Remedy Entertainment – Die verdorbenen Träume der finnischen Future Crew

by Pandur

Das galt jedoch leider nicht für Remedys ursprünglichen Initiator Samuli Syvähuoko. Er hatte schon fünf Mal seine Wehrdienstzeit verschoben, war nun mittlerweile 26 und als die sechste Aufforderung kam, musste er die Remedy-Führung an Petri abgeben. Das gut ein Jahr vor dem Max Paynes Release. Samuli verlor dadurch den Anschluss an die Entwicklung und wählte nach Beendigung seines Wehrdienstes einen anderen Weg. Er gründete Fathammer, die über 30 Spiele für die damals boomenden PDAs produzierten und ihre selbst entwickelte X-Forge Engine an andere Firmen vergab. Fathammer war das weltweit erste Studio, das eine Engine mit 3D Technologie zur Lizenzierung bereitstellte. Aber langfristig hatte Samuli aufs falsche Pferd gesetzt. Der tatsächliche Renner wurden parallel Java Games. Zehn Jahre später, kamen 3D Engines für Mobilgeräte in Mode, aber Anfang des Jahrtausends war die Zeit noch nicht gekommen.

Für Samuli war es deshalb aber kein totales Verlustgeschäft gewesen. Er sammelte auf der Assembly 2006 neue talentierte Leute ein und gründete sein nunmehr drittes Studio: Recoil Games. Ihr erstes Spiel sollte Earth No More werden. Ein postapokalyptisches Action-Adventure, das sich am besten mit The Last of Us vergleichen lässt. Das Grundkonzept von Earth No More war, dass die Natur sich selbst klein hielt. Wann immer ein Lebewesen einen evolutionären Vorsprung vor den anderen gewann, sorgte der natürliche Verteidigungsmechanismus der anderen für die Ausrottung des Emporkömmlings. Die Menschheit hatte sich dieses Makels zwar entledigt, aber sich dadurch die gesamte Umwelt zum Feind gemacht. Samuli erzählte seinem alten Bekannten Scott Miller davon, welcher sofort darauf ansprang und Samuli Geld gab, um einen Prototypen zu entwickeln. Recoil Games lizenzierte Epic’s Unreal Engine und erschuf eine beeindruckende Welt mit dynamisch wachsenden Tentakeln. Doch durch den damals neuen Boom der finnischen Spiele-Industrie war es für Samuli sehr schwer neue Mitarbeiter zu finden. Es ging nur schleppend voran. Als es letztlich soweit war, fand er sich in der Position wieder, 60 Leute managen zu müssen, worin er keinerlei Erfahrung hatte. Recoil Games brauchte volle zwei Jahre, um den Prototypen fertigzustellen. Recoil verlor 3D Realms als Publisher und unzählige Mitarbeiter gingen bereits wieder, weil sie keine Zukunft in Earth No More sahen. Samuli demonstrierte den Prototypen auf jeder europäischen Messe, um einen neuen Publisher zu finden. Aber mit der Eurofinanzkrise im gleichen Jahr war keiner gewillt Geld in die junge Firma mit ihrem AAA-Titel zu stecken.

Die finnische Konkurrenz von Housemarque und RedLynx hielten sich mit Spielen für die Xbox und Playstation Download-Dienste über Wasser. Samuli schätzte, dass er ein ähnliches Spiel selbst mit den verbliebenen 16 Mann, schnell realisieren könne und es dafür deutlich einfacher sein würde, einen Publisher zu finden. In gerade einmal acht Wochen hatte Recoil Games eine Demo auf Basis der Unity Engine zusammengestellt. Sechzehn Firmen interessierten sich für ihr neues Rochard und Sony bot Recoil von allen den besten Deal an. Sie bezahlten die Entwicklung im Voraus und eine angemessene Umsatzbeteiligung, lediglich mit der Prämisse der Playstation Exklusivität. Doch als das Spiel fertig war und auf seine Veröffentlichung im Playstation Store wartete, setzte der nächste Schicksalsschlag ein. Das PSN wurde gehacked und Sony musste ihren Online-Store zwei Monate vom Netz nehmen. Als Rochard sich anschließend durch die Warteschlange gearbeitet hatte, bekam es seitens Sonys keinerlei Werbung und ging mit knapp 15.000 Verkäufen in der Buchstaben-Halde unter. Wegen der früheren Exklusivität hatte Microsoft keinerlei Interesse an einer Xbox Version. Somit blieben als letzte Einnahmequellen der PC und Mac. Rochard verkaufte sich auf allen Plattformen zusammen ungefähr 350.000 Mal. Obwohl sich das nach einer Menge anhört, reichte es nicht aus, um die Firma zu retten. Bei den Schulden, die Recoil Games angehäuft hatte, hätten es mindestens eine halbe Million sein müssen. Für Remedys und Recoils Gründer war es das Ende in der Spiele-Industrie.

Remedy Entertainment, nun unter der Leitung von Petri Järvilehto, machte sich im direkten Anschluss des Max Payne Releases an den zweiten Teil. Durch den finanziellen Erfolg des ersten Spiels, mit einem deutlich höheren Budget, wodurch alles größer und umwerfender wurde. Die MAX-FX Engine bekam ein Upgrade in Form von Havoc Physiks, wodurch Kisten nun wegflogen oder runter fielen, wenn sie von Geschossen getroffen wurden. Versteckte sich der Feind hinter einer Trennwand, konnte der Spieler diese mit einer Granate in die Luft jagen. Was ebenso ein neues Feature war. Denn Max Payne konnte nun neben seiner Standardwaffe stets eine Sekundärwaffe in Form von Molotov Cocktails o.ä. parallel einsetzen. Der spielerisch größte Unterschied wurde jedoch die veränderte Bullet Time. Während sie im ersten Teil die Zeit stoppte, dabei den Spieler in Echtzeit zielen ließ und sich nach Töten einer bestimmten Gegnerzahl wieder auflud, verlangsamte sie in Max Payne 2 die Zeit und ließ den Spieler sich normal bewegen. Mit jedem erledigten Feind, wurde das Spielgeschehen noch langsamer und agierte so wie eine Superkraft.

Die Comichaften Zwischensequenzen behielt Remedy bei, weil es weiterhin eine günstige Form der Erzählung war und den gewünschten Film Noir Charakter gut repräsentierte. Normale 3D animierte Sequenzen hätten ohnehin bei Änderungen der Story zu aufwändigen Konsequenzen geführt. Max Payne 1 hatte seine Geschichte bereits durch Flashbacks erzählt, die am Ende begannen und sich bis zu Maxs aktueller Lage vorarbeiteten. Die Flashbacks sowie den Film Noir Charakter behielt Max Payne 2 bei, erzählte dabei dieses Mal jedoch die Liebesgeschichte zwischen Max und der Attentäterin Mona Sax. Diese durfte der Spieler im Geschichtsverlauf ebenfalls kurzzeitig verkörpern. Damit Max Payne 2 nicht zu schwierig wurde, implementierte Remedy eine KI, welche die Gegner weniger effektiv machte, falls der Spieler sich zu doof anstellte und ihm gleichzeitig mehr Pain Killer zur Verfügung in den Weg legte. Erst nach dem Durchspielen wurden die anderen Schwierigkeitsgrade freigeschaltet, zusammen mit zwei weiteren speziellen Spielmodi: der New York Minute und Dead Man Walking. Wie bei Film Noir Love Stories üblich, nahm diese nie ein gutes Ende. Der Spieler musste Max Payne 2 drei Mal und somit auf dem höchsten Schwierigkeitsgrad durchspielen, um tatsächlich einen guten Ausgang zu erzielen. Sam Lake war erneut fürs Schreiben der Love Story verantwortlich, dieses Mal jedoch nicht mehr das Spiegelbild des Helden. Durch das neu gewonnene Kapital, engagierte Remedy professionelle Schauspieler. Weshalb Timothy Gibbs statt Sam der neue Max Payne wurde.
Remedy benutzte zur Erzählung außerdem zusätzlich Musik. Finnlands Cello Metal Band Apocalyptica steuerte Stücke bei und Sam Lake schrieb selbst die Lyrics für den „Late Goodbye“ Song des Spiels. Sie gehörten thematisch zum Spiel und gaben so Story-Elemente in einer kurzen Spielsequenz wieder. Die mit Remedy befreundete Band „Poets of the Fall“ performte den Song fürs Spiel. Er wurde gleichzeitig deren Debüt Single im Frühling 2003.

Max Payne 2 erhielt beim Release im Oktober 2003 eine 86 Punkte Durchschnittswertung und wurde mit unzähligen Auszeichnungen überhäuft. Hauptsächlich wegen der außerordentlich gelungenen künstlerischen Gestaltung. Beide Max Payne Spiele zusammen verkauften über 8 Millionen Exemplare. Was die Remedy Mitglieder reich machte, war jedoch der Umstand, dass Rockstar Games bzw. deren Mutterkonzern Take Two die Max Payne Rechte für 10 Millionen Dollar plus 970.000 Aktienanteilen kaufte. Außerdem finanzierte Rockstar die Max Payne 2 Entwicklung an sich mit 8 Millionen Dollar. Take Two verkaufte später die Filmrechte weiter, was 2008 zu einem gleichnamigen Film Noir Action Thriller mit Mark Wahlberg in der Hauptrolle führte. Er spielte weltweit 85 Millionen Dollar ein. Außerdem setzte Rockstar Games die Spielreihe 2012 mit Max Payne 3 fort, was sich im ersten Jahr ebenfalls vier Millionen Mal verkaufte.

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