagten Filmen zum Einsatz kam, steckte die Technik damals noch in den Kinderschuhen. Jeder Sensor war mit einem Kabel verbunden, was es sehr schwer machte, sich mit dem MoCap-Anzug zu bewegen. Außerdem fiel das System mindestens einmal pro Tag für mehrere Stunden aus. Weshalb das Team häufig wild Standard-Angriffe aufnahm und später Teile der Animation, wie Arm- oder Beinbewegungen, am Computer zu Spezialangriffen zusammenschraubte. Chris Stamper konstruierte zusammen mit Mark innerhalb von zehn Monaten einen Prototyp-Automaten, den sie in einer Spielhalle aufstellen konnten. Es wurde der weltweite erste Spielautomat mit einer integrierten Festplatte. Denn die Hintergrundgrafiken der Stages waren Filme und die flüssigen Animationen der Kontrahenten schluckten selbstverständlich ebenfalls Unmengen an Speicher. Obwohl die Spielautomaten-Industrie zum Spätsommer 1994 Release den Bach runter ging, bildeten die Kids Trauben um Killer Instinct. Rares neue Grafikpracht zog sie magisch an.

Monate zuvor, als Rare gerade ihrem Battletoads Dreierpack den letzten Schliff verlieh, passierte etwas entscheidendes bei Nintendo. Tony Harman, dem Entwicklungsleiter von Nintendo Amerika, wurde eine Audienz bei Hiroshi Yamauchi gewährt, dem Mann, der Nintendo zu einem Videospielimperium machte. Tony hatte ein Essay eingereicht, welches darauf hinaus lief, dass er externe Entwickler mit einspannen wollte. Etwas das gänzlich der japanischen Philosophie widersprach. Deshalb stütze er sich in seinem Vortrag auf die seiner Meinung nach drei Grundpfeiler eines erfolgreichen Videospiels: Ein Budget von drei bis vier Millionen Dollar, Spielautomaten-Erfahrung, um den Wert eines Spiel schätzen zu können und einen ikonischen Charakter wie Mario. Um diese Dinge bat er Hiroschi, für die Entwicklung mehrerer Super Nintendo Hits. Denn zu der Zeit verlor Nintendo of America langsam aber sicher den 16-Bit-Krieg gegen Segas Mega Drive. Hiroshi, engstirnig wie bereits bei Rares Lizenzanfrage, winkte ab. Er war weiterhin überzeugt, nur japanische Entwickler könnten echte Kassenschlager für ihre Konsole produzieren. Aber Tony ließ nicht locker. Er fragte Hiroshi, wie viele schlechte Werbespots sie in dem Jahr bereits produziert hatten? Und was allein einer davon gekostet hätte? Hiroshi antwortete mit drei Millionen Dollar. Woraufhin Tony Hiroshi bat, ihm das Geld eines einzigen Werbespots zu geben, um seine Theorie unter Beweis zu stellen. Tony Harman bekam die Millionen und fing sogleich mit seiner weltweiten Suche nach einem Entwickler mit seinen Kriterien an.
Als Tony in Folge dessen bei den Stampers einkehrte, waren Kevin und Mark noch die einzigen Mitarbeiter des Killer-Instinct-Projektes. Tony sah einen der ersten Kontrahenten. Das mit PowerAnimator gerenderte Erscheinungsbild des muskelbepackten amerikanischen Boxers „TJ Combo“. Er fragte die Stampers, ob es möglich wäre, diese Grafikpracht auch in ein Super-Nintendo-Modul zu quetschen? Die Stampers bestätigten es und beendeten damit Tonys Suche nach dem richtigen Entwickler für sein 3-Millionen-Dollar-Projekt. Tony schilderte seinem japanischen Gegenstück, Genyo Takeda, sowie Mario Erfinder Shigeru Miyamoto die Render-Technik und die überredeten wiederum Hiroshi Yamauchi, zum ersten Mal in der Geschichte Nintendos, einem externen Studio einen ihrer Charaktere zu überlassen.
Donkey Kong, hatte nach seiner Automatenphase, die Nintendo erst zum global Player machte, aus Hiroshis Sicht den geringsten Wert. Er erhielt ab und an mal einen Gastauftritt in Nintendos Spielen, aber das war es bereits. Shigeru zeichnete augenblicklich eine neue zeichentrickartigere, verspieltere Fassung von Donkey Kong und überbrachte den Stampers damit die frohe Botschaft.

Rare war nicht gezwungen, seine Vorschläge umzusetzen und realisierte stattdessen eine jüngere, athletischere Fassung als Shigeru sie sich vorstellte. Donkey Kong entpuppte sich als ein unheimlicher Glücksgriff für Rare, denn ihre kleine Farm, war lediglich einen Steinwurf vom Twycross Zoo entfernt. Welcher zufälligerweise die größte Sammlung von Affen und Schimpansen der westlichen Welt umfasste. Alles was die Stampers brauchten, hatten sie direkt vor der Tür. Sie stellten auf der Stelle ein zwölfköpfiges Team zusammen, denn ihnen war klar, dieses Spiel müsste das beste und umfangreichste ihrer Geschichte werden.
Zu Rares Vorteil bestand das Donkey Kong Universum zu dem Zeitpunkt nur aus Leitern und Fässern. Sie schufen sogleich eine lebhafte Dschungelwelt, die bis zum Release auf 40 Level mit Minen, Gewässern und Ruinen anwachsen sollte. Die einzige Vorgabe, die Nintendo ihnen abseits des Affen machte, war das sie ein Jump’n’Run damit kreieren mussten. Denn zu dem Zeitpunkt avancierte Disney’s Aladdin auf dem konkurrierenden Mega Drive gerade zum meistverkauften Videospiel. Rare spendierte Donkey Kong neue Support-Charaktere, wie Rambi das Nashorn oder den Schwertfisch Enguarde und ein neues Feindbild, die Kremlings. Die zweite Spielfigur, Diddy Kong, war hingegen Rares Ansatz eines aufgeräumten Interfaces. Das Tag-Team-System gab den Entwicklern die Möglichkeit Trefferpunkte darzustellen ohne eine Gesundheitsleiste einzublenden. Deshalb entstand zunächst als Ergänzung der etablierte Donkey Kong Jr. und dieser verwandelte sich mit der Zeit in Diddy Kong. Welcher wiederum andere Spielmerkmale als der alte Donkey bekam.
Als Rare den ersten Prototypen ihres Donkey Kong Country betitelten Spiels vollendet hatte, flogen sie nach Tokyo, um Hiroshi samt Gefolge ihre Schöpfung zu demonstrieren. Hiroshi war dermaßen überwältigt, von dem was Rare vollbracht hatte, dass er ein Viertel der britischen Firma kaufte. Was ebenfalls das erste Mal im Verlauf von Nintendos Geschichte geschah. Nie zuvor hatten sie in ein Studio außerhalb Japans investiert. Von dem Moment an, erhielten Rares Mitarbeiter eine eigene Abteilung innerhalb von Nintendos Redmonder Hauptquartier, welches sie das Nintendo Treehouse tauften.
18 Monate nach ihrem initialen Konzept, am 21. November 1994 erblickte die Welt Donkey Kong Country. Sechs Millionen Super Nintendo Besitzer kauften bis zum Ende der Weihnachtsferien eines der Module. Das wohl gemerkt obwohl Sonys Playstation in den Startlöchern stand bzw. in Japan sechs Wochen zuvor bereits erhältlich war. Die Verkaufszahlen sollten im Verlauf der Folgemonate auf insgesamt 9 Millionen wachsen. Das Doppelte von Segas Aladdin Verkäufen. Dieses eine Spiel sorgte dafür, dass das untergehende Super Nintendo wieder zur begehrtesten Konsole gedieh.

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