Das zweite komplexere Spiel lieferte Technosoft mit Herzog Zwei ebenfalls im selben Monat aus. Auf den ersten Blick sah es den Oberlandwelten von Thunder Force II zum Verwechseln ähnlich. Aber da endeten die Übereinstimmungen. Denn mit Herzog Zwei erfand Technosoft das erste Echtzeitstrategiespiel der Welt, an dem sich Jahre später Westwood Studios Dune II orientieren würde. Im Gegensatz zur Maus und Icon gesteuerten Fremen-Schlacht, kommandierte der Herzog Zwei Spieler nur eine einzige Einheit mit dem Mega Drive Pad. Sein Mech verwandelte sich bei Bedarf in einen Kampfjet und überflog somit die gesamte Karte. Als solcher stellte der Spieler in seinen Basen Einheiten her, die von Fußsoldaten bis zu gewaltigen Panzern reichten und flog sie manuell zu ihrem Einsatzort. Ähnlich einer Partie Schach vollführte jede Einheit dabei eine bestimmte Aufgabe. Und genau wie Schach war das Spielprinzip leicht zu erlernen und schwer zu meistern. Es bedurfte jedoch nur weniger Stunden, die Macken der KI zu erkennen und auszuhebeln. Was Herzog Zwei aber schon damals zu einem der größten Mega Drive Hits überhaupt machte, waren die brillanten Mehrspieler-Gefechte. In keinem anderen Mega Drive Spiel verbrachten Käufer derart viel Zeit mit Split-Screen-Matches.
Vom nordamerikanischen Genesis Release am 14. August 1989 bis zum Weihnachtsgeschäft gelang es Michael Katz mit seiner „Genesis Does What Nintendon’t“ Werbekampagne 350.000 Konsolen zu verkaufen. Nicht mal die Hälfte der von Hayao Nakayama geforderten einer Million. Hayao verstand nicht mal, was die Werbekampagne bedeuten sollte. Was machte Sega denn anders als Nintendo? Geld zum Fenster rauswerfen? Er hatte Davids Entscheidung nie gemocht, wollte den ehemaligen Sega Gründer aber nicht augenblicklich untergraben. Doch jetzt, wo Katz Millionen für Werbung und Stars ausgegeben hatte – allein der Name Joe Montana hatte Sega 1,7 Millionen gekostet – sägte Hayao Michael ab. Aus seiner Sicht brauchte Sega frisches Blut und keinen alt eingesessenen Hasen. Er machte vom Recht seiner Sega Geschäftsführung Gebrauch und stellte Thomas Kalinske als neuen Präsidenten von Sega of America ein.
Tom kam wie Michael ursprünglich von Mattel. Aber im Gegensatz zu Michael, der dort die LED Handhelds zu einem 500 Millionen Dollar Produkt gemacht hatte, war Tom für den Puppenmarkt verantwortlich gewesen. Ruth Handler, Mattels Gründerin, hatte ihn damals beauftragt, der saisonweise wechselnden Barbie wieder Leben einzuhauchen. Woraufhin Tom ein weites Spektrum verschiedener Barbie-Typen etablierte und Mattels Umsatz innerhalb eines Jahres verzehnfachte. Nicht nur das, Tom erfand zudem He-Man and the Masters of the Universe. Eine Puppenkollektion für Jungs, die sogar zu Zeichentrick-Fernsehserien und einem Kinofilm führte. Selbigen Durchbruch wünschte sich Hayao von Tom für Segas Genesis.
Der japanische Mega Drive Release wurde von einem weiteren Alex Kidd Abenteuer begleitet. Segas Maskottchen aus der Master System Periode. Zeitgleich hielt Sega Japan jedoch bereits einen internen Wettbewerb ab. Mitarbeiter sollten Ideen für ein Maskottchen einreichen, welches das Gesicht der Firma werden würde. Die japanischen Entwickler entwarfen eine breite Palette von hauptsächlich vermenschlichten Tieren. Beginnend bei einem Gürteltier über einen Hasen, Wolf und Igel, bis hin zu einem Ei mit Overall sowie Theodore Roosevelt in einer Art Schlafanzug. Die Skizzen, welche sich Sega intern der größten Beliebtheit erfreuten, kamen von Naoto Ohshima. Einem damals 26-jährigen Zeichner, der für eine Vielzahl japanischer Sega-Spiele verantwortlich gewesen war, unter anderem Segas erstem JRPG Phantasy Star. Naoto plante damals zufällig einen New York Urlaub und nahm die Top 3 mit nach Manhattan. Wo er sie im Central Park Passanten zeigte. Der verschlafene Teddy Roosevelt und der amerikanische Hund belegten Platz zwei und drei, während Mr. Needlemouse, der einem Igel nachempfunden war, bei den Amerikanern am besten ankam. Hayao Nakayama hatte die beiden Finalisten anschließend Michael Katz präsentiert. Michael hatte jedoch beide als schwachsinnig abgetan. Besonders Mr. Needlemouse, denn kein Amerikaner wusste was ein Hedgehog sein sollte, da Igel keine heimische Spezies waren. Dennoch hatte Hayao das Mr. Needlemouse Konzept weiter verfolgen lassen. Der Igel erhielt im Nachhinein das Blau von Segas Firmenlogo als Hautfarbe und wurde auch darüber hinaus gänzlich der Firmenhistorie angepasst. David Rosen hatte damals, bei der Firmengründung, amerikanische Automaten per Flugzeug nach Japan importiert. Der Igel war angeblich die Nasen-Bemalung einer damaligen Transportmaschine und die Flügel des finalen Sonic Logos Symbole dessen Fliegerjacke gewesen. Während die rotweißen Streifen samt Sternchen selbstverständlich die amerikanische Flagge verkörperten. Was Sonic selbst an ging, so ließ sich Naoto für dessen Schuhe von Michael Jacksons Schuhwerk des Bad Albums inspirieren. Malte sie jedoch in Gedenken an Santa Claus rot.
Als Tom Kalinske in der letzten Dezemberwoche 89 seinen Job bei Sega antrat, überraschte ihn Hayao mit dem Sonic the Hedgehog getauften Maskottchen. Zu dem Zeitpunkt spiegelte Sonic aber eher das amerikanische Lebensgefühl wieder, was die Japaner glaubten, das Amerikaner es hätten. Sonic hatte Fangzähne, eine blonde vollbusige menschliche Freundin namens Madonna und spielte in Anlehnung an Michael Jackson in einer Rockband. Tom erkannte das Potential von Sonic. Sein erster Gedanke, als Hayao ihm den Job anbot, war gewesen, dass Sega eine starke Werbefigur fehlte. Und wenn Mario in einer dunklen Gasse auf Sonic treffen würde, wäre Toms Wetteinsatz definitiv auf Sonic. Aber wenn er den Igel Kindern verkaufen sollte, mussten Fangzähne und Madonna verschwinden. So beauftragte er Sega Amerikas Produktmanagerin, Madeline Schroeder, diese in langwierigen Verhandlungen mit Japan zu beseitigen.
Toms nächste Herausforderung wurde die Vermarktung von James ‚Buster‘ Douglas Knockout Boxing. Denn als sein Vorgänger Buster Douglas verpflichtet hatte, war der gerade durch einen Knockout Sieg über Mike Tyson zum Schwergewichtschampion aufgestiegen. Innerhalb der folgenden sieben Monate war Buster Douglas aber eher durch seine Bauchregion zum Schwergewicht geworden. Evander Holyfield schlug ihn bereits in der 3. Runde KO und das wenige Wochen vor dem Genesis Game Release. Statt zurück zu rudern und das Spiel samt Vermarktung unter den Tisch zu kehren, ging Tom es humoristisch an. Denn schon die Chancen von Buster Douglas erstem Sieg standen 42:1. Ihr Knockout Boxing sollte das verdeutlichen. Es machte den Spieler zum Underdog und sorgte durch seinen gehobenen Schwierigkeitsgrad dafür, dass der Spieler wie Buster Douglas häufig verlor. Toms Vermarktungsstrategie wurde ein bombastischer Erfolg. Statt die bereits hergestellten Module einstampfen zu müssen, rissen die Käufer Sega die Module aus den Händen. Sega of America musste nicht nur eine zweite Charge bestellen, sondern James ‚Buster‘ Douglas Knockout Boxing wurde zum „Sega Classic“.
Michael Katzs Liste von Stars waren nicht nur Sportler gewesen. Sein Namensvetter Michael Jackson zählte ebenso dazu. Mit drei veröffentlichten Alben, die bereits weit über 100 Millionen Exemplare verkauft hatten, war Jackson damals auf dem Höhepunkt seiner Karriere und obendrein ein Fan von Segas Spielautomaten. Das ließ Michael Jackson zum Co-Produzenten seines eigenen Videospiels Moonwalker werden. Einer Mixtur aus Run-and-Gun Game und Erkundungs-Plattformer, handlungsmäßig basierend auf Jackson’s gleichnamigen Film. Jackson selbst schrieb das Konzept, des von AM7 realisierten Spiels, in dem sein Charakter mit magischen Funken und Würfen seines Hutes Feinde bezwang. Das Spielziel, dass Michael Jackson Kinder vor dem durchgeknallten Drogendealer Mr. Big, rettet, wirkt im Nachhinein zugegebenermaßen etwas seltsam. Aber Ideen, wie eine Bildschirmsäubernde Smartbomb, gegen eine Tanz-Routine zu ersetzen, bei welcher Jackson sämtliche Feinde mittanzen lässt und selbstverständlich der exzellente Spielsoundtrack, basierend auf Jacksons Songs, machten es im Juli 1990 zu einem Sammlerstück. Obwohl sich bis heute einige Gamer gerne wieder an dieses Spiel erinnern, erwies es sich für Sega finanziell jedoch eher als milder Durchschnitt.