Die japanische Partnerschaft fand an dem Punkt ihr Ende. Jedoch nicht als Resultat der Metal Gear Solid Performance. Es war vielmehr so, dass Nintendo zum amerikanischen Spiel-Release bereits ihre nächste Spielkonsole, die Nintendo Wii ankündigte und mit dieser eine 180° Wende in Puncto Spielpalette vollzog. Die Wii sollte bislang unerschlossene Käufergruppen wie Casual Gamer oder Frauen erreichen. Weshalb Nintendo darauf drängte Party-Spiele zu erschaffen. Der allgemeine Tenor war, auf lange Plots zu verzichten. Eben genau das, worin sich Silicon Knights Spiele definierten. Denis erklärte Nintendos Präsident, sie könnten zweifellos versuchen Party-Spiele zu designen, aber sie wüssten nicht, ob das Ergebnis gut würde. Also trennten sich die kreativen Pfade wieder. In vollem Bewusstsein, dass der Silicon Knights Ruf dadurch Schaden nehmen würde.
Die Meinung der Öffentlichkeit war jedoch der deutlich kleinere Rückschlag. Denn bis zu dem Augenblick hoffte Denis, seinen Hut für Metal Gear Solid 4 in den Ring werfen zu dürfen, da Hideo Kojima als Leiter des Franchise zurückzutreten wollte. Mit dem gewonnenen Einblick in Konamis Referenz-Material arbeiteten die Silicon Knights bis zur Trennung sogar an einem neuen Horror-Adventure-Pitch. Ihr Silent Hill: The Box sollte sich um eine uralte Truhe mit unvorstellbarer Macht drehen, die Leute zu abscheulichen Gräueltaten überredete. Ironischerweise sorgte der Abschied von Nintendo dafür, dass The Box, ohne den Silent Hill Präfix, bei Konkurrent Sega seine neue Heimat fand. Mit dem Action Horror Game wollten die Silicon Knights erstmalig auf Open World Pfaden wandeln und das für die damaligen Next-Gen-Konsolen Xbox 360 sowie Playstation 3. Auch wenn zweitere zum Projektbeginn Anfang 2005 nicht Mal angekündigt war.
Kenneth Lobb traf wenige Jahre zuvor eine ähnliche Entscheidung wie Denis. Als Produzent von Rareware Kassenschlagern wie Killer Instinct, GoldeEye 007 oder Perfect Dark, arbeitete er ebenfalls mit Silicon Knights zusammen und zeigte sich damals äußerst begeistert von deren Too Human Playstation Projekt. Da er seit 2002 für die neu gegründeten Microsoft Game Studios tätig war, nahm Denis Kontakt mit ihm auf und unterbreitete den Redmondern auf diesem Wege einen Neustart des Projekts für die Xbox 360.
1997 hätte Silicon Knights schlicht ein gigantisches Spiel konstruiert. Doch mit der Rückkehr zu Too Human, realisierten sie, wie sich ihre Vorstellungen im Laufe der Jahre veränderten. Durch Legacy of Kain lernten sie Geschichten zu schreiben. Die Zusammenarbeit mit Miyamoto gab ihnen Einsicht ins Gameplay und Hideo Kojima prägte ihr Verständnis für Spektakel. All das sollte Too Human kombinieren und sich zusätzlich vom alten Stigma lösen, schlicht Gameplay und Zwischensequenzen zu alternieren. Die Grenzen mussten verschmelzen und eine Erzählung im Hollywood Format widerspiegeln.
Denis liebte Sciene-Fiction Romane wie Dan Simmons‘ Hyperion, Richard Morgan’s Altered Carbon oder Iain Banks’ Consider Phlebas. Aus seiner Sicht, existierte kein Grund mehr, wieso sich nicht auch Spiele auf dem Level solcher Romane bewegen sollten.
Jeder kannte den berühmten Wikinger-Helden Thor, aber niemand wusste, wer Baldur war. Ein Wikinger-Held, der als strahlender Gott, blutender Gott und Gott der Unschuld galt. Kombiniert mit einem Cyberpunk-Ansatz, erlangte Baldur, oder genauer gesagt alle Aesir, ihren Götter Status in Too Human durch kybernetische Upgrades. Baldur stand von den Toten wieder auf, um sein Volk in die Schlacht gegen Roboter-Armeen der Children of Ymir zu führen. Abseits der Kämpfe, untersuchte er insgeheim den eigenen Tod sowie den seiner Frau Nyanna. Denn Baldur starb nicht durch einen Riesen-Roboter, sondern seinen Kameraden Hod, den seine Cyber-Augen betrogen.
Ken McCulloch amüsierte es köstlich, dass Denis dieses Mal nicht nur seine verhassten Western mit der nordischen Mythologie kombinierte, sondern ebenso das Blutbad aus Stephen Norrington’s Blade Verfilmung. Denn genau das gedieh zum Intro Too Humans: Cowboy-artige Rivalitäten, in einer Techno-Bar, die von einem gigantischen Goblin-Roboter zerlegt wurde. Der ursprüngliche Detective John Franks Ansatz, welcher den Mord seines Partners beim Aesir Konzern untersuchte, verschwand somit gänzlich. Aber am Konzept, aktuelle Technologie für die Zukunft des Spiels weiter zu spinnen, hielt Denis fest. So verwandelte er die 2003 erfundene „Metalstorm“ Technologie, in die Glass Guns Too Humans. Pistolen, die elektrostatische Aufladungen nutzten, um Kugeln bzw. Glassplitter mit extremer Feuerrate aus dem Lauf zu pressen. Selbstverständlich erhielt Baldur zwei von diesen. Denn Baldur bedurfte eines ähnlichen Erkennungszeichens wie James Bond’s Walter PPK oder Dirty Harry’s .44er Magnum. Was ebenso Fenrir ins Spiel brachte. Baldur’s Schwert mit Bewusstsein. Eine ebenso bestialische wie persönliche Waffe, welche die Handlung Too Humans voran trieb.
Die Ursprünge von Schwertern in den nordischen Kulturen untersuchte Too Humans künstlerischer Leiter Carman Dix ebenso wie das Design derer Gebäude. Denn nur wegen dem Science-Fiction Theme, durfte Too Human nicht grundlosen Ansätzen folgen. So zogen Carman Dix und Mike Seto vorchristliche nordische Kunst und Architektur zu Rate, wie die typischen langen Häuser, Begräbnishügel oder heidnische Kirchen. Das Erscheinungsbild der Wikinger Langboote verbaute Mike z.B. im Asgard Tower, indem er den gesamten Turm aus horizontal und vertikal aneinander gelegten Schiffsrümpfen konstruierte und den typischen geschnitzten Drachenkopf am Dach für Heimdalls Büro nutzte. Fürs Innen-Design setzten sie dann auf große Hallen und verzierten diese wie besagte Begräbnishügel oder Kirchen.
Obwohl Too Human optisch eher dem parallel von BioWare entwickeltem Mass Effect ähnelte, wurzelte es spielerisch bei Titeln wie God of War, Diablo oder World of WarCraft. Also rasante Action, Kombinationsangriffe und Sammeln von Rohstoffen, ohne frustrierende Puzzles oder Platforming. Dabei sollte der Spieler aber nicht unaufhaltsam auf den Buttons herumhacken oder die eine gute Angriffskombination herausfinden und sich damit durchs gesamte Spiel prügeln können. Das Ziel war, den Spieler nicht mit monotonem Gameplay zu langweilen, sondern ihn über jeden neuen Feindtyp nachdenken zu lassen. Gleichzeitig durfte ihn das Farmen von Gegenständen nicht ermüden. Weshalb Design Director Henry Sterchi sich eine Vielzahl von Waffengattungen einfallen ließ, die von Schwertern, Hämmern und Hellebarden bis hin zu Pistolen, Gewehre sowie schweren Kanonen reichten. Diese kombinierte er mit einer Geometry Wars ähnlichen Steuerung. Der Spieler metzelte sich in Nahkämpfen also Button-los durch Feindmengen, lediglich durch die Verwendung beider Sticks. Damit die entstandenen Combos Spielen wie Soulcalibur oder Devil May Cry ebenbürtig waren, engagierte Denis eine Motion-Capture-Crew, die schon an Filmen wie „Hero“ (Jet Li) oder „The Chronicles of Riddick“ arbeitete. Diese Animationen vervollständigte ein originelles Kamerasystem. Es zoomte ins Geschehen hinein, wenn der Spieler zum Schwert griff und wieder heraus, beim Ziehen der Schusswaffen. Auf dass der Spieler stets eine gute Übersicht über die Feindmassen behielt.
Als die Silicon Knights ihr Too Human auf der 5. Microsoft Xbox Conference im Oktober 2005 demonstrierten, zog die Öffentlichkeit direkt Vergleiche zu Devil May Cry und God of War. Abseits der Action ging Too Human jedoch deutlich mehr in Richtung Rollenspiel mit Online Co-Op Modus. Weshalb sich die Silicon Knights 18 Monate zurück hielten, um bei der nächsten Demo Klassensystem, Gestaltungsmöglichkeiten und die unterschiedliche Feindaufstellung des Multiplayer-Modes aufzuzeigen. Denn Too Human bot nicht nur Klassen die mit Berserker, Bio Engineer, Champion, Commando und Defender die typischen Rollen abdeckten, Henrys Design-Team dachte sich ebenso eine durch Kombinationsangriffe ausgelöste Manabalken-Alternative aus. Mit diesem abgestuften Combo-Meter führten selbst Heiler wie der Bio Engineer Kombos aus, um die eigenen Team-Mitglieder am Leben zu halten. Selbstverständlich erstreckten sich die Rüstungen ähnlich den Waffen über Helme, Handschuhe, Stiefel usw., boten Slots für Runen und alles weitere, was man damals Spielen wie Diablo zuschrieb.
Nach ca. dreieinhalb Jahren Entwicklungsdauer, erblickte Too Human am 19. August 2008 das Licht der Welt. Mit knapp 170.000 Verkäufen in den ersten zwei Woche, stieg es auf Platz acht der Spielecharts an. Eine Anzahl, die im Verlauf der folgenden drei Jahre auf über 700.000 anwuchs. Das obwohl Too Human mit durchschnittlich 68% eher gemischte Kritiken hervor rief. Während viele Optik und die Musik des 41-teiligen Orchesters lobten, kritisierten andere den ungewöhnlichen Einsatz des rechten Sticks, die verhältnismäßig kurze Spieldauer und vor allem die lang andauernde Todessequenz, bei der eine Walküre den Leichnam nach Walhalla trug.