Sierra On-Line war in den 80ern und 90ern der weltgrößte Adventure Hersteller. Ihr King’s Quest zog Fantasy Fans in seinen Bann, Space Quest die SciFi Freaks, Laura Bow Hobby-Detektive und Leisure Suit Larry die prüden Amerikaner, die Playboy Hefte nur als Zeitschriften-Sandwich kauften. Die Abenteuer der 40-jährigen Jungfrau im billigen weißen Polyester Anzug begeisterten Millionen Spieler. Erlebt in den kommenden Minuten die Geschichte von Larry Laffer und seinem Schöpfer Al Lowe.
Wie viele junge tech-hungrige Amerikaner in den 80ern, beschäftigte sich Flugsimulator-Ingenieur Chuck Benton mit dem Apple II. Nach Jahren der Text-Adventures gab es unzähligen Bücher zur Programmierung dieser Spiele. Was aber eigentlich kaum noch jemanden interessierte, da die mehr grafisch orientierten Spiele auf dem Vormarsch waren. Dennoch erregte Chucks Adventure, was er mit den Kenntnissen einer dieser Bücher schrieb, Aufmerksamkeit. Denn statt über Dungeons, Elfen, Außerirdische oder Kindheitsidole zu schreiben, entschied Chuck das Text-Adventure von seinen eigenen sexuellen Erfahrungen als 20-jähriger im Bostoner Nachtleben handeln zu lassen. Seine Freunde fanden es zum Schreien komisch und halfen ihm es zu verbessern. Da in der damaligen Zeit fasst alles mit Software auch Soft im Namen hatte, wich Chuck von seiner ersten Titel-Idee „Super Stud Adventure“ ab und nannte sein Meisterwerk „Softporn Adventure“. Zu Chucks Bedauern war der einzige damalige Weg, auf ein Spiel aufmerksam zu machen, eine Anzeige in einem Computer-Magazin wie Softtalk zu schalten und im prüden Amerika der 80er war das bei einem pornografischen Spiel etwas heikel. Als im Juni 1981 die erste komplett Apple gewidmete Computermesse stattfand, mietete Chuck sich dort einen Stand, um Softporn an den Mann zu bringen. Einer, der damals über das Messegelände streifte, war Sierra On-Line Gründer, Ken Williams. Ken nahm es mit nach Hause und Softporn wurde das einzige Adventure, für das sich Ken jemals Zeit nahm, um es ganz alleine durchzuspielen. Ken war klar, dass es eine Massenhysterie auslösen würde, wenn Sierra On-Line es veröffentlichen würde. Aber er wusste auch, dass jede Art von Publicity gute Publicity war. Besonders wenn es darum ging ein junges Unternehmen wie seines bekannt zu machen. Also rief Ken Chuck an und fragte ihn, ob Sierra On-Line Softporn vermarkten dürfte.
Für einen kurzen Moment, dachte Ken darüber nach, es mit zusätzlichen Grafiken in eines seiner Hi-Res Adventures zu verwandeln. Aber das würde nicht nur mehr Zeit kosten, sondern effektiv für viel mehr Aufstand sorgen. Also verwarf er die Idee wieder. Aber so gut Ken Softporn auch fand, war er mit Chucks schnöder Plastikbeutelverpackung wenig zufrieden. Um es gewinnbringend zu verkaufen, bräuchte Softporn aufreizende Argumente. Das Adventure endete damit eine wunderschöne Frau in einen Whirlpool zu kriegen. Seines Zeichens selbst Jacuzzi-Liebhaber, überredete Ken drei Frauen aus seiner Firma oben ohne in seinem Whirlpool zu posieren. Dianne Siegel, Sierras zukünftige Produktmanagerin, die Frau von „Ulysses and the Golden Fleece“ Programmierer Bob Davis und seine eigene Frau Roberta Williams. Der Käufer von Softporn würde schnell merken, dass die Verpackung deutlich mehr versprach, als das Spiel beinhaltete. Aber das war doch normal, oder? Bei seiner Veröffentlichung löste Softporn in der Tat einen gewaltigen Shit-Storm aus. Viele Käufer brachten andere Produkte, wie Sierras Textverarbeitungsprogramm, zurück, weil sie mit einer solchen Firma nichts zu tun haben wollten. Aber Softporn wurde ebenso zur Cover-Story des Time Magazines und mit mehr als 50.000 Verkäufen einer von Sierra On-Lines ersten Hits. Zumal die Käufer auch noch andere Produkte für darüber und darunter brauchten, damit niemand anders sah, wie sie es kauften.
Gut fünf Jahre später hatte sich Sierra von der Nah-Tod-Erfahrung des 1983er Konsolen-Geschäfts zu einem Software-Haus für Familienunterhaltung entwickelt. Allem voran Roberta Williams King’s Quest Adventures. Parallel hatte Steve Meretzky gerade für Adventure-Konkurrent Infocom die „Sex Farce“ Leather Goddesses of Phobos geschrieben, was zu Weihnachten 1986 an die Spitze der Verkaufscharts aufsteigen sollte. Da Chuck Benton sich, nach ein paar weiteren weniger erfolgreichen Spielen, wieder aus der Branche verabschiedet hatte, lud Ken statt ihm Al Lowe zum Essen ein.
Al Lowe hatte nach seiner 15-jährigen Highschool-Musik-Lehrer-Laufbahn Kinderspiele wie „Winnie the Pooh in the Hundred Acre Wood“ oder „Mickey’s Space Adventure“ für Sierra entworfen, was die Wahl auf den ersten Blick möglicherweise etwas absurd erscheinen ließ. Aber Al war der geborene Komiker. Er liebte gute Witze und wusste sie auch rüber zu bringen. Dennoch war Al unentschlossen, als Ken ihn fragte, ob er eine moderne Version von Chuck’s Softporn Adventure machen könne. Er bat Ken um eine Woche Bedenkzeit, damit er sich Softporn genau ansehen könne. Als die beiden sich wiedertrafen war Al’s erster Satz „This game is so out of touch it should be wearing a leisure suit!“. Das vermutlich berühmteste Zitat von Al Lowe. Softporn war am Ende der Disco-Ära entstanden. Mittlerweile waren aber Synthie-Pop und Glam Metal in. Was Softporn selbst aus damaliger Sicht schräg erscheinen ließ. Al stimmte daher zu das Spiel nur zu machen, wenn er sich darüber lustig machen dürfe. Ken willigte ein.
Softporn referenzierte die Spielfigur lediglich als „Puppet“. In der Tradition der Sierra Adventures, brauchte Al’s Version jedoch eine Hauptfigur wie Space Quest’s Roger Wilco oder Police Quest’s Sonny Bonds. Al fand seine Inspiration in Form eines anderen Sierra Mitarbeiters, den niemand so recht mochte. Ein schleimiger Handelsvertreter namens Gary, mit, nach Al’s Meinung, schlechtem Geschmack für Kleidung und veralteter Musik, der jedoch ständig mit den sexuellen Eroberungen seiner Geschäftsreisen prahlte. In Anlehnung an seinen ersten Witz, formte Al daraus „Leisure Suit Gary“. Die Williams hatten zudem eine angeheiratete Schwester, die sich, auf Grund ihrer Party-Exzesse den Spitznamen „Lounge Lizard“ eingehandelt hatte. Womit sich der Titel des Spiels zu „Leisure Suit Gary in the Land of the Lounge Lizards“ weiter entwickelte. Um nun etwas Abstand, zum offensichtlichen Gary zu bringen, wandelte Al den Titel zu „Leisure Suit Larry in the Land of the Lounge Lizards“ ab. Larry wurde eine beinahe 40-jährige Jungfrau, der sich in einen weißen Polyester-Anzug warf, das typische Goldkettchen anlegte und von oben bis unten mit billigem Parfüm einsprühte, um in der „City of Lost Wages“ aka Las Vegas endlich sein Glück zu finden. Mit schlappen 94$ in der Tasche, musste der Spieler wie in Softporn versuchen, in einer Nacht drei Frauen ins Bett zu bekommen. Eine namenlose Nutte im Hinterzimmer von Lefty’s Bar, die Club-Gängerin Fawn und die badende Schönheit Eve. Das amüsante an Larry’s Geschichte war, dass die Frauen es irgendwie jedes Mal schafften, die Oberhand zu gewinnen. Fawn leierte Larry beispielsweise einen Diamantring, Champagner und sogar eine Hochzeit aus der Tasche, bevor sie mit ihm ins Bett stieg. In welchem sie ihn letzten Endes angebunden zurück ließ. Ebenso machten sich alle anderen über Larry lustig. Als Larry im Quiki-Mart beim Verkäufer gestreifte, eingeölte Kondome mit Pfefferminzgeschmack bestellte, posaunte dieser es durch den ganzen Laden. Dann flog ihm die Gummipuppe, welche Larry im Hotel-Penthouse gefunden hatte, wie ein Ballon davon usw. Leisure Suit Larry wurde eine unterhaltsame Parodie des original Softporn Adventures.
Trotz Ken’s Verlangen nach einem solchen Spiel, war Sierra gerade erst wieder auf dem Weg nach oben. An deren Aufsichtsrat, der Ken erst kürzlich wieder als Chef akzeptiert hatte, musste Leisure Suit Larry unbemerkt vorüber gehen. Weshalb Al zum einen lediglich Grafiker Marc Crowe als Unterstützung bekam und zum anderen für die Arbeit nicht bezahlt wurde. Ken versprach ihm ersatzweise eine großzügige Umsatzbeteiligung. Al und Marc stellten Larry in drei Monaten fertig, doch dann wurde Al mulmig. Leisure Suit Larry war sein erstes Spiel, das nicht auf Kinder zugeschnitten war. Es wäre sein Verderben, wenn das Spiel nicht das machen würde, was der Spieler beabsichtigte. Deshalb überzeugte Al Ken zu Sierra’s erstem Beta-Test. Über das CompuServe Forum suchten sie sich freiwillige Tester und Al implementierte zusätzliche Code-Zeilen ins Spiel, welche die vom Spieler eingegebenen Befehle nach Szenen gestaffelt mit loggten, um den Frustfaktor verbessern zu können. Der zusätzliche Input verbesserte Larry enorm. Verglichen mit anderen Sierra-Adventures der Zeit, wie Space Quest, verstand das Spiel Unmengen von Eingaben. Trotz all dem wurde Leisure Suit Larry bei seiner Veröffentlichung im Juli 1987 ein Flop. Sierra Online verkaufte in dem Monat gerade mal 4.000 Exemplare. Was zweifellos erneut an dem Sex-Image des Spiels lag. Sierra setzte damals einen Großteil seiner Spiele über Radioshack ab. Deren Besitzer war jedoch ein bekennender Christ, welcher solch ein Werk nicht in seinem Laden haben wollte. Al Lowe hatte das Spiel schon wieder gänzlich vergessen und bei der Entwicklung von Spielen wie King’s Quest IV geholfen, als Leisure Suit Larry einige Monate später durch Mundpropaganda zu Sierra’s zweitgrößtem Hit avancierte. Bis zum Jahresende setzte Sierra 250.000 Exemplare um.