Rare Historie – Die Könige des Spielhallen-Dschungels

by Pandur
https://www.youtube.com/watch?v=gmytJ02HSvQ

Rare Manchesters nächstes Spiel, sollte Anfang 1989 Fleapit fürs „Razz Board“ werden. Das Razz Board war der Grund für die Namenswahl ihrer US Niederlassung gewesen. Denn Rare Coin-It sollte hauptsächlich Chris Spielautomaten promoten. Er hatte auf Basis des weitverbreiteten Z80 Prozessors eine eigene 64-Farben-Spielhallenplatine mit einem 14-Stimmen Yamaha Sound Chip entwickelt. Der Hintergrund dieser Eigenentwicklung war, es ZX Spectrum oder C64 Programmierern leichter zu machen eigene Games für gewinnbringende Automaten zu produzieren. Johns und Stes Fleapit sollte einer der Beispiel-Titel werden. Eine rot-gelbe Körperteile-verschleudernde Spielfigur mit Henkersmaske stand im Mittelpunkt des Jump’n’Runs. Dank der großzügigen Farbpalette der Razz Boards kämpfte sich Held Plok in bester Super-Mario-Manier durch die kunterbunten Polyesta- und Seide-Welten, auf der Suche nach seiner Lieblingsfahne. Die Kombination der fliegenden Körperteile, zur Bezwingung von Flöhen sowie anderen Gegner, gepaart mit kleineren Rätsel-Einlagen, erweckte sogar das Interesse von Shigeru Miyamoto. Doch zur Zeit des Super Mario World Releases wäre es eine zu große Konkurrenz zu Nintendos Maskottchen gewesen. So ging Plok samt seiner Fleapit unter, als Chris‘ Razz Boards sich ein Jahr nach Entwicklungsbeginn nicht durchgesetzt hatte. Rare Coin-It wurde in Folge dessen schlicht in Rare Inc. umfirmiert. John und Ste veröffentlichten ihr Jump’n’Run jedoch drei Jahre später über Tradewest als Plok auf dem Super Nintendo.

Abgesehen von eigenen Ideen, verdiente Rare sich eine goldene Nase mit Portierungen gewinnbringender Titel auf das NES. Die Palette reichte von Epyx Games Reihe (California Games, World Games usw.) bis hin zu Microprose Simulationen und Strategiespiele, wie z.B. Silent Service oder Pirates!. Mark Betteridge hatte 1989 Ataris Marble Madness aufs NES konvertiert. Die winzigen isometrischen Bausteine verleiteten ihn dazu eine Engine zu schreiben, die verschwindend geringen Speicher für die Grafik einnahm. Aus diesem Vorhaben entstand Anfang 1990 Snake Rattle ’n‘ Roll, ein Pseudo-3D-Jump’n’Run. Die beiden Spieler manövrierten darin die Schlangen Rattle und Roll durch 11 isometrische Level. Oder besser gesagt deren Köpfe, denn zum Level-Beginn bestanden Rattle ’n‘ Roll jeweils aus einem Schlangenkopf. Das Ziel lag darin, auf dem Weg zum Ausgang ausreichend Nibbley Pibbleys zu fressen, um den Schlangenkörper wachsen und blinken zu lassen. Ab der blinkenden Schlangenlänge, war es dem Spieler möglich den Ausgang zu betreten. Ungünstigerweise fiel gerne mal ein Amboss vom Himmel oder eine Bombe zerfetzte die Schlange. Woraufhin alles von Vorne anfing. Rares Konzept, von um die Ecke springenden Schlangen, ging nicht gänzlich auf. Zwar überzeugten die 50er Jahre Rock’n’Roll Songs, die dank Marks Grafikkomprimierung auf dem Modul viel Platz fanden und auch das äußerst sanfte Scrolling begeisterte Viele, aber selbst der „NES Excellence Award“ verleitete nur ein paar Hunderttausend zum Kauf des Moduls.

Doch derartig hohe Verkaufszahlen reichten Rare Anfang der 90er völlig aus. Schließlich gingen ihre Spiele meist auf einen Programmierer und einen halben Grafiker zurück. Um sämtliche Musikstücke von Rares 41 NES Spielen kümmerte sich dabei stets David Wise. Bei ihm konnte also ebenso maximal von einer halben Stelle pro Spiel gesprochen werden. Denn im Jahr 1989 brachte Rare es auf einen Rekord von 17 NES Spielen. Da Nintendo Drittfirmen die Veröffentlichung von lediglich fünf NES Spielen pro Jahr gestattete und auch ihre Aufträge an Rare nicht viel größer ausfielen, hatten sich die Stampers neben Acclaim ebenso Milton Bradley, Gametek, Tradewest und Konami als Vertriebspartner gesucht.

Fürs Weihnachtsgeschäft 1990 hatte Rare zwei weitere Geschicklichkeitsspiele in petto: Solar Jetman und Digger T. Rock.
Solar Jetman: Hunt for the Golden Warpship war der quasi dritte Spross ihrer Jetpac Reihe aus ZX Spectrum Zeiten. Die Stampers hatten diesen Franchise zwischenzeitlich an ihre Manchester Zweigstelle weitergegeben. Letztere ließen unzählige neue Einflüsse ins Spiel fließen, was Solar Jetman zum besten Teil der Reihe machte. John und Ste hatten früher mit Begeisterung Durell Softwares Scuba Dive und später FTL’s Oids gespielt. Beide Ursprünge spiegelte Solar Jetman deutlicher wieder, als seine eigenen Wurzeln. Das seitlich scrollende Defender Gameplay wich einem Acht-Wege-Scrolling mit Asteroids Steuerung. Der Clou war jedoch das Physik-System des Spiels. Mit Schiffsdrehungen und Abfeuern der Schubdüsen des Raumschiffs, musste der Spieler eine Art Schwebeposition erreichen, von der aus er dann das Schiff zum Feuern der Geschütze ausrichten konnte. Selbstverständlich drehten sich die extrem angewachsenen Level erneut darum Schiffsteile und Treibstoff zu bergen. Jeder Gegenstand besaß aber ein anderes Gewicht und bremste das Schiff entsprechend aus oder schleuderte wild umher. Gerade wenn der Spieler die Mechanik ein mal raus hatte, überraschte der nächste Planet mit gänzlich veränderter Gravitation. Ein Umstand, an dem Programmierer Steve Hughes unglaublich lange arbeitete, denn der NES Prozessor war gar nicht in der Lage die mathematischen Berechnungen in einer Millisekunde zu realisieren. Ein weiteres Feature, was das Gameplay deutlich aufbesserte war Stes Idee des Raumschiffs als zweites Leben. Der Spieler startete mit besagtem Schiff, kassierte bei Kollision Trefferpunkte- bzw. Treibstoff-Verlust und explodierte sein Schiff, blieb der bekannte Jetman zurück. Jetman konnte zwar ohne Schiff keine Bauteile transportieren, besaß aber genauso viele Trefferpunkte wie das Schiff und konnte somit zurück zur Basis fliegen, wo ein neues Schiff auf ihn wartete. Außerdem lockerte Rare Manchester das Gameplay durch kurze, handgemalte Zwischensequenzen auf, die das Erreichen eines neuen Planeten zeigten.
Entgegen dem typischen Rare Entwicklungskonzept verschlang Solar Jetman zweieinhalb Leute und das für ein volles Jahr. Was die Kosten auf ca. 30.000$ hochschraubte. Nichts desto trotz rechneten die Pickfords mit einem enormen Gewinn. Doch ungeachtet seiner durchschnittlich 94% Reviews zum Weihnachtsgeschäft verrotteten die Module in Tradewests Lagerhaus. Der einzige Lichtblick war Nintendos späteres Bundle des NES in Europa mit dem Spiel. Von der Gewinnbeteiligung sahen die Pickfords jedoch kaum etwas. Rare zahlte ihnen 13 Cent Gewinnbeteiligung pro verkauftem Modul, obwohl die Stampers selbst ca. 3$ einstrichen. Ein Umstand, welcher John und Ste Pickford nach dem Spiel bei Rare aussteigen ließ. Während ihre alten Angestellten weiterhin das Rare Manchester Büro bevölkerten, schlossen sich die Pickfords Software Creations an und veröffentlichten parallel selbst Spiele über Acclaim Entertainment.

Für Digger T. Rock arbeiteten Tim und Chris erneut mit Andy Walker zusammen. Einem Programmierer aus ihren Zilec Electronics Zeiten. Chris hatte damals einen Galaxian Automaten so umgebaut, das auf ihm Andys The Pit lief. Ein Action-Game bei dem sich der Spieler von seinem UFO aus unter Zeitdruck zu Diamanten durch buddelte, herabstürzenden Felsen auswich und Angreifer niederstreckte. Andy war zwischenzeitlich eher für C64 Spiele wie Super Pipeline oder Bozo’s Night Out bekannt, arbeitete sich aber ebenso in die NES Materie ein. Ähnlich wie die frühen Sage VI Workstations nutzte Andy einen Amstrad PC als Entwicklungssystem. Tim unterstützte ihn wie immer mit seinen Zeichenkünsten und Chris beim Level-Design. Das Trio zeichnete Wand-große Papierkarten der zukünftigen Level, um jeden Felsbrocken und jeden Geheimgang explizit planen zu können. Dadurch wurde Digger T. Rock eine Mischung aus The Pit und Super Mario Bros. Auf der Suche nach einer mysteriösen verschollenen Stadt, grub sich der Spieler mit seinem Sparten durch acht immer umfangreicher werdende Level. Es war der Nervenkitzel des Erkundens, was Digger T. Rock großartig machte. Neue Höhlenabschnitte mit einer Sprengung freilegen, Leitern in ungewisse Gefilde hinab lassen, oder für Wurfgeschosse mit dem Sparten an der Decke zu kratzen, Digger verkörperte Spielspaß ohne Ende. Zusätzlicher Nervenkitzel kam auf, sobald der Spieler die Säule fand, welche den Ausgang öffnete. Damit startete das Indiana Jones artige Wettrennen. Zwar flüchtete Digger nicht vor einem rollenden Felsen, aber der Zeitdruck, des sich wieder schließenden Ausgangs, ließ den Spieler schnell mal Hindernisse übersehen oder in den Tod stürzen. Der Dezember 1990 Release machte Digger T. Rock zu Rares gewinnbringendsten NES Spiel des Jahres.

You may also like

Cookies sind für die korrekte Funktionsweise einer Website wichtig. Wir verwenden diese zur Personalisierung von Inhalten und Anzeigen, zur Einbindung von sozialen Medien sowie für Zugriffsanalysen auf unsere Website. Mit der Nutzung unserer Dienste erklärt ihr euch damit einverstanden, dass wir Cookies verwenden. Klickt auf "Ich stimme zu" um dies zu akzeptieren oder lest "Datenschutzeinstellungen" zu den von uns verwendeten Arten von Cookies. Ich stimme zu Datenschutzeinstellungen