An diesem Punkt dürfte deutlich sein, dass Sony Psygnosis nicht einfach aufgekauft hatte, um sie zu verschlucken oder zu einem bestimmten Produkt zu zwingen. Sony kaufte die Firma wegen ihrem Entwicklertalent und ließ Psygnosis in der Beziehung gänzlich freie Hand. Außerdem wollten sie natürlich von Psygnosis Vertriebswegen profitieren. Für all das pumpte Sony Unmengen finanzieller Mittel in Psygnosis. Was zu einem enormen Wachstum des 1993 noch sehr kleinen Entwicklerteams führte. Psygnosis gelang dieser Sprung auf einige hundert Entwickler, in dem sie Microstudios in ganz Großbritannien eröffneten, jeweils da wo sich Talente befanden. Auf diese Weise hatte das Liverpooler Studio im Juni 97 zusätzliche neun Microstudios mit je ca. 60 Mitarbeitern. Eines dieser Microstudios war das Stroud Studio. Als Microprose im Dezember 1993 mit Spectrum Holobyte verschmolz, schlossen sie zwei ihrer kleineren Studios, u.a. im Süden Englands. Psygnosis eröffnete dort in direkter Folge ihr Studio und fing so die gesamte Belegschaft auf. Diese 70-köpfige Gruppe programmierte G-Police. Ein actionlastiger Luftkampfsimulator der stark von Ridley Scotts Blade Runner inspiriert wurde, was die ATG in ihren früheren Jahren ebenfalls versuchte als Videospiel umzusetzen. Die Microprose-Einflüsse, die genau zum Zeitpunkt der Studioschließung versuchte ihre Simulationen mehr ins Arcade Genre zu drängen, sind in G-Police allgegenwärtig.
G-Police spielte auf dem Jupiter Mond Callisto, auf den sich die Bevölkerung nach Ausschöpfung der Erden-Resourcen ausgeweitet hatte. Während große Firmen der Regierung die Kontrolle über die Erde abnahmen, versuchte die Goverment Police die Ordnung in den Kolonien aufrecht zu erhalten. Als ein solcher G-Police Offizier in einem Havok Jet-Helikopter versuchte der Spieler, in der Rolle von Slater, neben der Bekämpfung von Gangs den Tod seiner Schwester aufzuklären.
G-Police war kein reines Ballerspiel. Der Spieler bekam in den Missionen zwar oft genug Bombenabwürfe zugeteilt und durfte Dogfigts mit anderen Flugzeugen austragen, aber er musste Fahrzeuge sehr häufig zunächst scannen, um herauszufinden ob sie freundlich oder feindlich waren. G-Police bot während der 35 Missionen eine Force-Feedback-Unterstützung für Joysticks oder Controller, 3D Sound und eine extrem gute Grafikqualität für die damalige Zeit. Psygnosis verkaufte über 2 Millionen Exemplare von G-Police, weshalb der Nachfolger G-Police: Weapons of Justice umgehend in Produktion ging.
Den Psygnosis Spielen des Stroud Studios konnte man die Microprose-Herkunft wahrlich ansehen. Parallel zum ersten G-Police entwickelten sie ebenfalls Overboard! Ein charmantes Abenteuerspiel, bei dem der Spieler eine Galeone aus der Draufsicht steuerte. Mit diesem Schiff feuerte er etwas Actionreicher als in Pirates auf eine große Vielfalt von Gegnern und löste kleine Puzzles. Die abwechslungsreichen Level waren vom Cartoon-Humor des Spiels geprägt und schlossen weniger realistische UFO-Entführungen ebenso wie Papageiangriffe ein. Zudem bot Overboard einen 5-Spieler-Multiplayer-Modus mit extra dafür designten Arenen, bei dem der Schiffkampf so richtig entbrannte.
Psygnosis versuchte mit ihren Spielen sämtliche Genres abzudecken. Während die neuen 3D Kapazitäten der damaligen Konsolen überwiegend durch Prügelspiele wie Tekken oder Autorennen wie Ridge Racer und die Psygnosis eigenen Rennenspielen natürlich dominiert wurden, fiel Designer Mike Ellis auf, dass es dem Konsolenmarkt an Weltraumkampfsimulationen mangelte. Chris Roberts hatte dieses Genre mit seiner Wing Commander Reihe auf dem PC seit 1990 groß gemacht. Aber auch wenn Wing Commander 4 beinahe zeitgleich mit Colony Wars auf der Playstation erscheinen würde, war diese Spielgattung dort äußerst selten vertreten und spiegelte nur selten Hochgeschwindigkeits-Dogfights wieder. Mike Ellis, der bereits seit Aquaventura 1992 für Psygnosis tätig war und zuletzt Krazy Ivan designt hatte, wollte das mit Colony Wars ändern. Er schrieb eine Geschichte einschließlich Konzept zusammen, unterbreitete es der Psygnosis Führung und Wipeout Designer Nick Burcombe empfahl ihm Chris Roberts als leitenden Programmierer. Wobei es sich bei diesem um einen Psygnosis Programmierer mit dem gleichen Namen wie dem Wing Commander Erfinder handelte. Aber eine Weltraumkampfsimulation programmiert von einem Chris Roberts. Was konnte da schon schief gehen?
Ähnlich dem ersten und letzten Wing Commander Spiel entwarf Mike Ellis für Colony Wars eine nicht-lineare Handlung, die zu fünf verschiedenen Enden des Spiels führen konnte. Der Spieler manövrierte eines von sieben verschiedenen Liga der Freien Welten Schiffe, die von Jägern bis zu Bombern variierten und diverse Lasertypen, Raketen, Torpedos, EMP Kanonen und eine Greifer-Kanone zum Einfangen wichtiger Ziele einschlossen. Da auf der PC Konkurrenz 3D Beschleuniger-Grafikkarten gerade erst in Mode kamen, wirkten die gigantischen Mutterschiffe und das generell rasante Playstation Gameplay sehr ansprechend. Colony Wars heimste eine Durchschnittswertung von 92% ein. Es wurde mit einer halben Millionen Verkäufe nicht der erfolgreichste neue Franchise von Psygnosis, das Vakuum, was die gleichzeitig endende Wing Commander Reihe von Origin hinterlassen hatte, veranlasste die Liverpooler jedoch zwei Nachfolger zu produzieren. Für welche Psygnosis die Weltraumschlachten mit größeren Planetenhintergründen versah und zusätzlich Dinge wie Wurmlöcher und Missionen auf Planetenoberflächen implementierte.