Cinemaware – Der Anbeginn von Interaktiven Filmen auf dem Computer

by Pandur
Rocket Ranger fliegt über ein Tal und feuert mit seinen Pistolen in die Ferne

Im Januar 1989 hatte Commodore weltweit bereits eine Millionen Exemplare ihres Multimedia Computers verkauft. Diese Summe erreichte der Amiga auf dem amerikanischen Markt später als Höchstwert. In Europa verbreitete sich der Amiga jedoch deutlich besser. Allein in Deutschland verkaufte Commodore mehr als 1,6 Millionen Stück. Weshalb Cinemaware ihren Markt ebenfalls expandierte und mit dem britischen Publisher Mirrorsoft kooperierte. So fanden die Cinemaware Spiele ihren Weg nach Europa und umgekehrt lieferte Bobs neu gegründete Spotlight Software Vertriebsfirma Bitmap Brothers Spiele wie Speedball und Xenon aus. Außerdem wurde Cinemaware sowohl 1988 als auch 89 auf der Game Developers Conference von der Konkurrenz zum innovativsten Publisher gekürt.

Cinemawares nächstes Spiel, war in den Augen der Kritiker wenig innovativ. Lords of the Rising Sun sollte die japanischen Samurai-Filme widerspiegeln. Dazu wandte sich Bobs Team das dritte Mal dem Strategieteil zu. Dieses Mal jedoch deutlich intensiver als bei Defender of the Crown und Rocket Ranger. Lords of the Rising Sun kam mit einem für Cinemaware Verhältnisse unglaublich dicken Handbuch daher, welches eine überraschend hohe Anzahl strategischer Details offenbarte und dem Spieler den Eindruck eines typischen SSI Spiels der Zeit vermittelte. Die kleinen Minispielchen, bei denen der Spieler in einem Gang Shurikens mit dem Samuraischwert abwehren, den gegnerischen Anführer vom Pferd aus einfangen musste oder in einer Art Gauntlett ähnlichem levelaufbau in die feindliche Festung eindrang, konnten in Lords of the Rising Sun erstmalig abgeschaltet werden. Ebenso bot das Spiel als erstes in der Cinemaware Reihe ein Speicherfunktion. Die auch dringend nötig war, da sich die Partien meisten zahlreiche Stunden hinzogen. Bedauerlicherweise war aber der Hauptteil des Spiels, der strategische Teil, völlig undurchschaubar. Während dieses Element in Defender of the Crown zu leicht und in Rocket Ranger unterhaltsam war, war es in diesem Spiel ein großes Rätsel. Der Spieler sollte auf der Karte Japans Alliierte finden, Schlachten austragen und Feinde unterwerfen. Aber dazu fehlte Lords of the Rising Sun eine Art Übersichtsanzeige. Die Presse zerriss das Spiel völlig. Bob versuchte es zu verteidigen und behauptete, dass es niemals zuvor so viele Animationen in einem Computerspiel gegeben hätte. Doch die Animationen waren nicht das Problem. Lords of the Rising Sun verkaufte sich im Gegensatz zu den vorangegangenen Spielen äußerst schlecht.

Was Cinemaware an dem Punkt brauchte, war ein neuer Erfolg. Und der kam in Form des vermutlich besten interaktiven Films, den die Firma damals produzierte. It came from the Desert war die gemeinsame Schöpfung von Bob Jacob selbst und Newcomer David Riordan. Neu bei Cinemaware, aber nicht neu im Business. Er hatte bereits für ein Forschungsprojekt bei Lucasfilm Games unter Peter Langston gearbeitet und war dann kurz vor dem Untergang von Atari dorthin gewechselt, um Laser-Disc-Spiele zu produzieren. 1988, als sich David bei Cinemaware bewarb, weil er so begeistert von Defender of the Crown gewesen war, war es sehr ungewöhnlich, bereits Erfahrung im Filmgenre und Spiele-Entwicklung zu haben. Weshalb Bob ihn umgehend einstellte. Bob’s erste Frage war: Was für eine Art von interaktivem Film möchtest du machen? Und Davids Antwort war: Big Bugs.
Von da an arbeitete das Cinemaware Team Monatelang daran die Technologie zu programmieren, welche ihnen die Erschaffung von It came from the Desert ermöglichte. Währenddessen schrieb David eine lineare Geschichte, wie er es bei den Laser-Disc-Spielen gewohnt war, sowie Gameplay-Elemente, die für ein unterhaltsames Action-Adventure sorgen würden. Es dauerte einige Zeit, bis er sich vom Laser-Disc Design löste und erkannte, dass er bei den verwendeten Techniken an jeden Punkt der Zeitachse springen konnte. Nach reiflicher Überlegung zeichnete David eine Karte des Örtchens Lizard Breath auf Papier und darauf 15 Schritte ein, welche die Ameisen brauchen würden, um die Stadt zu erobern. Diese Schritte wurden zur grundlegenden Zeitachse, unabhängig davon welche der 30 Orte der Spieler besuchte. Wenn der Spieler Zeit verschwendete, weil er vom einen Rand der Stadt zum andern reiste, kamen die Ameisen schneller voran. Letztlich entstand eine Ort/Tag Matrix, die aufzeigte, was dem Spieler dort anhand einer Reihe von Optionen begegnen konnte. Situationen wie: Einen Beweis finden, den Hinweis eines Charakters bekommen, ein Ameisenangriff, eines der Minigames oder einfach nur leere Wüste. Da Bob einen Wiederspielwert in seinen Spielen wünschte, wurde das alles selbstverständlich von Variablen beeinflusst, die auf den Fortschritten des Spielers basierten. Das alles hüllte Cinemaware in für die damalige Zeit spektakuläre Grafiken und Soundeffekte.
Im fertigen Produkt begann der Spieler in seiner Hütte, konnte jeden beliebigen Abschnitt der Stadt besuchen und sich mit den lebensfrohen Bewohnern durch Multiple-Choice-Dialoge unterhalten. Dabei lag die erste Priorität darin, die Leute von der Existenz der Riesenameisen zu überzeugen. Wofür Beweise gesammelt und damit der Bürgermeister überredet werden konnte Alarm auszulösen. Dadurch wurde der Spieler mit der Verteidigung der Stadt beauftragt. Natürlich mit dem ultimativen Ziel das Nest der Ameisen zu finden und die Ameisenkönigin zu töten.
Ein interessanter Aspekt von It came from the Desert war außerdem, dass der Spieler nicht sterben konnte. Verlor er eines der Actionspiele, erwachte er im Krankenhaus. Wo er entweder unter Zeitverlust bleiben konnte, oder versuchte über ein weiteres Minigame aus dem Hospital zu entkommen.

Damals wie heute wird It came from the Desert als der Höhepunkt von Cinemawares Schaffen betrachtet. Das Originalspiel wurde ebenso ein großer kommerzieller Erfolg und führte dazu, dass Cinemaware zum ersten Mal eine Erweiterung zu einem ihrer Spiele produzierte. Ant-Heads war eines der acht anderen Szenarios, die David sich zu erst ausgedacht hatte, aber vom Programmieraufwand her nicht realisiert werden konnten. Damit das Spiel auf eine einzelne Diskette passte, verwendete Ant-Heads die ursprünglichen Orte, kombinierte sie mit der Existenz einer zweiten Königin und sponn die Geschichte weiter, indem sie Leute in Zombieähnliche Wesen mit Ameisenköpfen verwandelte.

Obwohl It came from the Desert für Cinemaware ein großer Hit war, wurde es gleichzeitig zu ihrem Untergang. Dieser Weg ist jedoch etwas umfangreicher und beginnt bereits 1988 mit Cinemawares „Interactive Entertainment Group“. Als Pionier der Multimedia-Maschinen wollte Bob am liebsten schon 1986, bei der ersten Vorstellung der CD-ROM, auf das neue Medium aufspringen. Er sah wie die ersten Laser-Disc Player die Videorekorder verdrängten und war maßlos enttäuscht, dass Commodores die CD über Jahre hinweg gänzlich ignorierte. Er prophezeite der CD-ROM auf dem Computersektor ähnlich hohe Gewinnchancen wie auf dem Videomarkt und wollte davon als Erster profitieren. Somit setzte die Interactive Entertainment Group nach kleineren Demoprojekten Defender of the Crown für CD-ROM um. Was tatsächlich das zweite Computerspiel der Welt wurde, das überhaupt auf CD erschien. PCs bekamen theoretisch CD-ROMs, als sich die VGA Grafikkarten erst durchsetzten, aber niemand kaufte sie. Cinemaware schlug den allgemeinen Weg ein und nutzte jedes CD-System, was erscheinen sollte. Lange Zeit lobte Bob daher Philips in höchsten Tönen, weil er von deren CD-I begeistert war, doch dessen erscheinen zögerte sich ebenfalls Jahr für Jahr hinaus.

Nach der Fertigstellung der normalen It came from the Desert Fassung, begann Cinemaware mit der Produktion einer Full-Motion-Video Version des Spiels. Wofür sie echte Schauspieler mit einer Betamax-Kamera vor Green-Screens filmten. Was die Firma pro Drehtag und Schauspieler ca. 500 Dollar kostete. Ähnlich viel Aufwand steckten sie in die Musikproduktion. Ein echtes Orchestra produzierte für 10.000$ den Track Musik in CD-Qualität. Ein Unterfangen durch das It came from the Desert Cinemaware 700.000$ kostete. Ohne das sie bislang tatsächlich eine Plattform hatten, auf der sie es veröffentlichen konnten.

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