Mega Drive – Segas Sprint in den Himmel der Videospiele

by Pandur

Zum Jahresabschluss 1993 hatte Sega of America 5,5 Millionen weitere Genesis verkauft. Was sie auf 13,1 Millionen insgesamt, gegen Nintendos 11,3 Millionen brachte. Zusammen mit ihren 1,3 Millionen verkauften Mega CD Erweiterungen und weiteren Konsolen wie dem Game Gear und Master System, hielt Sega of America zwischenzeitlich 51% Marktanteil inne. Das wohlgemerkt mit einem deutlich geringeren Marketing-Budget als Sega of Japan, deren Marktanteil zu der Zeit gerade mal 15% betrug. Nintendo of Americas Einnahmen sanken in dem Jahr gegenüber dem Vorjahr um 24%. Zum ersten Mal seit wohl gemerkt zehn Jahren!
Toms Pläne für Sega sahen weiterhin Expansion vor. Er hatte 1993 einen Vertrag mit Time Warner abgeschlossen, der Mitte 1994 zu einem Sega Video Games Channel führen sollte. Keine Fernsehsendung, sondern über das Kabelnetz vertriebene Videospiel-Downloads. Ebenso liefen bereits Pläne an, Segas Next-Gen-Konsole, das Saturn als Set-Top-Box für Fernseher zu etablieren. Für dieses Vorhaben hatte Tom Microsoft an Bord geholt. Die nun ein Betriebssystem für das Saturn entwickelten, was die Brücke zu PCs, Kommunikationssoftware uvm. schlagen sollte. Er plante ferner über die USA verteilt 50 Virtual Reality Theme Parks zu errichten. Einen Vorgeschmack darauf gab das im Herbst 93 eröffnete Sega VirtuaLand in Las Vegas.

Nintendo war damals und ist bis heute ein Synonym für Kinderspiele. Das war jedoch nicht Nintendo selbst zu verschulden, sondern eine Folge von Segas Marketing, sich als Spieleproduzent fürs jugendliche und erwachsene Publikum zu etablieren. Segas „Welcome to the next level“ Werbekampagne hatte Nintendo damals als uncool und ungeeignet, für jeden älter als 10 war, abgestempelt. Ihre Werbespots beschrieben wie normale, langweilige Amerikaner, sich in Punks verwandelten, die abgedrehte Spiele liebten. Auch wenn 80% von Segas Käuferschicht älter als zwölf waren, fanden ihre Spiele ebenso den Weg in Kinderzimmer. Chris Andresen war ein solches Kind und sein Vater Bill rein zufällig der Stabschef von Senator Joseph Lieberman aus Connecticut. Als Bill Andresen die Spiele seines Sohnes näher betrachtete, die von Mortal Kombat, über Streets of Rage bis hin zu Sewer Shark und Night Trap reichten, schilderte er die grauenvoll brutalen Geschehnisse seinem Boss. Senator Lieberman war wiederum ein Freund von Senator Slade Gorton, der Hiroshi Yamauchi geholfen hatte die Seattle Mariners Baseballmannschaft zu kaufen. Über diese Brücke fand Senator Lieberman seinen Weg in Nintendos Büros und ließ sich von denen über die Machenschaften des bösen Konkurrenten Sega aufklären. Nintendo of Americas Anwalt, Howard Lincoln, rückte bei dem Gespräch Nintendos „Seal of Quality“ in den Vordergrund. Über das sie das Gewaltpotential ihrer Spiele regulierten, damit alles was fürs NES und SNES erschien, Kinderfreundliche Spiele waren. Joe Lieberman schrieb in Folge dieser Recherche am 17. November 1993 einen Brief an den Kongress, der am 9. Dezember zu einer fünfmonatigen Gerichtsverhandlung führte, welche sich primär gegen Sega und deren Vertrieb von Mortal Kombat sowie Night Trap richtete. Verglichen mit heutigen Horrorfilmen war Night Trap alles andere als brutal. Tatsächlich tötete der Spieler die Vampire des Spiels nicht mal, sondern fing sie lediglich mit Fallen ein. Das Spiel enthielt jedoch mehrere Game Over Sequenzen, in denen eine junge Dame im Nachthemd von Vampiren getötet wurden. Darauf fokussierte sich die Verhandlung. Mit Beginn des Gerichtsprozesses schossen Segas Night Trap Verkäufe für zwei Wochen in die Höhe. Ziemlich genau bis zu dem Zeitpunkt, an dem Sega es aus dem Verkehr ziehen musste.
Mortal Kombat II, was im Verlauf des Prozesses in die Spielhallen kam, spendierte Midway alternativ zu den „Fatality-Moves“ neue „Friendship-Moves“. Matches konnten von da an also friedlich beendet werden, wie in jedem anderen Beat’em’up auch. Offiziell endete das Verfahren im April 1994 mit der Einführung des „Entertainment Software Rating Boards“, kurz ESRB. Einer unabhängigen amerikanischen Institution, die fortan Videospiele anhand ihres Gewaltpotentials, sexuellen Inhalts und vielem mehr einstufte. Erhielt ein Spiel die höchste „Adults only“ Einstufung, durfte es in den USA nicht mehr verkauft werden.
In einem Telefonat zwischen Tom Kalinske und Hayao Nakayama zog letzterer am Ende der Verhandlung einen Schlussstrich unters Genesis. Er stellte die Konsole Sega intern bereits ein und wollte seine Firma mit dem Saturn neu aufstellen. Auf diese Weise markierte das Frühjahr 94, wo Sega einen Marktanteil von 54% erreichte, nicht nur ihre Sternstunde, sondern gleichzeitig den Wendepunkt des Hardware-Imperiums. Von nun an ging alles den Bach runter. Das Sega CD hatte sich mittlerweile als Flop erwiesen. Mit dem Release des 3DOs war das allgemeine Interesse an der Genesis Erweiterung zurück gegangen, da es technisch einfach nicht mithalten konnte. Sega hatte zum Jahresende 1993 bereits aufgehört neue hauseigene Spiele fürs Sega CD in Produktion zu geben. Das Sega Mars oder 32X, wie es beim bevorstehenden US-Release heißen sollte, steuerte auf eine ähnliche Zukunft zu und auch die Produktion des nächsten offiziellen Sonic Titels lief nicht 100%ig wie geplant.

Konkurrent Nintendo hatte Anfang 1993 StarFox für ihr System herausgebracht. Ein Rail-Shooter dessen 3D-Polygon-Grafik durch einen zusätzlichen SuperFX Chip im Modul berechnet wurde. Auf das selbe Prinzip setzte Yuji Nakas Sonic the Hedgehog 3. Das Modul sollte vollständig auf dem Sega Virtua Processor aufbauen, einer Zusatzchipvariante der Model 1 Hardware, die in Segas Virtua Racing Automaten steckte. Yuji wollte den Prozessor nutzen, um Sonic samt Umwelt in 3D zu berechnen und aus einer isometrischen Perspektive darzustellen. Ein halbes Jahr lang besuchten sie Meetings in Chicago, um Details über die technischen Kapazitäten des Prozessors zu lernen und schrieben bereits Code auf dieser Basis. Bis ihnen klar wurde, dass das SVP Entwicklerteam den Chip nicht vor dem Weihnachtsgeschäft fertigstellen würde. Also fingen sie Ende Juni 93 gänzlich von Vorne an und produzierten doch wieder ein zweidimensionales Sonic Abenteuer. Die Genesis Version von Virtau Racing wurde somit das erste Modul mit SVP. Was es aufgrund der hohen Herstellungskosten mit 100$ auch zum teuersten Genesis Spiel machte.

Der Hintergrund des Zeitproblems war, dass Sonic 3 zwingend im Februar 1994 ausgeliefert werden musste. Denn Sega hatte dafür die bislang teuerste und größte Werbekampagne in Gang gebracht. Segas Promotion Wunderkind, Tom Abramson, der für den Deal später tatsächlich mit dem „Event Person of the Year Award 1994“ ausgezeichnet werden würde, hatte eine Vermarktung zusammen mit McDonalds eingefädelt. McDonalds würde also im Februar Happy Meals mit Figuren von Sonic, Tails, Knuckles sowie Dr. Robotnik und Gewinncoupons für das Genesis Spiel verkaufen. Ein paar Plastikfiguren, die fliegen und fahren können, mag sich heute nach nicht viel anhören, aber für Sega war das damals ein gewaltiger Schachzug. Quasi der heilige Gral der Werbung.

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