Mitte der 80er belebte Nintendo den totgeglaubten Konsolen-Markt wieder. Sie banden sämtliche namenhaften Spielautomatenhersteller an sich und erschufen mit dem NES eine der erfolgreichsten Videospielkonsolen überhaupt. Doch in der folgenden 16-Bit Ära verlor Nintendo mehr und mehr an Boden, bis Sony eines Tages ihre 32-Bit Playstation auf den Markt brachte. Über Nacht schwanden Nintendos einst treueste Begleiter. Capcom, Konami, Namco und Square, sie alle produzierten plötzlich Spiele für Sony’s CD-basierte Plattform. Aber eine Firma hielt treu zu Nintendo. Ihre Titel sollten das Aushängeschild fürs Nintendo 64 werden. Diese Firma hieß Rareware.
Von der Entwicklung erster Spielhallenautomaten in den 80ern, über Nintendos Famicom bis hin zur 16-Bit Ära hatten sich die Stamper Brüder einen Namen für technisch ausgereifte Spiele mit innovativen Konzepten gemacht. Was ihnen jedoch zum ultimativen Durchbruch verhalf, war die Adaption von vorberechneten gerenderten Sprites in Super Nintendo Module. Die Donkey Kong Country Reihe machte Rare nicht nur über Nacht weltberühmt, sie verhalf auch Nintendos Konsole zu neuem Glanz. Obendrein sorgte diese eine Entwicklung dafür, dass Nintendo sich plötzlich nach Spielentwicklern außerhalb Japans umsah und selbst Millionen in Silicon Graphics Workstations investierte.
Silicon Graphics damaliger Boom durch Special-Effects für Filme aber ebenso vorberechnete Spielgrafiken, sorgte für die Entwicklung einer neuen GPU. Der SGI Reality Coprocessor war aufgrund seines geringen Stromverbrauchs und Preises das ideale Herzstück für Nintendos 64-Bit Konsole. Eine Spielkonsole, die es, aufgrund ihrer rückschrittlichen Module, schwer hatte Marktanteile zu erreichen. Aber dieser Grafikprozessor ermöglichte dafür wundervolle 3D Welten in Echtzeit zu berechnen. Etwas das Nintendo mit Super Mario 64 und Pilotwings 64 eindrucksvoll unter Beweis stellte. Für viele Entwickler brachte der SGI Chip Probleme mit sich, denn die N64 „Development Kits“ waren Silicon Graphics Workstations mit einer Nintendo-Zusatzplatine. Der Kaufpreis dieser Workstations begann bei 100.000$ das Stück. Für Rareware war es hingegen ein Glücksgriff, denn sie hatten bereits lange vor dem N64 Launch in genau diese Maschinen investiert. Was es für sie um so einfacher machte, einen Spielehit nach dem anderen für Nintendos aktuellstes Flaggschiff zu kreieren. Was Rareware zum Ende des Super Nintendo Ära jedoch fehlte, waren Mitarbeiter. Für ihren Schritt zum Nintendo 64 Entwickler stellten sie daher in kürzester Zeit 170 neue Leute ein. Womit sich ihre Belegschaft fasst vervierfachte. Ihre Projekt-Teams setzten sich fortan aus fünf bis zehn Uni-Neulingen oder anderen Berufsanfängern zusammen, die von einem halbwegs erfahrenen Designer geführt wurden.
Im Falle von Rarewares erstem originellen N64 Projekt war Martin Wakeley der Dienstälteste. Er hatte 1994 für Cybersoft Adventures of Yogi Bear designt. Ein seitlich scrollender Plattformer, bei dem Yogi Bear in fünf Parks Picknick-Körbe stehlen musste. Anschließend arbeitete er bei Rareware an Donkey Kongs erstem Gameboy Abenteuer (Donkey Kong Land), bevor ihn Chris mit dem Heavy Duty Konzept konfrontierte. Eine Idee, die bereits seit Jahren in Chris Kopf herumspukte, er aber nie zu einem funktionierenden Spiel bringen konnte. Diese Grundidee war extreme Zerstörung. Weil das für den typischen Spielhallenspieler und Spielkonsolenbesitzer ansprechend war. Aber derartige Spiele waren immer auf eine von drei etablierten Sparten beschränkt: Autorennen á la Out Run, Prügelspiele wie Street Fighter 2 oder Shoot’em’ups wie R-Type. Eine gelungene Kombination davon wäre aus Chris Sicht, das Rezept für einen Kassenschlager. Denn wenn man Gebäude einreißen kann, macht das Spaß!
Das offensichtliche Problem des Heavy Duty Teams war jedoch, daraus ein tatsächliches Spielprinzip zu formen, denn Gebäude wehrten sich nicht, wie die Standard-Feindwellen eines Shoot’em’ups. Ihr Lösungsansatz wurde deshalb ein bewegliches Objekt, was dem Spiel Zeitdruck verlieh. Dieses Objekt sollte ein Transporter für Radioaktive Abfälle werden. Welcher sich später in einen außer Kontrolle geratenen Atomraketetransporter verwandelte. Ihre Inspirationsquelle, für die verschiedenen Fahrzeuge des Spielers, wurde hingegen die Thunderbirds Fernsehserie. Worin das Thunderbirds Team ständig verschiedene Fahrzeuge für die unterschiedlichen Anforderungen ihrer Missionen einsetzte. Bewaffnet mit einer Auswahl von Bulldozer-artigen Gefährten, war der Spieler gezwungen einen Weg für diesen atomaren Lemming zu ebenen. Aber nicht jedes Hindernis war schlichtweg anfällig für den Räumschild einer Planierraupe. Die Spieler wurde ständig mit scheinbar unzerstörbaren Hindernissen konfrontiert, für deren Beseitigung sich schnell eine Lösung finden musste. Diese Verschmelzung von Puzzle-Elementen mit alles zerstörender Action machte Blastdozer großartig. So lautete zumindest der Originaltitel, als Rareware ihr Werk 1995 auf der japanischen Shoshinkai Messe erstmalig demonstrierte. Die damalige Demo umfasste noch zahlreiche Fahrzeuge, die es nie ins fertige Spiel schafften. Denn Fahrzeuge wie der Roboterskorpion verfügten schlichtweg nicht über einzigartige Eigenschaften zur Gebäudezerstörung. Andere Kuriositäten des Spiels wurden Gefährte wie der Roboter Thunderfist. Ihm fehlte der zweite Arm, weil Martins Team schlichtweg die Polygone ausgingen. Blastdozer erschien nach 13 Monaten Arbeit in den USA und Europa als Blast Corps fürs Nintendo 64. Mit gut einer Millionen Verkäufen, lag es hinter den Erwartungen zurück. Aber bei einem Entwicklerteam aus vier Universitätsabgängern war es trotzdem extrem rentabel für Rareware.