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Tabula Rasa – Destination Games MMORPG Fiasko

by Pandur
Destination Games versammelte das Dream Team der Entwicklerszene. Veteranen wie Richard Garriott, Starr Long und Jake Song. Zusammen hatte die Gruppe mehrere hunderte Jahre Spiel-Entwicklungs-Erfahrung und Hits wie Ultima Online, Linage oder Wing Commander vorzuweisen. Sie beschlossen gemeinsam ein gänzlich neues MMORPG zu kreieren, das Spieler der westlichen und östlichen Hemisphäre gleichermaßen in den Bann ziehen sollte. Mit 100 Millionen Dollar vom koreanischen Branchenriesen NC Soft schufen sie innerhalb von sieben Jahren Tabula Rasa. Ein Spiel, das gut ein Jahr online war, weil es NC Soft bei der Veröffentlichung gerade Mal 5,8 Millionen Dollar einbrachte. Dies ist die Geschichte von Tabula Rasa.

Richard Garriott war schon damals ein Pionier der Computer-Industrie. Als Erfinder der Ultima Reihe, hatte er eine Dynastie von Spielen erschaffen, die sich Millionenfach verkauften. Der Clou dieser Ultima Spiele war, dass sie eine realistische Welt simulierten. Abgesehen von den Geschichten der Spiele, die sich nicht um das Abschlachten von Monstern drehten, sondern um ethische Probleme, konnte der Spieler darin jeder nur erdenklichen Tätigkeit nachgehen. Dinge wie Getreide einholen, es zu Mehl zermahlen und daraus Brot backen, um es letztlich selbst zu verzehren oder zu verkaufen. Trotz Electronic Arts Widerwillen das Spiel finanzieren zu wollen, gelang es Richard zusammen mit Starr Long das erste kommerziell erfolgreiche MMORPG zu erschaffen: Ultima Online. Es hob den Realismusfaktor weiter an, indem Spieler einem kompletten Leben in Gemeinschaft mit anderen Spielern nachgehen konnten. Nach einem ersten Stirnrunzeln, löste Ultima Online bei Publisher Electronic Arts eine gewaltige Umstrukturierung aus, die zu einem primären Fokus auf Online-Spiele führte. Aber nicht nur dort. Vom Ultima Online Start 1997 an, schossen unzählige weitere MMOs aus dem Boden.

In Südkorea entstand im selben Jahr NC Soft und deren erstes MMORPG war das von Jake Song designte Linage. Ein Spiel, das eher mit Brettspielen wie „Risiko“ oder „Diplomacy“ zu vergleichen war. Da die Hauptaufgabe darin bestand Burgen zu erobern, welche anderen Gilden gehörten. Spieler formten Bündnisse, eroberten dadurch Burgen, legten dann die Steuern für das Land fest und bezahlten damit ihre Gruppe und Verbündete. Genau wie Ultima Online erzeugten die Spieler ihren eigenen Content, nur auf völlig unterschiedliche Art. Für amerikanische Verhältnisse war Ultima Online mit knapp 250.000 Abonnenten im Jahre 2001 bereits ein immenser Durchbruch. Verglichen mit Linage spielte es jedoch in einer niederen Liga. Linage hatte zur selben Zeit bereits 2 Millionen Abonnenten und würde in den folgenden Jahren, vor dem World of WarCraft Release, problemlos die 3 Millionen Abonnenten Marke überschreiten.

Electronic Arts hatte sich den MMO Markt für den Moment selbst zerstört. Sie bauten Richard Garriotts Firma Origin Systems zu einer reinen MMO produzierenden Firma um und stellten dann ein Projekt nach dem anderen ein. Richard verließ Origin Systems im April 2000. Die Ironie an der Geschichte war, dass Electronic Arts ihm Origin abgekauft hatte und die Einstellung der Projekte im Verlauf des folgenden Jahres zum Ausstieg beinahe aller Origin Mitarbeiter führte. Wodurch Richard EAs Geld und gleichzeitig sein gesamtes Entwicklerteam zurück hatte. So begab es sich, dass er, nach Ablauf des vertraglich üblichen Auszeit-Jahres, seine zweite Firma Destination Games gründete. Richards Bruder Robert Garriott übernahm erneut die Firmenleitung und gemeinsam stellten sie Entwickler von den früheren Ultima sowie Wing Commander Spielen ein. Es dauerte gerade Mal 48 Stunden, bis Richard einen Anruf von NC Soft bekam, um eine Partnerschaft zu besprechen. Aber im Gegensatz zu EA, die Origin hauptsächlich für ihre IPs und Rechte gekauft hatten, wollte NC Soft Destination Games für ihre Visionen an Bord holen. Sie sollten gänzlich neue IPs kreieren. Tatsächlich lebte Linage Designer, Jake Song, 2001 bereits seit drei Jahren in Los Angeles und hatte dort auch NC Softs eigentliche USA Niederlassung gegründet, die in der Zeitspanne jedoch kaum gedieh. Mit Amerikas-Spiele-Ikone Richard Garriott als Führungsperson, kaufte NC Soft kleine nordamerikanische Studios wie Triforge Games in Bellevue, Cryptic Studios in Los Gatos, NetDevil in Louisville und die Carbine Studios aus Aliso Viejo. Sie produzierten in den folgenden Jahren MMOs wie City of Heroes, Guild Wars, Auto Assault oder Wildstar. Allein City of Heroes erlangte bereits doppelt so viele Abonnenten wie Ultima Online. Guild Wars umfasste zwar kein Abonnenten-System, aber verkaufte stolze fünf Millionen Exemplare. Während das neue NC Soft America Team die Produktion dieser Spiele beaufsichtigte, setzten sich Jake und Richard zusammen, um die Zukunft der eigenen Spielentwicklung abzuwägen. Sie überlegten kurzzeitig zwei separate Spiele zu machen. Ein Richard Garriott Game und ein Jake Song Game. Aber für eine neu gegründete Firma, die bislang nichts vorzuweisen hatte, schien das ein immenses Risiko zu sein, um das sie ihre koreanischen Geldgeber nicht bitten wollten. Also vereinte NC Soft America die größten Talente von Korea und Nordamerika, um das ihrer Meinung nach beste Spiel der Welt zu erschaffen. Sie waren so überzeugt von sich selbst, dass sie sogar glaubten es würde einfach werden! Jake Song zog ebenfalls nach Austin Texas, wo sie ihren East-meets-West-Think-Tank formten. NC Soft heuerte durch die Bank überqualifizierte Leute an. Selbst ihre „Junior Designer“ waren zuvor „Lead Designer“ anderer Spielen gewesen.

Ihr Konzept wurde „Innovate every Front“. Was schon der Name widerspiegelte. Weshalb das Spiel Tabula Rasa, also Neubeginn oder leeres Blatt heißen sollte. Ihr Werk sollte nicht auf den traditionellen mittelalterlichen oder Star Wars ähnlichen Sci-Fi Szenarien aufbauen, sondern etwas gänzlich neues werden. Ihre Vision war eine Sci-Fi Variante von Martial Arts und Mystik, aufbauend auf Dingen wie „The Legend of Zu“ oder „A Chinese Ghost Story“ nur eben in der Zukunft. Merkwürdigerweise war der einzige Punkt, den sie nicht gänzlich von Vorne gestalten wollten, die Technologie. Wobei das 2001 zugegebenermaßen noch völlig üblich war. Alle frühen MMORPGs dominierten durch ihre Features und nicht die Optik. Der gewaltigste Kritikpunkt, den das Team an bisherigen MMORPGs sah, war das fehlende Heldengefühl. In MMORPGs war selbst ein Hardcore-Gamer für gewöhnlich Durchschnitt. Es lagen immer andere vor und hinter ihm. Außerdem fehlte der typische Oberbösewicht, mit dem der Spieler persönlich im Konflikt lag. MMORPGs ließen den Spieler sich stattdessen wie ein kleines Rad fühlen und bestachen zudem durch endlos lange Level-Grinds. All das sollte Destination Games‘ Tabula Rasa ändern.

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