Microprose – Wild Bill und die SMUGGERS

by Pandur

Ein weiteres dieser Spiele war Darklands. Im Falle dieses Spiels lag das Problem jedoch nicht am Ansporn, sondern weil MicroProse sich einfach verschätzt hatte. Zur Zeit der Spielautomaten-Produktion hatten Gunship Programmierer Arnold Hendrick und Jim Synoski, der ebenfalls den ersten MicroProse Angestellten gehörte, mit dem Verweis auf Origins Ultima Reihe Bill überzeugt ein Rollenspiel entwickeln zu dürfen. Aber das Duo hatte noch nie selbst ein Rollenspiel programmiert. Selbstverständlich waren sie mit der Theorie vertraut, schließlich hatte Arnold Hendrick zahlreiche taktikorientierte Brettspiele für Avalon Hill entworfen, aber niemandem bei MicroProse waren Programmgrundlagen bekannt, wie das derartige Spiele für gewöhnlich auf einer Datenbank aufbauten. Deshalb gingen sie gänzlich anders an Darklands heran. Was ebenso für das Setting galt. Arnold hatte Militärgeschichte studiert und wollte mit Darklands Einblicke in die Geschichte der Erde vermitteln, statt das typische Fantasy Setting mit Orks und Trollen zu wählen. Da das Spiel jedoch Fantasy-ähnliche Waffen wie Äxte, Morgensterne oder Armbrüste bieten sollte, kam nur das 14. und 15. Jahrhundert in Frage. In Frankreich und Großbritannien tobte zu der Zeit der Hundertjährige Krieg. Deshalb wurde der Austragungsort Deutschland oder besser gesagt das heilige römische Reich. Damit der Spieler jedoch nicht nur gegen Menschen antrat, band Darklands die Fabelwesen ein, an welche die Menschen zu der Zeit glaubten, wie den Tatzelwurm oder Drachen. Da Magie dadurch gleichzeitig Tabu war, bot Darklands stattdessen ein Alchemie-System, mit dem der Spieler Tränke brauen und als Waffe einsetzen konnte. Kleriker beteten hingegen zu Heiligen um Wunder. Das gesamte Charaktersystem war eher ungewöhnlich. Die vier erstellbaren Gruppenmitglieder folgten keinem Klassensystem, sie durchliefen bei der Erstellung hingegen Ausbildungen. Je mehr es wurden, desto älter wurde der Charakter und entsprechend gebrechlicher. Fähigkeiten im Umgang mit Waffen stiegen im Spielverlauf gezielt durch den Gebrauch dieser. Kämpfe liefen immer in Echtzeit ab, boten aber wie bei den heutigen BioWare Rollenspielen eine Pause-Funktion, um Befehle zu erteilen. Was Darkland somit als erstes Rollenspiel überhaupt machte. Zudem war es bei Rollenspielen der Zeit in Städten üblich, dass der Spieler in einer Obenansicht umherwanderte. Darklands ließ den Spieler hingegen über Menütexte zu Geschäften laufen und mit den Leuten darin handeln. Das Spiel kann generell nur als sehr ungewöhnlich aber dennoch äußerst gelungen beschrieben werden.
Als Bill von seinem Sabbatjahr zurückkam, war Darklands fasst drei Jahre in Produktion und hatte bereits drei Millionen Dollar gekostet. Ein für die damalige Zeit äußerst hoher Preis. Wie viele andere Spiele, musste es sofort auf den Markt, weshalb eine Vielzahl von Sandbox-Quests über Bord gingen. Das schlimmste an der übereilten Veröffentlichung war jedoch, dass das Spiel einen Game-Stopper-Bug in den Dungeons hatte, den Microprose erst nach sechs Monaten fand. Niemand konnte Darklands durchspielen und fasst jeder brachte es ins Geschäft zurück. Die eigentlich geplante Amiga Version wurde deshalb nie fertiggestellt. Darklands erschien nur für den PC und markierte gleichzeitig Anfang und Ende von Microprose Rollenspielentwicklung.

Ein Jahr zuvor hatte Bill außerdem beschlossen MicroProse Produktpalette auszuweiten. Lucasfilm Games hatte mit Adventures wie The Secret of Monkey Island oder Indiana Jones and the last Crusade das ausgelutschte Text-Adventure-Genre dank Point and Click wieder attraktiv gemacht. MircoProse wollte von diesem Kuchen ebenso ein Stück abhaben. Unter der Leitung von Matt Gruson entstand das MicroProse Adventure Development System kurz MADS, was eine starke Technologiebasis mit spannendem Content und gutem Design verbinden sollte. Der erste Spross dieser Adventure-Reihe war Rex Nebular and the Cosmic Gender Bender. Es ließ sich vermutlich am ehesten mit Sierra On-Lines Space Quest vergleichen. Ähnlich wie Roger Wilco wurde Rex Nebular’s Raumschiff abgeschossen und crashte auf Terra Androgena. Dort hatte eine Biowaffe die gesamte männliche Bevölkerung ausgelöscht und die verbliebenen Frauen benutzten einen „Gender Bender“, um kurzzeitig ihr Geschlecht zu ändern und sich gegenseitig zu befruchten. Der Spieler musste somit zunächst einen „Gender Bender“ finden, damit Rex zur Frau werden konnte. Rex Nebular bot neben einem wählbaren Schwierigkeitsgrad, der die Anzahl der Puzzles erhöhte, ebenso einen „Nice“ oder „Naughty“ Modus, wodurch die eine Sexszene des Spiels und das Blut ein- oder abgeschaltet werden konnte. Ähnlich Lucasfilms SCUMM System unterteilte das MADS den Bildschirm und zeigte im unteren Abschnitt neben den Verben ebenso das Inventar an. Während damit die üblichen Kommandos über den linken Mousebutton erstellt werden konnten, führte ein Rechtsklick Standardmäßig betrachten aus. Je nachdem worüber sich der Pointer befand, konnte es jedoch ebenso zu Gehe mutieren. Matt Grusons Team entwickelte eine Rotoscoping ähnliche Animationstechnik, die es ermöglichte Videoaufnahmen ins Spiel zu übertragen, wodurch die Charaktere, gegenüber den konkurrierenden Adventures, eher wie gefilmt erschienen. MicroProse ließ sich bei der gesamten Entwicklung nicht lumpen. Sie stellten Kenn Nishiuye als künstlerischen Leiter ein, der für Sierra bereits zahlreiche Quest for Glory sowie Conquest Adventures gezeichnet hatte und die äußerst amüsanten Computer-Logs schrieb Steve Meretzky, der damals durch unzählige Infocom Adventures zur Legende geworden war. Trotz guter Bewertungen, einem November Release pünktlich zum Weihnachtsgeschäft 1992 und deutlich weniger Bugs als Darklands, erlangte Rex Nebular nicht den von MicroProse angestrebten Erfolg. Matts Team wagte mit Return of the Phantom und Dragonsphere noch zwei weitere Anläufe auf den Adventure Markt, bevor MicroProse die Entwicklung einstellte und die Technologie an Sanctuary Woods verkaufte.

Bill versuchte währenddessen einen Geldgeber für MicroProse zu finden. Denn jedes ihrer Spiele kostete sie ca. zwei Millionen Dollar und das würde MicroProse gegen Mitte 1993 Pleite gehen lassen. Im April 1993 sah es so aus, als wenn er einen Käufer gefunden hätte. Bedauerlicherweise lief etwas bei der Erfassung des Inventars schief und vergraulte somit GE Capital. Auf der Sommer CES 93 bekam er dann ein Angebot von Gillman Louie, dem Bill bei Falcon 3.0 finanziell ausgeholfen hatte. Spectrum Holobyte wollte expandieren und ohnehin einen ähnlichen Hintergrund. Der einzige Haken war, Spectrum Holobyte war deutlich kleiner. Sie setzten pro Jahr gerade mal 6 Millionen Dollar um und MicroProse mehr als 50 Millionen. Also holten Gillman und Bill zusammen die Investmentfirma Kleiner Perkins ins Boot. Diese kaufte beide Firmen und überließ die MicroProse Leitung Spectrum Holobyte.

Wild Bill verabschiedete sich direkt nach Vertragsunterzeichnung am 21. Juni 1993 von MicroProse. Auch wenn er aus Steuerrechtlichen Gründen noch ein Jahr Teilhaber blieb. Er gründete 1995 Interactive Magic, wohin ihm einige ehemalige MicroProse Mitarbeiter wie Arnold Hendrick folgten. In der MicroProse Tradition beschränkte sich die Spielpalette von Interactive Magic auf Militär-Simulationen wie WarBirds oder iM1A2 Abrams.

Spectrum Holobyte schloss währenddessen mehrere Microprose Studios und entließ in England sowie den USA mehrere Mitarbeiter. Zu deren Glück expandierte zeitgleich Psygnosis. Das MicroProse Stroud Studio wurde beinahe komplett von Psygnosis übernommen und produzierte unter neuer Flagge actionreichere Spiele mit Simulationsfaktor wie G-Police.

Andy Hollis, quasi Microprose zweiter Angestellter und ebenso ehemaliger SMUGGER, wechselte nach der Übernahme zu Origin Systems im Austin und führte dort die Tradition der Militärsimulationen mit der AH-64D Longbow Reihe fort.

Lawrence Schick, der Sword of the Samurai schrieb, an Silent Service sowie Pirates beteiligt war und für MicroProse zuletzt am Dragonsphere Adventure mitarbeitete, wechselte zunächst zu Magnet Interactive Studios, wo er am Adventure Chop Suey beteiligt war und ist heute Loremaster für Bethesdas The Elder Scrolls Online.

Sid Meier’s Civilization Entwicklungspartner Bruce Campbell Shelley, half hingegen bei der Gründung der Ensemble Studios und designte dort die Age of Empires Reihe. Die es auf drei Spiele plus vier Erweiterungssets sowie den Spin-Off Age of Mythology brachte.

Sid Meier selbst blieb noch zwei Jahre bei MicroProse, um sein Colonization fertigzustellen. Er schenkte MicroProse ebenso Civilization 2, bevor er mit Firaxis wieder eine eigene Firma gründete.

Einzelnachweise:

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