Psygnosis war nun ein reiner Publisher im vollen Besitz von Ian Hetherington und Jonathan Ellis. Sie zogen vom Stahlwerk-Hinterhof in das South Harrington Building um. Ein Dock neben dem Beatles Museum. Ihre optisch spektakulär aussehenden Spiele zogen immer mehr freie Entwickler an und ließen neue Studios in ganz Europa entstehen. So vertrieb Psygnosis 1990 u.a. z.B. Atomino, ein auf Atomen basierendes Knobelspiel vom Düsseldorfer Studio Blue Byte. Mit DMA Design, Reflections Interactive und WJS Design, was 1988 bereits Baal für Psygnosis gemacht hatte und 1990 mit Anarchy einen weiteren Shooter produzierte, hatte Psygnosis bereits drei verlässliche Partner. Denen sie obendrein Konvertierungsaufgaben eines jeweils anderen Studios zuteilten konnten. DMA Design machte Portierungen von Reflections Shadow of the Beast, Wayne J. Smithson Design Konvertierungen von DMAs Blood Money usw.
Von Bruce Everiss, Imagine Softwares General Manager, hatte Ian Hetherington außerdem einen äußerst wichtigen Grundsatz gelernt. Generell immer bessere Absatzwege als die Konkurrenz zu haben. Was bedeutete, Psygnosis vertrieb ihre Spiele bereits von Anfang an in sämtlichen rentabel wirkenden Ländern. Neben dem amerikanischen Markt, wo Mindscape die Vermarktung übernahm, war Psygnosis in großen Teilen Europas präsent. 1989 machten die Verkäufe in Frankreich und Deutschland bereits 60% von Psygnosis gesamten Umsatz aus.
Die In-House Künstler, verbunden mit einzelnen örtlichen Programmierern, führten von 1990 an zum Start vieler neuer und erfolgreicher britischer Studios. Ein gutes Beispiel dafür war Psygnosis Plattform Shooter The Killing Game Show von Martyn Chudley. Es bekam dank Jim Bowers das typische Psygnosis Render-Intro und grandios aussehende In-Game-Grafiken. Martyn Chudley programmierte es in Psygnosis Büro, blieb jedoch autark. Für sein zweites Spiel Wiz ’n‘ Liz: The Frantic Wabbit Wescue tat er sich mit Mike Waterworth zusammen, wurde so zunächst als Raising Hell Software bekannt und 1994 dann zu Bizarre Creations. Die wiederum als Partner von Psygnosis die Formula One Reihe ablieferten.
Obwohl Psygnosis 1990 bereits für beeindruckende Grafiken berühmt war, war der Großteil ihrer Spiele inhaltlich immer eher bescheiden. Doch 1991 brachte DMA Desgin ihnen sowohl den finanziellen Durchbruch als auch eines der wenigen spielerisch guten Produkte: Lemmings. Ein Puzzlespiel in welchem der Spieler die blöden Lemminge davon abhalten musste stupide in den Tod zu laufen, in dem ihr ausgewählten Lemmingen spezielle Fähigkeiten gab. Lemmings verkaufte 15 Millionen Exemplare. Natürlich nicht auf dem Amiga, in dessen Deluxe Paint es entstanden war, sondern auf sämtlichen Plattformen zusammen. Psygnosis schlachtete diesen Franchise zunächst mit DMA Designs Hilfe und anschließend selbst sowie anderen Studios über Jahre hinweg aus. Dieser finanzielle Schub hatte erneut eine Änderung bei Psygnosis zur Folge, denn sie gründeten die Advanced Technology Group, die sich wiederum Spiele entwickelte. Aber dazu später mehr. Zunächst müssen noch ein paar andere externe Titel Erwähnung finden.
Ein ebenfalls wichtiger Bestandteil der Psygnosis Geschichte war Jon Burton, der 1989 Traveller’s Tales gründete und sein erstes Spiel, Leander ebenfalls über Psygnosis veröffentlichte. Ein Plattformer, der den Shadow of the Beast Spielen recht ähnlich sah und bei dem der Spieler als Ritter Leander den Zauberer Thanatos erledigen musste, um Prinzessin Lucanna zu befreien. Leander bestand aus drei Welten mit je sieben Leveln, in denen der Spieler Coins für Ausrüstungskäufe und einen spezifischen Gegenstand pro Level einsammeln musste.
Für den Werdegang von Psygnosis wenig relevant, aber dennoch zweifellos grafisch das Aushängeschild der Firma war Agony. Das belgische Art & Magic Team hatte gerade für Ubisoft Unreal fertiggestellt und demonstrierten das Stolz auf der European Computer Trade Show 1991 der Öffentlichkeit, wo Psygnosis an sie heran trat. Der horizontale Shooter Agony bekam genau wie Shadow of the Beast das typische Parallax Scrolling und einen Soundtrack von Tim Wright. Aber das markantestes war zweifellos, dass der Spieler Psygnosis Symbolfigur, die Eule, steuerte. Agony wurde die einzige Zusammenarbeit zwischen den Art & Magic und Psygnosis. Das belgische Team wurden danach zu Appeal, die Outcast programmierten.
Im gleichen Jahr, in dem Agony erschien gab es vom Gütersloher Thalion Software Lionheart. Ein Plattformer, der den typischen Psygnosis Games zum Verwechseln ähnlich sah. Warum also nicht gleich die Deutschen anheuern? Die ehemaligen Thalion Mitarbeiter Henk Nieborg und Erwin Kloibhofer programmierten für Psygnosis 1994 die Missadventures of Flink und zwei Jahre später den Lemmings Spin-Off The Adventures of Lomax.
Und bevor es mit den Psygnosis Eigenentwicklungen weiter geht, sei noch ein letztes Spiel von einem heute berühmten Studio erwähnt: Benefactor. Ein Plattform-Puzzle-Spiel, das versuchte an den Erfolg von Lemmings anzuknüpfen und von Digital Illusions Computer Entertainment entwickelt wurde. Sie wurden 2004 von Electronic Arts aufgekauft und sind heute bessere bekannt als die Battlefield Macher DICE.