LucasArts hatte die enorme Marktdominanz ihrer Adventures nicht nur dem neuen Point-and-Click-System zu verdanken, sondern ebenso der simultanen Übersetzung ihrer Spiele in diverse Sprachen. Sierra Online vermarktete ihre Spiele zwar ebenfalls nebenbei in Europa, das jedoch nur in englisch. Aber 1993 fing Ken mit der Eroberung der restlichen Welt an. Er kaufte das Pariser Studio Coktel Vision. Die Franzosen waren wie Sierra selbst Hersteller von Adventures und Lernsoftware. Zu ihren Hits zählten Spiele wie Gobliiins, Geisha oder Inca. Einhergehend mit dem letzten Kauf und dem 15-jährigen Jubiläum der Firma, strukturierte Ken Sierra um. Er verlagerte den Firmenhauptsitz nach Bellevue in Washington, wo Sierra dank der Nähe zu Seattle leichter Mitarbeiter gewinnen konnte. Der bisherige Firmensitz in Oakhurst wurde in Yosemite Entertainment umbenannt. Die drei anderen Studios Dynamix, BrightStar Technologies und Coktel Vision blieben bei ihrer Spiele-Entwicklung weiterhin unabhängig, die Verpackungsherstellung und Vermarktung lief jedoch gebündelt über das Hauptquartier nahe Seattles.
Der rasante Absatz von Teil VI hatte bewiesen, dass King’s Quest offensichtlich immer noch Sierra’s Flaggschiff war. Mit den neuen Möglichkeiten der Multimedia Revolution wollte sich Roberta ihren Traum eines Disney Zeichentrickfilms erfüllen. Die gesamte Computerspiele-Industrie orientierte sich zu der Zeit an Hollywood und Roberta war da keine Ausnahme. Nach der Special Effects Firma Kronos Digital Entertainment fragte sie dieses Mal bei Pixar an, ob die bei der Verwirklichung ihres Traums helfen könnten. Robertas Bitte wurde von niemand geringerem als Apple Gründer Steve Jobs abgelehnt. Doch davon ließ sich Roberta nicht entmutigen. Dieses Mal schrieb sie die Story zusammen mit Buch-Autorin Lorelei Shannon. Es war mittlerweile eine Tradition bei Sierra geworden, dass neue Designer in Paarung mit den erfahrenen Spiele entwarfen. Ihr Ansatz für den siebten Teil war etwas mit Cartoonartigen Charakteren und verrücktem Humor zu kreieren. Wodurch sechs neue Länder wie Ooga Booga Land, der Gummi-Dschungel oder das Wolkenland entstanden. Sierras Künstler zeichneten erneut sämtliche Hintergründe per Hand. Die Animationen sämtlicher Figuren, welche fünf Mal so zahlreich wie bei jedem bisherigen Adventure wurden, verteilte Sierra hingegen auf vier unterschiedliche Animationsstudios auf der ganzen Welt. Eines von ihnen war im Übrigen Animation Magic Inc. in St. Petersburg, Russland, die Jahre später das WarCraft Adventure für Blizzard Entertainment zeichneten. Damit die Unterschiede nicht direkt erkennbar waren, definierte Sierras Marc Hudgins einen Disney artigen Zeichenstil mit der Farbgebung von Aladdin. Ferner unterteilten Roberta und Lorelei das Spiel in acht Kapitel mit unterschiedlichen Themes, die dann jeweils einem Studio zugewiesen wurde. Um den Stil eines Zeichentrickfilms weiter zu unterstützen scrollten die Orte des Spiels nun seitlich. Die Vollbild-Animationen des Intros und Extros wirkten noch etwas pixelig, aber das Spiel selbst erstrahlte zum ersten Mal in Super-VGA.
King’s Quest VII: The Princeless Bride führte gewissermaßen den Rosella Geschichtszweig von Teil vier fort. Königin Valanice belehrte ihre Tochter Rosella beim Spaziergang im Wald, wie wichtig es sei einen Gatten zu finden. An einem Fluss haltend kam Rosella ein Seepferdchen aus dem Wasser entgegen geschossen, wodurch sie ein magisches Portal darin entdeckte und hinein sprang. Valanice eilte ihr hinterher, doch beide kamen an unterschiedlichen Abschnitte des Eldritch genannten Landes heraus. Nicht nur das, Rosella verwandelte sich bei der Ankunft außerdem in einen Troll. Wie üblich steckte hinter dem teuflischen Plot erneut ein böser Zauberer. Genauer gesagt, dieses Mal eine Zauberin. Enchantress Malicia, einst eine Fee, wurde aus dem Himmel verbannt und wollte sich dafür rächen. Sie verhexte den von Rosella in Teil IV geretteten Edgar in den Trollkönig und verstieß den echten König vom Thron.
Roberta designte für das Spiel eine neue Benutzeroberfläche. Der Spieler brauchte nicht mehr per Klick durch die verschiedenen Aktionen rotieren, sondern nur noch Gegenstände aus dem Inventar ziehen, wenn er sie benutzen wollte. Alles andere machte der Pointer von selbst. Wann immer etwas benutzbar war und der Spieler darüber fuhr, begann der Pointer zu blinken. Wodurch selbst Kinder spielend leicht damit umgehen konnten. Als sich Kid’s Quest VII Weihnachten 1994 näherte und noch nicht alle Animationen fertig waren, beschloss Ken zwei der ursprünglich acht geplanten Kapitel zu streichen. Wodurch das Spiel ein Viertel kürzer als Teil 6 wurde und der Auftritt von König Graham weg fiel. Sierras Zeichner vervollständigten selbst die Animationen für das nun letzte sechste Kapitel. Das senkte gleichzeitig in so fern die Produktionskosten, dass das Spiel nun auf eine einzige CD passte. King’s Quest VII hatte erneut hohe Hardware-Anforderungen. Weshalb Sierra Verträge mit Partnerfirmen wie Compaq abschloss. Welche es mit ihren neusten Multimedia-PCs bundelten. Trotzdem verkaufte es sich nicht so gut wie sein Vorgänger. King’s Quest 7 überschritt erst fünf Jahre später die 400.000 Verkäufe Marke, die Teil sechs in der ersten Woche erreichte. Den Kritiken zur Folge gefiel vielen Fans schlichtweg der Disney-artige Zeichentrickstil nicht.
1995 war Sierra gut 700 Mitarbeiter stark. Allein 200 Leute kümmerten sich um Roberta Williams nächstes Spiel, was ausnahmsweise kein King’s Quest Teil war. Das Jahr markierte den Höhepunkt der interaktiven Filme. Adventure Konkurrent Access Software produzierte ihre Tex Murphy Reihe mit Under a Killing Moon und The Pandora Directive, Origin Systems hatte Wing Commander mit Teil 3 zu einem Film werden lassen und Roberta wollte etwas ähnliches bewerkstelligen. Ken hatte ihr für Phantasmagoria ursprünglich ein Budget von 800.000 Dollar genehmigt. Aber bereits der Bau des Sierra eigenen Filmstudios an ihrem Yosemite Standort kostete die Firma 1,5 Millionen Dollar. Von da an kamen Kosten für die viermonatigen Dreharbeiten und Special-Effects von The Character Shop hinzu, bevor er überhaupt die Programmierung anfing. Am Ende würde Sierra 4,5 Millionen Dollar für Phantasmagoria hinblättern.
Roberta war immer ein Horrorfilmfan gewesen und hatte auch schon unzählige Male mit dem Konzept eines Horror Spiels begonnen. Sie war zuvor jedoch immer auf technische Probleme gestoßen. 1993, als sich die CD-ROMs etabliert hatten, sah sie ihre Gelegenheit. Sie ließ sich zunächst ein halbes Jahr von Horrorfilmen der verschiedensten Autoren inspirieren und entschied dann, sich vor allem an Werken von Stephen King und Edgar Allen Poe zu orientieren. Ihre Idee für Phantasmagoria drehte sich um eine Frau, deren Ehemann sich zu einem bizarren Haus hingezogen fühlte, das zuvor einem Illusionisten gehörte und von Geistern heimgesucht wurde. Dieses Setting kombinierte Roberta mit Elementen moderner Fiktion und 50er Jahre Horrorfilmen.
Der Phantasmagoria Spieler verkörperte Adrienne Delaney, die kurz nach dem Einzug in das New England Anwesen von Albträumen heimgesucht wurde. Bei genauer Untersuchung des Anwesen entdeckte sie eine kleine Kapelle hinter einer zugemauerten Feuerstelle. Als Adrienne das verschlossene Kästchen auf dem Altar öffnete, ließ sie ohne ihr Wissen Carno’s Dämon frei, der sofort Besitz von ihrem Mann ergriff. Von da an begann eine Reihe furchterregender Morde. Hortencia wurde im Gewächshaus mit Dünger zum Schweigen gebracht und dann mit Gartenwerkzeugen aufgespießt. Victoria wurden die Augen mit einer Weinflasche entfernt usw. Phantasmagoria ging für Sierra Verhältnisse gänzlich neue Wege. Es beinhaltete sogar eine Vergewaltigungsszene, die Roberta partout nicht entfernen wollte, weil diese ihrer Meinung nach ausschlaggebend für die Gesamtgeschichte war. Das Spiel löste den ein oder anderen Streit zwischen Ken und Roberta aus. Nicht nur wegen dem Budget.
Spielerisch war es das typische Point-and-Click-Adventure, was das gleiche Interface wie King’s Quest 7 benutzte. Aber im Gegensatz zu Zeichentrickanimationen verwendete es vor Green-Screen gefilmte Schauspieler, die vor über 1.000 mit Silicon Graphics Software berechneten Hintergründen agierten. Adrienne war immer im Bild und er Spieler konnte sie normal laufen, sich umsehen, Gegenstände aufheben oder welche aus dem Inventar einsetzen lassen. Damit der Spieler kleine Objekte nicht übersah, pulsierten sie zusätzlich zu den sichtbaren Verwandlungen des Pointers.
Phantasmagoria war in beinahe jeder Hinsicht ein Meilenstein für Sierra, der volle zwei Jahre Entwicklungszeit kostete. Am 24. August 1995, dem gleichen Tag an dem Microsoft ihr Windows 95 auslieferte, erschien es endlich für besagtes Windows und MS-DOS. Es war von zwei auf stolze sieben CD-ROMs angewachsen. Sierra hatte es unzählige Male verschoben und umfangreich als das größte jemals von ihnen produzierte Spiel beworben. Die Produktionskosten spielte Phantasmagoria bereits am ersten Wochenende wieder ein. Sierra verkaufte in den wenigen Tagen 300.000 Exemplare, was 12 Millionen Dollar entsprach. Ein halbes Jahr später waren es doppelt so viele. Letztlich sollten es mehr als 1.000.000 Verkäufe werden. Das hatte noch kein Sierra Spiel zuvor erreicht!