Mega Drive – Segas Sprint in den Himmel der Videospiele

by Pandur

Während Branchenriesen wie Toy ‚R‘ Us und Target sich von Tom überzeugen ließen – schließlich war er der Mann, der ihnen Barbie und He-Man gebracht hatte – hatte sich Walmart als widerspenstig erwiesen. Mit ihren flächenintensiven Hypermärkten wuchs Walmart zu der Zeit zur größten Kaufhauskette Amerikas an. Ein Distributor, den sich Sega auf keinen Fall entgehen lassen durfte. Bewaffnet mit den beiden Konsolen, zum direkten Vergleich, marschierte Tom somit erneut in Walmarts Bentonviller Hauptquartier. Es dauerte nur wenige Minuten, dann hatte Walmart ihn wieder vor die Tür gesetzt. Tom durfte die beiden Konsolen nicht mal auspacken. Walmarts Chefs hatten von der immensen Nachfrage des Super Famicoms in Japan gehört und damit war deren Meinung bereits in Beton gemeißelt.
Auf dem Weg zurück zum Flughafen passierte Tom ein leerstehendes Ladenlokal. Beim Anblick des Ladens kam ihm die rettende Idee. Tom verwandelte Bentonville in Segaville. Er mietete besagtes Ladenlokal an und füllte es mit Fernsehern samt Genesis Konsolen. Auf diesen flimmerten Tag und Nacht Demos von Segas Spielen, allem voran Sonic the Hedgehog. Es dauerte immer noch ein paar Monate, aber irgendwann konnte Walmarts Geschäftsführung die Fragen der begeisterten Passanten nach der Konsole nicht mehr aushalten und lenkte ein.

Mit derartigen Schachzügen gelang es Tom Kalinske 1990 mehr als eine Million Sega Genesis Konsolen in den USA zu verkaufen. Was die Gesamtzahl der amerikanischen Haushalte auf ca. 1,5 Millionen anhob. Sega Japan hatte in dem Jahr 100.000 weniger verkauft. Womit das Mega Drive dort in 1,9 Millionen Haushalten stand. Eine Zahl die Nintendo mit ihrem Super Famicom in beinahe einem Monat erreichte! 1,44 Millionen Exemplare der neuen 16-Bit Konsole waren bis Ende 1990 über die japanischen Ladentheken gewandert. Das war aber noch ein Tropfen auf den heißen Stein, verglichen mit den NES Verkaufszahlen. Davon hatte Nintendo 1990 7,2 Millionen Stück in den USA verkauft. Was 3,4 Milliarden US Dollar allein durch die 8-Bit Konsole bedeutete. Außerdem hielten sie somit weiterhin einen Marktanteil von 85% – 90%!

Sonics Überschallgeschwindigkeit war auf Yuji Nakas ersten Prototypen zurückzuführen. Bei dem die Spielfigur einem Ball glich, welcher durch einen fortgeschrittenen Algorithmus wie eine Flipperkugel wirbelnd über den Bildschirm schoss. Yuji war bereits zu Master System Zeiten Segas Vorzeigeprogrammierer gewesen, der damals sämtliche Yu Suzuki Automaten (Space Harrier, Outrun, After Burner uvm.) aufs 8-Bit System portierte. Er zeichnete sich außerdem verantwortlich für Phantasy Star, woran er bereits mit Sonic Erfinder, Naoto Ohshima, gearbeitet hatte. Die Mega Drive Portierung von Ghouls ’n Ghosts hatte letztlich gezeigt, dass Yuji auch auf dem 16-Bit System zuhause war und Geschwindigkeit optimieren konnte. Die Tatsache, dass Igel sich zusammenrollen konnten, half dem Duo extrem bei der Verwandlung der Flipperkugel in eine Spielfigur. Auch wenn Igel normalerweise alles andere als für ihre Geschwindigkeit bekannt waren. Yuji war damals selbst ein Fan der Super Mario Reihe gewesen. Aber etwas, das ihn an Shigeru Miyamotos Klempner störte, war dessen Laufgeschwindigkeit. Ständig wünschte er sich, schneller durch die Level kommen zu können. Schließlich musste der Spieler bei jedem Einschalten der Konsole wieder von Vorne durch alle Level und konnte nicht da weiter machen, wo er zuletzt aufgehört hatte. Deshalb legte Yuji Marios Renngeschwindigkeit als Standard-Geh-Geschwindigkeit von Sonic fest. An dem Punkt stellte sich ihm die Frage, wie Sonics Level aussehen sollten. Eine Aufgabe mit der Zeichner Naoto und Level Designer Hirokazu Yasuhara acht Monate zubrachten. Da Sonic the Hedgehog sowohl das heimische Publikum als auch Amerikaner ansprechen sollte, orientierte Naoto sich letztlich an Eizin Suzukis Illustrationen Kaliforniens. Dessen Pop City Kunstwerke 1:1 die Farbpalette der Green Hill Zone widerspiegeln. Der eher Action-orientierte Levelaufbau mit seinen Looping-Sprint-Passagen ließ die Spieler jedoch schnell die Orientierung verlieren, weshalb Hirokazu unzählige Male von Vorne mit dem Level-Design begann. Schließlich musste Sonic sowohl Hardcore-Gamer ebenso anziehen wie den Durchschnittsspieler. Auch wenn das gerade mal siebenköpfige AM8 Team auf ein kleines Budget schließen lässt, ließ sich Sega bei der Entwicklung nicht lumpen. Sie heuerten für den Soundtrack Bassisten und Songschreiber Masato Nakamura von Dreams Come True an. Einer berühmten J-Pop-Band. Masato hielt es Anfangs für unmöglich seine Stücke auf die vier parallel nutzbaren Soundkanäle zu reduzieren, lieferte letztendlich aber eine hervorragende musikalische Untermalung des Spiels ab. Die Durchschnittswertung des Sonic the Hedgehog Gesamtwerkes belief sich damals, trotz einiger 97% Wertungen, lediglich auf 86%. Aber es waren nicht die Wertungen, die Käufer im Sommer 1991 in die Läden trieben, es war Sega of Americas Werbekampagne.

Die Segaville Demonstration hielt Tom ebenfalls wenige Wochen vor dem Release auf der Sommer CES ab. Parallel zu Nintendos Präsentation des Super NES in der benachbarten Halle, zeigte Sega dem Publikum den direkten Vergleich. Nintendos schlürfenden Klempner des Super Mario World Abenteuers auf einem Fernseher und Sonic the Hedgehog direkt darüber.
Parallel dazu nutzte Sega Nintendos Feinde zu ihrem Vorteil. Die Formulierung mag sich etwas übertrieben anhören, aber die Erfolgsrezepte, welche Nintendo so immens viel Geld in die Kassen spülten, trafen nicht überall auf Gegenliebe. Nintendo hatte Beispielsweise aus ihrer kostenlosen Hotline mit den Jahren das Nintendo Power Magazin geschaffen. Dessen Abos brachten ihnen dank ausschweifender Tipps und exklusiven Berichten über kommende Hits zwar viel Geld ein. Verärgerten im Gegenzug aber gleichzeitig sämtliche Videospielzeitschriften. Denn außer Testberichten zu Nintendos neusten Spielen, konnten sie nichts abdrucken. Tom, auf der anderen Seite, sah Spielemagazine als kleine kostenlose Werbeflächen an und gab den Verlagen was sie wollten. Was ebenfalls dadurch zu Stande kam, dass ihm nicht mal ein Viertel von Nintendos Werbebudget zur Verfügung stand. Das resultierte ebenso darin, dass Sega keine kostspieligen Werbespots im Fernsehen schaltete, sondern lediglich Radio-Sender wie KIIS-FM in Los Angeles, Chicago und New York Werbung machen ließ. Besagter Radio-Sender, brachte wiederum Blockbuster Video ins Boot. Amerikas größte Videotheken-Kette war zu dem Zeitpunkt mit Nintendo in einen Rechtsstreit verwickelt, weil Nintendo den Verleih ihrer Module unterbinden wollte. Daher ersetzte Blockbuster mit Kusshand Nintendos Spiele gegen Segas und machte ihrerseits wiederum mit Plakaten darauf aufmerksam.
Al Nilsen, Sega Amerikas Vertriebsleiter, kam darüber hinaus auf die grandiose Idee der „Sega Star Kid Challenge“. Statt amerikanische Stars kostspielig für Werbespots anzuheuern und die noch kostenintensiver zwischen Full House oder Major Dad zu buchen, schoss Sega in den Universal Studios ihre eigene Fernsehshow. California High Schools Tiffani Amber Thiessen, die Full House Geschwister, Candance Cameron und Jodie Sweetin, oder Hör mal wer da Hämmert Söhne, Jonathan Taylor Thomas und Zachery Ty Bryan, traten darin in athletischen Wettkämpfen oder Spielduellen gegeneinander an.
Damit all diese Werbemaßnahmen aber überhaupt zeitlich den Punkt trafen, etablierte Sega für Sonic the Hedgehog das erste amerikanische Street Date. Das mag sich rückblickend merkwürdig anhören. Aber vor dem 23. Juni 1991 war es Gang und Gebe, dass Geschäfte die Spiele einfach in die Regale stellten, wenn sie die Lieferung erhielten. Die variierten bei Übersee-Transporten aus Japan drastisch. Wodurch Spiele in einem Geschäft im April und beim nächsten erst im Juli auftauchen konnten. Sonic änderte das gänzlich.

All diese Maßnahmen zusammen, sorgten im Sommer 1991 für Verkaufsrekorde des Spiels. 20.000 Exemplare in der ersten Woche, weitere 25.000 in der zweiten und 30.000 in der dritten. Den gesamten Sommer über brachte Sega of America mehr als 500.000 Sonic Exemplare an den Mann … und ebenso Genesis Konsolen. Denn Tom hatte Hayao überzeugt, ihn Sonic gewissermaßen verschenken zu lassen. Statt wie bisher Altered Beast mit der Konsole auszuliefern, bundelte Sega sie mit Sonic. Das wohl gemerkt für gerade einmal 199$. In den Augen des japanischen Aufsichtsrates schien das ein Verlustgeschäft zu sein. Aber Sega of America verkaufte im Nachhinein an jeden Konsolen-Besitzer mindestens drei weitere Spiele. Wodurch sich der Coup mehr als rentierte.
Die japanischen Verkaufszahlen waren im Vergleich ebenfalls gut. Doch sie nahmen mit jeder Woche ab. 7.187 Exemplare in der ersten, 7.062 in der zweiten, gefolgt von 6.086 in der dritten. Bis zum Jahresende würde Sonic auch in Japan ein Erfolg werden, aber kein so großer Durchbruch wie in Nordamerika.

You may also like

Cookies sind für die korrekte Funktionsweise einer Website wichtig. Wir verwenden diese zur Personalisierung von Inhalten und Anzeigen, zur Einbindung von sozialen Medien sowie für Zugriffsanalysen auf unsere Website. Mit der Nutzung unserer Dienste erklärt ihr euch damit einverstanden, dass wir Cookies verwenden. Klickt auf "Ich stimme zu" um dies zu akzeptieren oder lest "Datenschutzeinstellungen" zu den von uns verwendeten Arten von Cookies. Ich stimme zu Datenschutzeinstellungen