Während sich Sega auf dem heimischen Markt also mit Nintendo und NEC messen musste, traten ihre Automaten gegen Namco, Technos oder irem an. Enix’s Dragon Quest war neben Mario 1988 Nintendos größtes Zugpferd und Technos Double Dragon im selben Jahr die Revolution in den Spielhallen. Weshalb Makoto Uchida für seinen nächsten Arcade und Mega Drive Hit, Golden Axe, beides kombinierte. Angeregt von B-Movie Kultproduktionen wie The Beastmaster und Conan der Barbar, verband er das seitlich scrollende Beat’em’up Gameplay auf multiplen Ebenen, mit dem Sword & Sorcery Szenario der Enix JRPGs. Eine willkommene Abwechslung zu den Ghetto-Schlägerein Renegades und Konsorten. Auch wenn sich Makoto für die Story und anderer Elemente an Herr der Ringe orientierte, folgte die Handlung eher dem abgedroschenen Rette-die-Prinzessin-Schema. Der Oberbösewicht Death Adder war in Yuria eingefallen, hatte die Tochter des Königs in seine Festung gezerrt und drohte, die gesamte königliche Familie auszulöschen. Golden Axe machte keinerlei Hehl daraus, das Double Dragon Konzept zu Kopieren, wertete es jedoch auf, indem die beiden simultan spielbaren Helden, zwischen drei Charakteren wählen durften. Dem Axt-schwingenden-Zwerg, Gilius Thunderhead, gefolgt von Barbar Ax Battler oder der Amazone Tyris Flare. Alle samt auf Rachefeldzug für ihre gefallenen Familienmitglieder und unterschiedlich gut im Umgang mit Schwert und Magie. Die Entscheidung das Heldentrio Waffen schwingen zu lassen, ließ die drei Charaktere auf Grund der Schlagreichweite schrumpfen, behielt die übergroßen Feinde jedoch bei. Gemischt mit Ax’s Pilzwolken, Gilius Blitzschlägen und Tyris ultimativem Magieangriff wurde Golden Axe noch 1988 ein weiterer Spielhallenhit. Die im Mai 89 folgende Mega Drive Fassung erfreute sich sogar eines Extra-Levels mit Death Adder als finalem Boss.
Die geringe Spielanzahl des Mega Drive Releases war auf die bereits etablierten Nintendo und NEC Konsolen zurückzuführen. Nintendo hatte Capcom, Enix, Tecmo sowie teilweise Konami unter Vertrag und NEC den Rest der Konami Spielpalette, Namco, irem und Human Entertainment. Was bereits Segas Master System Eroberungsfeldzug zu Nichte gemacht hatte. Das Mega Drive stützte sich somit erneut lediglich auf Sega-Eigenproduktionen. D.h. ausgenommen vereinzelter äußerst kleiner Studios, die wie Westone aufgrund von Segas Automaten Partnerschaften mit ihnen eingingen. Eine dieser winzigen Firmen war Technosoft. Ein noch relativ junges Unternehmen, das PC-Spiele für die in Japan verbreiteten Fujitsu FM-7 und NEC PC-9801s produzierte. Ende 1988 hatte Technosoft Thunder Force II für Sharps X68000 herausgebracht. Ein PC, der zufälligerweise über die gleiche CPU und sogar den selben FM Soundchip wie das Mega Drive verfügte. Das führte dazu, dass Thechnosofts Chef, Tomio Ozono, beschloss zum ersten Third-Party-Developer des Mega Drives zu werden.
Thunder Force II verband grundlegend die Top-Down-Level von Namcos Xevious mit seitlich scrollenden von Konamis Gradius. Was Thunder Force II jedoch herausstechen ließ, waren die Claw, Hunter, Blade und 5-Way betitelten Waffensysteme des Fire Leo 2 Schiffes. Selbstverständlich wuchs ihre Intensität durchs Einsammeln der genre-typischen Power-Ups, aber der Spieler durfte jederzeit zwischen ihnen Wechseln. Zusätzlich umfassten die Upgrades CRAW Addons, die Satellitenartig ums Raumschiff kreisten und Kugelsalven abfingen. In der höchsten Ausbaustufe deckten sie volle 360 Grad gleichzeitig ab. In 9 alternierenden Leveln, erkundete der Spieler zunächst aus der Draufsicht die Planetenoberfläche, hob dabei feindliche Basen aus und steuerte dann seitlich auf den Boss zu. Mit dem Ziel letzten Endes Plealos, das größte Schlachtschiff des ORN Empires zu vernichten. Trotz der, zu dem Zeitpunkt noch geringen Mega Drive Käuferschicht, feierte Technosoft mit dem Thunder Force II MD Release im Juni 89 deutlich höhere Verkaufszahlen als mit ihrer vorangegangen PC Fassung. Denn Sega machte den Shooter zwei Monate später zu einem der sieben US Launch Titel. Was den Versuchsballon zu einer jahrelangen Partnerschaft wachsen ließ.
Segas Versuch, 1986 Nintendos Durchbruch in den USA mit ihrem Master System zu kopieren, indem sie deren Vizepräsident Bruce Lowry abwarben, war mit 125.000 verkauften 8-Bit-Konsolen kläglich gescheitert. Schon nach wenigen Monaten hatten David Rosen und Hayao Nakayama einvernehmlich entschieden das Handtuch zu werfen und Spielzeughersteller Tonka die Vertriebsrechte überlassen. Woraufhin Nintendo im Folgejahr ihren Marktanteil auf 85% ausbaute. Das sorgte für Unentschlossenheit in der Führungsetage, wie sie beim Launch ihres Mega Drives in den USA vorgehen sollten. Letztlich ergriff David die Initiative und kontaktierte zahlreiche prominente Firmen mit seinem Vermarktungsangebot. Michael Katz, der Leiter von Ataris Videospielabteilung, biss als erster an. Gemeinsam arbeiteten sie einen Schlachtplan aus und unterbreiteten diesen Ataris Präsidenten Jack Tramiel. Aber Tramiel winkte augenblicklich ab. Ihm war die Kampagne zu kostenintensiv. Atari fokussierte sich stattdessen auf die Promotion ihres Atari ST Heimcomputers.
Das stoppte Davids Pläne jedoch nicht im Geringsten. Er offerierte Michael Katz den Platz seines Stellvertreters oder besser gesagt zweitem Präsidenten von Sega of America. Während sich David selbst langsam zur Ruhe setzte. Wie mittlerweile quasi traditionell wechselte David zur Markteinführung ebenfalls den Namen der Konsole. Das Mega Drive sollte Segas Neuanfang werden und erhielt daher den treffenden Namen Genesis.
So überzeugt Michael vom Genesis auch war, wusste er durch seine bisherige Videospiellaufbahn als Geschäftsführer von Coleco, Epyx und Atari jedoch, dass berühmte Spiele Konsolen verkauften. Deren Anzahl war mit Sega und Technosoft als einzige Hersteller jedoch stark begrenzt. Was es um so schwieriger gestaltete, Hayaos gefordertes Ziel von einer Million verkaufter Genesis bis zum Jahresende 1989 zu realisieren. Michaels Lösung des Problems war, amerikanische Persönlichkeiten ihren Spielen berühmte Namen geben zu lassen. Auf diese Weise entstanden Genesis Titel wie Joe Montana Football oder James ‚Buster‘ Douglas Knockout Boxing. Letzteres war schlichtweg eine Genesis Portierung von Taito’s Final Blow mit neuem Namen. Für Joe Montana Football, hatte Michael hingegen ein von Activision produziertes Football Spiel im Auge, das zu dem Zeitpunkt zu 30% fertig war. Entsprechend würden diese Sportspiele erst 1990 und 91 folgen.
Segas Strategie, was die Launch Titel ihrer 16-Bit Konsole anging, war vielleicht nicht für jeden sofort ersichtlich aber simpel. Die Spiele sollten ideal für Einsteiger sein, also schlichte Shooter oder Prügelspiele ohne Kopfzerbrechen, mussten aber gleichzeitig einen optischen Anreiz zum Kauf darstellen. Weshalb sowohl der japanische Mega Drive als auch amerikanische Genesis Release von mehreren Spielen begleitet wurde, die Nachfolger zu Kassenschlager der Spielhallen waren. Komplexere Spiele lieferte Sega in den Folgemonaten aus. Das erste dieser Art war das Anfang Dezember 1989 in beiden Ländern veröffentlichte The Revenge of Shinobi. Auf den ersten Blick erschien es möglicherweise wie ein Run and Gun á la Konamis Contra mit japanischen Theme. Aber Joe Musashis Fähigkeitenpalette und die damit eingeführten Spielmechaniken entsprachen eher Metroid. Nur ohne der Suche nach Perks. Der Nachfolger des ein Jahr zuvor fürs Master System erschienen Plattformers setzte deutlich weniger auf die Ebenen-Wechsel-Mechanik und stärker auf den gezielten Einsatz der Fähigkeiten. Musashis Ninjasterne waren plötzlich begrenzt. Was den Somersault Angriff, bei dem Joe doppelt so hoch wie normal sprang und im 90° Radius acht Shurikens verstreute, zu einer mit Bedacht einzusetzenden Waffe machte. Joe Musashi starb außerdem nicht mehr beim ersten Treffer, sondern erhielt Trefferpunkte und Spezialangriffe, die sowohl damit als auch seinem Leben spielten. Karyu ließ Feuersäulen aus dem Boden schießen, Ikazuchi hüllte ihn in einen Donnerschild, der vier Angriffe abhielt und Mijin ließ die Spielerfigur explodieren. Das kostete ein Leben, verursachte aber den achtfachen Schaden und war somit äußerst effizient, wenn die Trefferpunkteleiste ohnehin zur Neige ging. Denn nach dem Lebensverlusst war sie wieder voll. Der im Disco-licht umher hüpfende zweite Boss Shadow Dancer ließ sich beispielsweise extrem einfach mit Karyu bezwingen und der alte Dinosaurier des siebten mit drei Mijin. Was jedoch bedeutete, der Spieler musste zu dem Zeitpunkt vier Leben haben oder extrem geschickt im Kampf sein. Beinahe jede Stage war gut durchdacht aufgebaut und erforderte den gezielten Einsatz einer bestimmten Fähigkeit, wie z.B. hohe bzw. extrem lange Sprünge in China-Town. The Revenge of Shinobi bestach zudem ebenfalls durch extrem große Sprites und drei bis vier separat scrollende Hintergrundebenen, was dem Spiel deutlich mehr Tiefe verlieh. Der Umstand über das Vorankommen in einem Plattformer wahrlich nachdenken zu müssen und die umwerfende Grafikpracht machten Revenge of Shinobi zum Weihnachtsgeschäft zu einem Verkaufsschlager.