Microprose – Wild Bill und die SMUGGERS

by Pandur

Bedauerlicherweise geschah das bereits mit Sids nächstem Spiel: Civilization. Sid selbst rechtfertigte das gegenüber Wild Bill mit den Worten: „aber ich wollte es besser machen.“ und genau das war, was Sid Meier tat. Trotz des offensichtlich gleichen Namens, den Microprose absichtlich beibehielt, übernahm Sid Meier’s Civilization vom Brettspiel prinzipiell nur den Tech-Baum und erweiterte diesen drastisch. Denn zum einen endete dieser 250 Jahre vor Christi, wohingegen Sid’s Version bis in unser Computerzeitalter ging und Sid nahm dem Tech-Baum die Linearität des Brettspiel-Originals. Die verbleibenden Elemente von Sid Meier’s Civilization stammten zum Großteil aus Walter Bright’s Empire, was bereits vor der Erfindung der Microcomputer auf einem DEC PDP-10 entstand. Ein Spiel das beide Entwickler früher mit Begeisterung gespielt hatten und zu dem Sid Bruce herausgefordert hatte zehn Verbesserungen aufzuschreiben. Diese „verbesserte“ Version von Empire, verbunden mit den Civilization Tech-Bäumen und eine abstrahiert Städtebauvariante, die Sid’s Railroad Tycoon ähnlich war, waren die Grundlage von MicroProse Civilization-Entwicklung. Sid programmierte bis in die späten Abendstunden das Spiel, legte Bruce eine Diskette mit der aktuellen Version auf den Schreibtisch und bekam bei seinem Eintreffen am nächsten Tag eine Feedbackliste mit Anregungen. Was eine beinahe identische Herangehensweise der Populous Entstehungsgeschichte durch Peter Molyneux und Glenn Corpes war, von welchem Civilization ebenso einiges abguckte. Wie mittlerweile üblich recherchierten Sid und Bruce historische Fakten, um den Tech-Baum mit Errungenschaften zu füllen und, so wenn der Spieler es wollte, die Geschichte der Erde nachspielen zu können. Wobei Civilization ebenfalls die Möglichkeit bot, auf einem ganz anderen Planeten mit mehr Landmasse oder ähnlichem zu starten. Gleiches galt für die fünfzehn Völker der Erde, die von Amerikanern bis zu Zulus reichten und ebenso vom Spieler umbenannt werden durften. Obgleich Kriegsführung einer der drei Grundpfeiler des Spiels sein sollte, wollte Sid nicht die Eroberung der gesamten Welt als Endziel von Civilization definieren. Glücklicherweise kam Bruce auf die Idee die perfekte Evolution zum Ziel zu setzen. Das Volk, was als erstes durch den gesamten Tech-Baum hindurch und somit von der Steinzeit bis zur Raketenwissenschaft gelangt war, gewann. Ihr Raumschiff flog nach Alpha Centauri und startete somit die nächste große Phase der Menschheit.
Civilization begann also damit, dass der Spieler die Entstehung des Planeten vom Weltall aus, genauso wie die Entstehung der Menschen beobachte und dann mit einem Planwagen den ersten Siedlungsort aussuchte. Zwei bis sechs, vom Computer gesteuerte Völker, taten es ihm gleich und der Kampf um Rohstoffe fing an. Wo das ebenfalls die Beschreibung für eine Partie Command & Conquer hätte sein können, war das Civilization Spielgeschehen selbstverständlich deutlich komplexer. Die Bebauung des Landes führte zu Lebensmitteln, Rohstoffen und Handelswaren. Rohstoffe wurden benutzt um die Stadt mit Tempeln, Militär oder Weltwundern auszustatten und Waren erzeugten automatisch Handelswege zu benachbarten Städten. Gab es nicht arbeitendes Volk, so konnte das zu Steuereintreibern, Albert Einstein oder Elvis mutieren und dadurch den Geldvorrat sowie Fortschritt vorantreiben oder Revolten unterdrücken. Kurzum man spielte Gott und das machte süchtig.
Wild Bill wusste dieses Mal was ihn erwarten würde. Deshalb lud er Eric Dott zum Mittagessen ein und überredete ihn, dass sowohl Microprose als auch Avalon Hill in ihre Civilization Packungen einen 5$ Rabattschein für das jeweils andere Spiel legten. Eric hätte um 10% bitten können und es sicherlich auch gemacht, wenn er gewusst hätte, was für ein Durchbruch Civilization werden würde, aber an dem Mittag tat er es nicht. Tatsächlich dauerte es einige Zeit, bis Civilization durchstartete. Die Veröffentlichung im Dezember 1991 verlief normal. Erst einige Monate später, in dem Moment wo die Verkaufszahlen normalerweise einbrachen, legte Civilization zu. Es verhielt sich proportional zu Microprose anderen Spielen und erreichte nach viereinhalb Jahren 850.000 Verkäufe.

Wäre es anders gelaufen und hätte das einer ahnen können, hätte Wild Bill den Börsengang vielleicht hinausgezögert. Denn normalerweise bereiten sich Firmen auf den Börsengang vor und versuchten dafür gut dazustehen. MicroProse gelang das nicht und somit wurden die zwei Millionen Aktienanteile für 9$ das Stück gehandelt. Nicht ganz der Schub, den Bill sich erhofft hatte, Aber auf der Haben-Seite brachte es Microprose zumindest aus den roten Zahlen. Auf der Soll Seite hingegen bedeutete die Aktiengesellschaft quartalsweise Gewinnaufstellungen und das erzeugte wiederum Druck bei der Spieleprogrammierung sowie weniger Raum für Kreativität.

Ungeachtet dessen arbeitete Geoff Crammond in Großbritannien an seinem zweiten Rennspiel. Microprose war auf die gleiche Idee wie Acornsoft gekommen und verhandelte mit McLaren über eine Mögliche Formel 1 Lizenz. McLaren war zu dem Zeitpunkt eines der Top Teams mit Ayrton Senna und Alain Probst als Fahrer. Als Geoff von dem Plan hörte, begann er augenblicklich mit der Programmierung einer komplett neuen Engine für sein Formula One Grand Prix. Er hatte bereits die Silverstone Strecke fertig und gerade sein erstes Meeting mit McLaren, als er erfuhr, dass die Lizenz nicht zu Stande kam. Nichts desto trotz hielt MicroProse an der Entwicklung des Spiels fest. Formula One Grand Prix benutzte so zwar die echten Farben der Rennwagen, jedoch nicht die Namen und Helmfarben der offiziellen FIA Lizenz. Neben Fantasienamen, die auf Mario Andretti o.ä. anspielen sollten, baute Geoff ebenfalls MicroProse Mitarbeiter wie Rob Davies oder Mark Scott als Fahrer ein. F1GP war erst der zweite Polygon-basierende Rennsimulator samt Physik-Engine und bot im Vergleich zum ersten, dem drei Jahre älteren Indianapolis 500 von Papyrus, 16 Strecken. Außerdem ermöglichte es dem Spieler eine komplette Rennsaison zu spielen. Formula One Grand Prix oder World Circuit, wie es in den USA betitelt wurde, war ein gewaltiger Erfolg mit 90% Wertungen. Es heimste Preise für das beste Sportspiel und die beste Simulation des Jahres ein. Geoff Crammond entwarf in den folgenden Jahren drei Grand Prix Nachfolger, die dank des ersten Erfolges tatsächlich die FIA Lizenz bekamen.

Einen Monat vor dem Formula One Grand Prix Release, im Dezember 1991, bekam Wild Bill einen Anruf von Gillman Louie, dem Geschäftsführer von Spectrum Holobyte. Robert Maxwell, der Inhaber des britischen Mirror Group Zeitungsimperiums, war auf seiner Luxusjacht ums Leben gekommen. Da Spectrum Holobyte zu Mirrorsoft, einer Tochter des Milliardenimperiums gehörte, standen sie durch Maxwells Tod kurz vor der Pleite. Als Bill hörte, dass Gillman sein neustes Spiel, Falcon 3.0, deshalb nicht veröffentlichen könne, lieh er Gillman ohne zu zögern 400.000 Dollar. Die Finanzspritze rettete Ende 91 Spectrum Holobyte.

Einen Monat später, im Januar 1992, als F1GP also längst auf dem Markt war, ließ sich Wild Bill vom neuen MicroProse Aufsichtsrat zu einer Auszeit überreden. Er stellte neue Geschäftsführer für die USA und Europa ein und überließ ihnen zusammen mit dem Aufsichtsrat die Kontrolle der Firma. Sie hatten zwar keine Ahnung von Videospielen, aber verstanden ihr Geschäft was Zahlen anging. Außerdem hatte Bill sein Interesse an Golf entdeckt. So dachte er sich, er dürfe sich nach neun Jahren eine Auszeit von einem halben Jahr ruhig gönnen. An für sich konnte auch nichts schief gehen, denn MicroProse hatte spezielle Bonus-Verträge. Wenn ein Spiel wie geplant fertig wurde, erhielt das Entwicklerteam eine Prämie. Auf diese Weise strengten sich alle besonders an, wenn der Release-Termin näher rückte. Für Bills Auszeit waren 10 Veröffentlichungen geplant gewesen, als er letztlich im September 1992 von seiner Sabbatzeit zurück kam, war keins der Spiele erschienen! Es stellte sich heraus, dass sein neu ernannter Geschäftsführer das Bonusprogramm geändert hatte. Statt der Endprämie nutzte er es nun für bezahlte Überstunden. Die Programmierer bekamen also mehr Geld ohne jegliche Form von Druck. Microprose hatte innerhalb von neun Monaten kein einzige neues Spiel herausgebracht und das bei wohlgemerkt 500 Angestellten. Bill feuerte seinen Geschäftsführer augenblicklich und versuchte so viele Projekte wie möglich noch bis zum Jahresende abzuschließen. F-15 Strike Eagle III war eines davon. Es erschien am 13. Dezember, ganz knapp vorm Weihnachtsgeschäft.

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