Sierra On-Line – Ken und Roberta Williams‘ Grafik-Adventures

by Pandur

Mystery House war Ken’s kostengünstige Herangehensweise an Robertas Wunsch der Spielentwicklung gewesen. Nun da er wusste, dass damit tatsächlich Geld zu verdienen war, schuf er neue Tools, um Robertas Ideen Realität werden zu lassen. Während sie sich von Tolkien zu ihrem zweiten Adventure The Wizard and the Princess anregen ließ, schrieb Ken seine erste wiederverwendbare Engine. Durch sie war der Befehlsinterpreter getrennt von den Abenteuern, die sich beliebig austauschen ließen. Was für ihn genau so wichtig wurde, war die Verbesserung der Grafik. Ken schrieb ein rudimentäres Malprogramm, das sich über die beiden Apple II Paddles steuern ließ und das Zeichnen von farblich füllbaren Flächen ermöglichte.
Rückblickend sollte auch The Wizard and the Princess nicht als inhaltlich gutes Spiel betrachtet werden. Es spielte im Königreich Serenia, wo der böse Zauberer Harlin Prinzessin Priscilla gekidnappte. Ihr Vater, König George, versprach dem tapferen Helden, der sie aus der Burg des Zauberers befreite, sein halbes Königreich als Belohnung. Spielerisch begann das Abenteuer mit einem Labyrinth in der Wüste und endete mit einem Burg-Labyrinth. Zwischendurch gab es konfuse Rätsel, wie die Zugbrücke der Festung mit einer Trompete herunter zu lassen. Die Irrgärten waren der Hauptgrund, warum es überhaupt eine halbe Stunde dauerte, um The Wizard and the Princess durchzuspielen. Nach den Maßstäben von Ron Gilberts späterem Adventure-Regelwerk oder auch Graham Nelsons damaliger “Player’s Bill of Rights”, verstieß The Wizard and the Princess gegen so ziemlich jede Regel eines guten Spiels. Aber das innovative Konzept und die für damalige Verhältnisse gute Grafik, machten es dennoch zu einem Verkaufsschlager. Es erschien gerade mal vier Monate nach Mystery House und verkaufte mehr als 60.000 Exemplare.

Es folgten weitere Adventures wie Time Zone, The Dark Crystal, Cranston Manor und Ulysses and the Golden Fleece. Diese und die vorangegangenen Spiele vermarktete Sierra Online quasi selbst. Damals gab es weder Online-Shops noch hatten Kaufhäuser Computerspiele im Programm. Die einzigen Verkäufer solcher Spiele waren kleine Computerläden, die häufig einfach Produkte lokaler Programmierer anboten. Es gab nur wenige Ausnahmen. Im Fall von Apple II Software war Programma International eine solche Ausnahme. Sie vertrieben Software im größeren Stil und waren Kens erster Anlaufpunkt gewesen. Doch die 25 Prozent Beteiligung, die sie für diesen Dienst forderten, erschienen Ken zu hoch. Deshalb schnappte er sich Mystery House sowie Skeet Shoot, was ein Freund von ihm programmiert hatte und ging damit bei den unzähligen kleinen Läden in der Los Angeles Umgebung Klinken putzen. Ken rief zudem seinen Bruder in Illinois an und ließ ihn selbiges tun. Wenige Monate später schloss sich Ken für den Vertrieb mit seinem Konkurrenten Scott Adams von Adventure International zusammen, um mehr Fläche abdecken und mehr Spiele anbieten zu können. Es dauerte nicht lange, bis Ken die zeitgleiche Programmierung und der Vertrieb zu viel wurden. Deshalb verkaufte er den Vertriebsarm an seinen Freund Robert Leff für schlappe 1.300$. Diese kleine 1980 gegründete Firma namens SoftSel, wurde im Laufe der nächsten Jahre zu einem Multi-Milliarden Dollar Unternehmen, was den amerikanischen Vertrieb von Soft- und Hardware gänzlich neu gestaltete und Publishern wie Broderbund oder Electronic Arts eine dominante Marktstellung bescherte. Für das Ehepaar Williams bedeutete Softsel aber zunächst, dass sie sich keine Gedanken mehr um die Vermarktung ihrer Spiele machen brauchten.

Anderthalb Jahre nach ihrem Start, waren Roberta und Ken Williams die neuen Stars der Computerspiele-Industrie. Magazine bettelten ebenso um Interviews wie Fernsehsender. Jeder wollte sie für sich gewinnen. Das galt ebenso für Branchenriesen wie Muppets Erfinder Jim Henson oder Walt Disney. Angebote mit deren Franchises Spiele zu entwerfen, flatterten nur so herein. Gleichzeitig bettelten große Investmentfirmen sie an, ihr Geld zu nehmen. Ende 1982 klopfte sogar die damals größte Firma der Welt, IBM bei ihnen an und fragten, ob sie Software für IBM PCs machen könnten. Ken ging auf viele der größeren Angebote ein, eingeschlossen der Investition von TA Associates. Auf diese Weise erhielt Sierra Online nicht nur in kürzester Zeit 10 Millionen Dollar, es wuchs auch auf gut 100 Angestellte und die Firma änderte ihre Richtung. Angestachelt von ihren Geldgebern produzierte Sierra Steckmodule mit Actionspielen. Dank Ataris VCS waren sie schon seit Jahren der Renner und neue Systeme wie der Commodore VIC-20, Texas Instruments 99/4A oder der Coleco Adam könnten die neuen Platzhirsche werden. Durch die höheren Produktionskosten, war es ein höheres Risiko, aber auf die Module passte weniger drauf, was in kleineren Spielen resultierte und weniger Arbeit bedeutete.
Sierra On-Line war augenscheinlich nicht mehr aufzuhalten. Ken und Roberta heuerten 1982 einen Architekten an, der ihnen für 800.000$ eine 1.000m² große Holz-Villa im Kalifornischen Redwood baute.

Doch dann geschah das Unerwartete. Jack Tramiel gewann den großen Computer-Krieg von 1983, was Texas Instruments vom Markt verdrängte. Gleichzeitig war es aber ebenso das Aus von seinem eigenen VIC-20 und sämtlichen Steckmodul-basierenden-Videospielsystemen. Atari vergrub daraufhin bekanntermaßen Zig-Tausende E.T. Module in der Wüste. Commodore war zwar der Sieger, denn ihr C64 gewann die Oberhand, aber für Sierra On-Line war es der Ruin. Der Aufsichtsrat riet den Williams ihre Firma zu verkaufen. Sie hatten sogar schon einen Käufer gefunden. Die Lernsoftware-Firma Spinnaker aus Boston. Ken war bereit Sierra On-Line aufzugeben, aber Roberta ließ Spinnaker bei ihrem Meeting schon in der ersten Minute abblitzen. In Folge dessen flog Ken aus dem Aufsichtsrat seiner eigenen Firma. Roberta übernahm Vollzeit die Buchhaltung und von einem Tag auf den anderen schrumpfte ihre Belegschaft von über 100 auf 12 Leute zusammen. Das Pärchen bezahlte wieder alles aus der eigenen Tasche. Was bedeutete, sie brauchten ihre Ersparnisse auf und überzogen ihre Kreditkarten, um die letzten Angestellten behalten zu können.

Sierras Rettung nahm durch IBM Form an. Der Niedergang der Spielkonsolen hatte den Williams auf dem Computerspielsektor nicht geschadet. Ken Williams und Programmierer-Kollege Jeff Stephenson flogen nach Florida, um mit der IBM Führung eine Partnerschaft für den Launch deren neuen PC Juniors auszuhandeln. Unter den Vorschlägen war sowohl ein grafisch orientiertes Textverarbeitungsprogramm für Kinder namens HomeWord als auch Robertas neuestes Spiel King’s Quest. Aber IBM bat speziell um etwas mit einer komplexeren Welt wie Ultima oder Wizardry. Es sollte multiple Lösungen für die Puzzles bieten und durch verschiedene Wege Wiederspielbarkeit fördern. Ken’s und Jeff’s Vorschlag war erneut bahnbrechend. Mit den neuen 128 KB Speicher, entgegen den bisherigen 48 und 64 KB würden sie ein Adventure mit Bildschirmfüllenden Grafiken realisieren, in dem der Spieler einen Avatar per Joystick über den Screen steuerte. Befehle würden weiterhin an der Tastatur eingegeben werden müssen, aber sie würden nur in Abhängigkeit des Avatars zu verwendbaren Objekten funktionieren. Ebenso wie die Spielfigur selbst, sollten andere Kreaturen durch die Welt laufen, mit denen sich der Spieler anfreunden oder die er in Action-Einlagen bekämpfen könnte. IBM war zwar nicht gänzlich überzeugt, dass Sierra es schaffen könnte, finanzierte die Produkte jedoch mit 700.000$.

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