Reflections Interactive – Von Psygnosis Zugpferd zum Ubisoft Zulieferer

by Pandur

Destruction Derby verkaufte sich am Besten in den USA. Da ist es kaum verwunderlich, dass Martin auch den Inhalt des Nachfolgers in die USA verlegte. Statt das Maximum an Karambolagen aus kurzen Strecken zu holen, wollte er lange abwechslungsreichere mit Unebenheiten in der Fahrbahn. Jede einzelne Strecke sollte mit einem anderen Thema versehen werden. Vom Wald, über den Grand Canyon bis hin zu einer Neon-Stadt. Natürlich gepaart mit den bekannten Kreuzungen und nun auch Tunnel sowie extremen Sprungchancen. Dafür reiste Martin mit seinem Team in die USA, sah sich echte Rennstrecken an, fotografierte sie für Layouts sowie Texturen von Destruction Derby 2 und ließen in Indianapolis Tonaufnahmen anfertigen. Neben der Inspiration für die neuen NASCAR-mäßigen Fahrzeuge von den realen Strecken, verbrachte das Team ebenfalls Zeit in Spielhallen und ließ sich vor allem von Daytona inspirieren. Wodurch die Idee entstand ebenfalls Hintergründe zu animieren, wie die Windmühlen des Automaten.
Für all das schrieb das Reflections Team eine komplett neue Engine und ließ lediglich das Kollisionssystem weitestgehend in Takt. Aber auch das bauten sie weiter aus. Sie schrieben eine Reihe abwechslungsreicher Effekte, die eintreten konnten, wenn der Wagen kurz vor dem Totalschaden stand, wie dass das Auto in Flammen auf ging, die Motorhaube wegflog oder ein Reifen verloren ging. Damit der Spieler seinen Wagen davor schützen konnte, baute Reflections die Möglichkeit eines Boxenstopps ein. Dem Spieler stand es jedoch völlig frei an die Box zu fahren oder nicht. Denn die zusätzliche Zeit zur Implementierung eines alternativen Punktesystems dafür, hätte zu viel Arbeit bedeutet.
Wie zuvor erhielt Destruction Derby 2 wieder verschiedene Spielmodi. Beim Stock-Car-Modus durfte sich der Spieler entscheiden ein normales Rennen zu fahren und Gegner bei günstiger Gelegenheit zu rammen oder sämtliche Gegner wie bisher zu verschrotten. Die Inspiration kam Martin bei den Banger World Finals in Essex, wo neben der Zerstörung tatsächlich vier Wagen ein normales Rennen fuhren. Das Ergebnis ihrer Arbeit wurde ein wahrhaft würdiger Nachfolger. Die Presse lobte Destruction Derby 2 in den höchsten Tönen, pries die beeindruckende 3D Engine, äußerst coolen Strecken und den Stock-Car-Modus als beinahe perfekt. Destruction Derby 2 verkaufte allein auf der Playstation 1,2 Millionen Exemplare, wurde parallel für Microsoft Windows produziert und später aufs Nintendo 64 portiert.

Ein paar Jahre zuvor, als Martin am ersten Destruction Derby Spiel arbeitete und mit seinem In-Game-Wagen an der Kreuzung der 8-förmigen Strecke stand, dachte er, wäre es nicht genial, wenn hier eine Ampel mit Fußgängern wäre und man hier sitzen und die Welt vorbeiziehen sehen könnte? Dieser Gedanke inspirierte ihn zu Driver, dem erfolgreichsten Franchise, welchen Reflections Interactive jemals hervor gebracht hat. Martin wollte die Verfolgungsjagden aus den alten 70er Filmen seiner Kindheit einfangen und begann als kleines Nebenprojekt ein offene Welt zu gestalten, in welcher der Spieler frei herumfahren und Missionen erledigen konnte. Wofür er sich von Filmen wie Bullit, Starsky & Hutch, Ein Duke kommt selten allein und den Blues Brothers inspirieren lies. Manch einer mag jetzt denken, die Idee hat er doch von DMA Desgin geklaut, dem anderen Psygnosis Studio, das die Grand Theft Auto Reihe erfunden hat. Ja, es gibt starke Ähnlichkeiten. Aber Driver kam zur gleichen Zeit wie GTA2 raus und somit vor GTAs Sprung in die 3D Welt. So entwickelten sich beide Spiele quasi parallel als Rivalen.
Driver entstand zunächst am PC. Doch wegen den deutlich höheren Absatzzahlen der Destruction Derby Spiele auf der Playstation, verlagerte Martin es nach einem halben Jahr Entwicklungszeit auf Sonys Konsole. Was für das Team eine große Herausforderung wurde, da die Playstation Ende der 90er schon in die Jahre kam und der PC Hardware deutlich hinterher hing. Reflections musste jeden nur erdenklichen Trick nutzen, um es zum Laufen zu bringen und dennoch Abstriche machen. Was zu geringer Sichtweite, langen Ladezeiten und verschwindenden Gebäuden führte. Der geringe Arbeitsspeicher der PS1 führte aber auch dazu, dass Reflections ihre erste Streaming-Technik entwickelte, damit innerhalb der gewaltigen Städte auch noch Ladebildschirme auftraten.
So bescheuert es sich anhören mag, Driver war ein Spiel, das sich nur ums Fahren drehte und Dinge wie durchdrehende Reifen, 180° Turns mit angezogener Handbremse und Bremsspuren auf der Fahrbahn in den Vordergrund stellte. Dazu baute das Team ebenso einen „Film Director“ Modus ein, durch den der Spieler kleine Actionfilme aufnehmen konnte. Die typische Driver Kameraführung beim in die Kurve gehen oder ähnliches übernahmen im Nachhinein sämtliche Rennspiele und sind heute der Standard für das Genre.
Trotz der starken Einschränkungen der Playstation 1 erstreckten sich die 44 Missionen von Driver auf vier große Städte: Miami, San Francisco, Los Angeles und New York. Die aller direkt durch ihr individuelles Stadtbild zu erkennen waren, ob es nun Gebäude oder die Cable Cars waren. Story-mäßig erinnerte Driver tatsächlich stark an das Grundkonzept von GTA. Bei dem Spieler als Polizist John Tanner, undercover ein Gangstersysndikat infiltrieren sollte und dafür Jobs erledigen musste, wie Räuber bei der Flucht nach einem Bankraub zu helfen.
Als das 25-köpfige Team Driver Juni 1999 nach 18 Monaten Entwicklungszeit fertigstellte sah es besser aus, als jedes Rennspiel was es bis dahin auf der Playstation gegeben hatte und genauso verkaufte es sich auch! Driver wurde zum größten Verkaufsschlager in der Geschichte von Sonys erster Spielkonsole.

Während der Driver Entwicklung war das Reflections Team stark gewachsen. Mit zwei parallel operierenden Teams waren es zwischenzeitlich 40 Mann geworden. Martin sah sich selbst nicht als Manager und so stellte er gegen im Sommer 99 seinen Bruder Gareth ein, um den Produktionszyklus zu überwachen. Gareth Edmondson hatte keinerlei Erfahrung mit der Spieleentwicklung. Er kam aus dem Telekomunikationssektor und plante als Projektmanager deren Infrastruktur. Wobei enge Zeitpläne eingehalten werden mussten ein. Martin sah das als ideale Firmenergänzung für seine kreative Ader.
Parallel zu diesen beiden Dingen, gab es noch eine dritte Veränderung. In den vorangegangenen Jahren hatte sich GT Interactive hauptsächlich durch id Software’s Spielekatalog zu einem der neuen großen Publisher entwickelt und begann langsam vielversprechende Studios aufzukaufen, um ihren eigenen Produktkatalog zu erweitern. Nach Cavedog Entertainment, Humongous Entertainment und Oddworld Inhabitants erwarb GT Interactive im Dezember 1998 Reflections Interactive Ltd. Für Anteile im Wert von 14,17 Millionen US Dollar. Einen Deal den Martin als Durchweg positiv ansah, da GT Interactive nicht an der Autonomie des Studios rüttelte oder in den kreativen Prozess der Spieleentwicklung eingreifen wollte. Der einzige Nachteil dieses Publisher-Wechsels war, dass die Rechte an den bisherigen Reflections Franchises wie Shadow of the Beast oder Destruction Derby bei Psygnosis lagen und Reflections somit lediglich weitere Driver Spiele oder gänzlich neue IPs produzieren konnte.

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