Einige Jahre zuvor, zum Anbeginn des Internets und vor allem vorangetrieben durch Einwahldienste wie „AOL“ oder „CompuServe“, hatten sogenannte MUDS – Kurzform für Multi-User-Dungeons – kleine Fangemeinden gebildet. Richard hatte bereits bei AOL und Kesmai angefragt, ob Interesse bestünde, seinen etabliertes Ultima Franchise als MUD zu lizenzieren. Da diese jedoch nicht auf Zustimmung gestoßen war, beschloss er 1994 die Sache selbst in die Hand zu nehmen. Er unterbreitete sein Multima Konzept Electronic Arts. Doch der Konzern fundierte sämtliche Geschäftsentscheidungen auf Verkaufs-Prognosen bisheriger Spiele und MUDS hatten bis dahin nur 5.000 bis 15.000 Spieler an sich gebunden. EA gestand Richard ein, dass sein Produkt vielleicht doppelt so viele Exemplare verkaufen würde, damit aber längst nicht die Produktionskosten decken würde. Somit lehnten sie Multima ab. Richard unterbreitete EA den Vorschlag in Halbjahresabständen wieder, aber bekam nur zu hören, dass EA nicht überzeugt wäre, das Internet würde eine große Sache werden. Heute klingt das reichlich ironisch, aber zu dem Zeitpunkt gab es nicht mal 56K Modems und das Internet steckte tatsächlich noch in den Kinderschuhen. Als weitere Randnotiz sei erwähnt, dass EAs Gründer, Trip Hawkins, genau wie Richard den Markt anders einschätzte. Aber Trip hatte sich kürzlich aus dem EA Aufsichtsrat zurückgezogen. Trips zweiten Firma, die 3DO Company, lieferte mit Meridian 59 tatsächlich das weltweit erste MMORPG ab und schlug damit Origins Spiel um ein Jahr. Im Sommer 1995 ließ Richard bei seinem dritten Anlauf nicht locker. Bei seinem dritten Versuch die EA Geschäftsleitung zu überzeugen, drohte er nicht eher wieder zu gehen, bis EA nicht zumindest die Produktion eines Prototypen genehmigen würde. Larry Probst bewilligte letztlich 150.000$ für diesen. Richard engagierte ein paar bekannte MUDS Programmierer wie Ralph Koster oder Rick Delashmit und ein neunköpfiges Team begann aus dem Code von Ultima 6 eine Mehrspielerwelt zu bauen, die online zur Verfügung stehen sollte.
Ähnlich den bisherigen Ultima Spielen, simulierten sie, in dem nun Ultima Online: Shattered Legacy getauften Produkt, eine möglichst reale Welt. Nur dieses Mal für mehrere Spieler gleichzeitig. Was noch nie zuvor jemand gemacht hatte. Gras wuchs, ernährte dadurch Rehe und das lockte wiederum Wölfe an, die sich von ihnen ernähren wollten. Geschah das in er Nähe eines Dorfes, beschwerten sich die Bewohner bei Spielern über Wolf-Sichtungen und gaben ihnen automatisch Quests zum Jagen dieser. Gut ein halbes Jahr später, im April 1996 begann Origin Systems die Alpha Phase und einen Monat später, auf der E3 demonstrierten sie es erstmalig der Öffentlichkeit. Mit 3.000 Spielern testen sie Spieler-Behausungen, Fähigkeiten-basierenden Charakteraufstieg, PVP Kämpfe und ihre Herstellungsbasierende Öknomie. Gerade mal 50% ihrer geplanten Features entwickelten sich wie gedacht. Die Spielermassen hatten ungeplante Auswirkungen auf Ultima Onlines Ökologie. Statt wie geplant die Quests fürs Jagen der Wölfe zu bekommen, töteten Spieler Hasen, Rehe, Wölfe und jegliches andere kleine Getier. Was wiederum keine Nahrung für die Drachen zurückließ und die gewaltigen Monster plötzlich im Gegenzug von sich aus alle Spieler töteten. Zudem hatten sämtliche Kreaturen ein Aufstiegs- und Umbennenungssystem. Gewann beispielsweise ein Wolf gegen einen Spieler, wurde er zu einem Veteran Wolf, dann einem Scared Wolf, einem Elder Wolf usw. Gelang es einem Hasen hingegen, einem Wolf zu entkommen, stieg er ebenso auf. Während die Wölfe regelmäßig von Spielern getötet wurden, entwickelten sich die flinken Hasen stattdessen zu einer echten Plage. Was darin endete, dass Spieler von Elder Rabits gejagt wurden und UO zeitweise einem Monty Phyton MMO ähnelte. Origin hatte offensichtlich viel zu lernen, aber sie leisteten immerhin Pionierarbeit. Zur Zeit der Alpha hatte Origin zwischenzeitlich die 150.000$ aufgebraucht, was den bevorstehenden Beta-Test um so schwieriger machte. Denn das Spiel war weitaus größer als ein paar Disketten und ihnen fehlte das Geld, die CD-Produktion aus eigener Tasche zu bezahlen. Deshalb eröffnete Richards Team unter owo.com (origin worlds online) EAs und Origins erste Internetseite. Sie beschrieb das Ultima Online Spiel und bot einen Beta-Slot an, wenn die Bewerber 5$ für die CD-Produktion einsenden würden. Es dauerte nur einige Tage, bis alle 50.000 Beta-Slots vergeben waren. Origin hatte somit bereits fasst das doppelte des ursprünglichen Prototypen-Budgets bekommen. In dem Augenblick wurde Electronic Arts bewusst, dass hinter Richards Idee möglicherweise doch Kapital verborgen war. Sie schickten ihre Analysten zu Origin, um dem neunköpfigen Team genau auf die Finger zu schauen. Bis zum Sommer 1997 Release hatte EA mittlerweile sämtlichen Origin Projekten Leute abgezogen, um sie auf die Ultima Online Entwicklung zu verlagern. Das UO Team musste den Simulationsgehalt während der Beta drastisch zurückschrauben, denn selbstverständlich lernten Spieler schnell das System auszunutzen und der erste von Spielern ausgeübte Beruf wurde der des Diebes. Origin machte es den Spielern aber auch leicht. Es war damals tatsächlich möglich das Inventar anderer Spieler zu öffnen und Sachen daraus zu entnehmen. Ebenso ließ das bekannte Gegenstandplatzierungssystem zu, dass Spieler sich Leitern auf Häuserdächer bauten und so in diese einbrachen. Da die Serverleistung keine Gravitation zuließ, verschwand das Gegenstände-Fallen-Lassen-Prinzip somit nach einiger Zeit wieder aus dem Spiel. Am 24. September 1997, gerade mal zwei Jahre nach Projektbeginn, ging Ultima Online offiziell an Netz. Electronic Arts hatte dem Spiel ursprünglich eine Lebzeit von 6-8 Monaten prognostiziert. Tatsächlich ist das Spiel nun gut zwanzig Jahre online. Es verkaufte bereits im ersten Monat 150.000 Exemplare und in den folgenden zehn mal so viel wie alle vorangegangenen Ultimas zusammen! Es dürfte klar sein, dass Ultima Online somit das erfolgreichste Spiel war, was EA bis dahin jemals produziert hatte. Entsprechend groß wurde EAs Verlangen weitere MMORPGs zu produzieren. Allein bei Origin gab EA Wing Commander Online, Privateer Online, Crusader Online sowie Ultima Online 2 in Auftrag und weitere derartige Spiele bei ihren anderen Studios.
Origin Systems – Richard Garriotts Ultima und die Evolution der Rollenspiele
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