Mega Drive – Segas Sprint in den Himmel der Videospiele

by Pandur

Yuji Naka auf der anderen Seite, war mit Segas Behandlung ihm und seinem Team gegenüber äußerst unzufrieden. Obwohl Sonic the Hedgehog ein Millionenseller geworden war, entsprach Yujis Vergütung für den 14-monatigen Job ca. 30.000 Dollar. Zudem machten ihm seine Chefs Vorwürfe, weil er fünf statt drei Teammitglieder brauchte und diese mehr als zehn Monate beanspruchte. Zu guter Letzt war da dann auch noch die typische japanische Mentalität die Identität der Entwickler nicht Preis zu geben. Japanische Spiele hatten entweder gar keine Credits, wie in Segas Fall, oder enthielten lediglich Decknamen, die nur Firmenintern publik wurden. Yuji verstand den Grund dahinter. Das bedeutete aber nicht, dass ihm das gefiel. Deshalb hatte er am Ende von Sonic the Hedgehog eine Credits-Liste seines gesamten Teams eingebaut. Jedoch mit schwarzer Schrift auf schwarzem Grund. Niemand konnte es lesen, aber das Team wusste, dass ihre Namen da waren.
Wegen all dem hatte Yuji Naka nach der Vollendung von Sonic 1 gekündigt.

Sega of Japan nahm das einfach hin. Natürlich verloren sie einen talentierten Programmierer, aber in Japan war Sonic bei weitem nicht so erfolgreich gewesen wie in Nordamerika. Tom Kalinske sah das jedoch gänzlich anders. Er schickte Shinobu Toyoda, Sega Liaison zur Vermittlung zwischen Japan und den USA, zu Yujis Apartment. Ihr Angebot war, Yuji samt seinen Wunsch-Teammitgliedern in die USA zu holen, wo sie eine bessere Bezahlung und natürlich die gewünschte Anerkennung in Form von Credits und Interviews bekommen würden. Auf diese Weise landete Yuji Naka 1991 im Sega Technical Institute wieder an der Seite von Mark Cerny und entwickelte mit ihm zusammen Sonic the Hedgehog 2.

Ein Feature, was Yuji bereits in den ersten Teil implementieren wollte, war ein Splitscreen für zwei Spieler. Er hatte bereits Tests damit gemacht, aber ihm fehlte die Zeit den Modus zu implementieren. Für Sonic the Hedgehog 2 wurde es daher ein integraler Bestandteil, der schon bei der Konzeptionierung einfloss. Wodurch der von Yasushi Yamaguchi gezeichnete zweischwänzige rotbraune Fuchs Miles Prower entstand. Welcher sowohl die magische Gestalt der japanischen Mythologie als auch einen weiteren superschnellen Freund verkörpern sollte. Wie Doctor Eggman, den Sega of America in Doctor Ivo Robotnik umbenannte, ließ sich Al Nielsen, Segas Vertriebsleiter eine zuckersüße Hintergrundgeschichte einfallen, die Zeichner Yasushi zufrieden stellte und sie gleichzeitig Miles Spitznamen Tales statt Miles Prower verwenden ließ. Tales war die ideale Ergänzung für Sonic. Er folgte seinem blauen Vorbild auf Schritt und Tritt durch den Level und wenn ein Freund mitspielen wollte, konnte er jederzeit per Knopfdruck einsteigen. Der Clou hinter dem Konzept war, dass Tales nicht zwingend ins Ziel kommen musste. Auf diese Weise konnten bereits geübte Sonic Spieler, noch unerfahrene Freunde ins Gameplay einführen. Ein meisterlicher Schachzug.
Auch wenn Sega von der ersten Minute an gezeigt hatte, dass ihre Konsole die Schnellere war, kam das Super Nintendo mit dem Mode 7 daher. Einer simplen Technik um texturierte Flächen rotieren zu lassen. Mode 7 war das Zauberwort gewesen, was Sega beim SNES Release in Angst und Schrecken versetzt hatte. Weshalb sie zur Zeit von Sonic 1 „Blast Processing“ erfanden. Tatsächlich nur ein anderer Begriff für den „Burst Mode“ der Konsole und so alltäglich wie Scheinwerfer an einem Auto. Aber Segas damaliges Werbemittel, um Sonics Geschwindigkeit zu preisen. Bei Sonic the Hedgehog 2 wollte Sega jedoch zeigen, dass sie dem Mode 7 etwas reales entgegen zu setzen hatten. Weshalb Yuji das vorberechnete Video eines 3D Polygons ins Modul implementiere, was er dann zur Darstellung der neuen dreidimensionalen Bonusrunden nutzte.
Sonic 2 erschien am 21. November 1992, einem Dienstag. Denn so konnte Sega of America das Wortspiel des „Sonic 2s day“ nutzen. Wie von Tom geplant, lieferte Sega es zeitgleich in Europa und Nordamerika aus. Wodurch sie in der ersten Woche bereits 400.000 Exemplare unters Volk brachten und sechs Millionen über die Lebzeit des Genesis. Sega of Japan hielt sich nicht an dieses Datum. Sie veröffentlichten Sonic 2 bereits eine Woche zuvor. Der Grund dafür war, dass Segas japanische Mitarbeiter mittlerweile die Schnauze voll hatten von Tom Kalinske. Hayao Nakayama, Segas Oberhaupt, war einer der wenigen Japaner, der westlichen Marketingstrategien vertraute. Was überhaupt erst zu Toms Einstellung geführt hatte. Und Toms Erfolge gaben ihm Recht. Aber sämtliche Taktiken, die Tom anwendete, funktionierten nur in den USA. Japaner verwendeten keine vergleichende Werbung und das japanische Vertriebsnetz, Shoshinkai, wurde quasi von Nintendo kontrolliert. Kurzum alles was Tom machte, funktionierte in Japan nicht. Dennoch schenkte Hayao Toms Meinung mehr Gewicht, als der seiner einheimischen Angestellten. Dadurch entstand auf Dauer eine Kluft zwischen beiden Niederlassungen und was Sonic 2 an ging, wurde es ein weiterer Fehlschlag für Japan. Das Spiel verkaufte sich dort lediglich 160.000 Mal.

Für die USA hatte Tom einen Plan ausgearbeitet, nach welchem Sega von nun an jeden Monat einen neuen Spielhit ausliefern sollte. Für Sonics Folgemonat, Dezember 1992, war das ein ebenso bezauberndes wie verstörendes Spiel: Ecco the Dolphin.
Sein Schöpfer, Ed Annunziata, hatte seine Karriere schon zwei Jahre zuvor, als Sega of Americas erster Produzent begonnen. Als solcher übersetzte er hauptsächlich Segas japanische Spiele und modifizierte sie so, dass Amerikaner sie verstanden und liebten. Währenddessen hatte Ed kürzlich Hank Searls Buch „Sounding“ gelesen, was das Leben im Ozean aus der Sicht eines Wals schilderte. Ed verfolgte außerdem John Lillys Experimente durch LSD mit Delphinen zu kommunizieren. Das brachte ihn dazu, mehr und mehr über die Ökologie der Meeressäuger nachzudenken. Diese Gedankengänge gediehen zu einem Spiel, was sich nicht voranging um den Kampf von Gut gegen Böse drehte, sondern das Leben selbst. Das Leben unter dem Ozean.
So begann Ecco the Dolphin mit einem vernichtenden Sturm. Ein Sturm, welcher Ecco von seinem Schwarm trennte. Mit nichts anderem als seinem Sonar zur Hilfe begab der Delphin sich auf die Reise quer durch den Ozean. Ein Orca empfahl ihm den weisen Wal „Big Blue“ in der Arktis aufzusuchen. Von dort aus schwamm Ecco weiter in die tiefsten Höhlen, um Asterite, das älteste Geschöpfte der Erde zu treffen. Und am Ende fand Ecco sogar die versunkene Stadt Atlantis, von wo aus er durch die Zeit reiste. Man könnte denken, Ed Annunziata hätte selbst Drogen geschluckt, als er das sanft scrollende Action-Adventure erschuf. Ecco the Dolphin war für damalige Verhältnisse eine Augenweide und durch seinen stimmungsvollen Pink Floyd Soundtrack ebenso ein Genuss für die Ohren. Was dem Spiel bei den Kritikern 90% Wertungen einbrachte und Sega die bisher ungenutzte Zielgruppe von weiblichen Käufern eröffnete.

„Welcome to the Next Level“ war Sega Amerikas neuer Werbespruch und beschrieb außerdem sehr gut den Jahresabschluss 1992. Sega hatte ihren Marktanteil auf ca. 25% ausgebaut. Die Genesis Verkäufe des Jahres lagen mit 4,5 Millionen Stück in den USA nur 400.000 hinterm Super Nintendo zurück. Während das Mega Drive in Japan gänzlich unter ging – sie verkauften lediglich 400.000 Exemplare im Vergleich zu Nintendos 3,5 Millionen – lag es in Europa deutlich vorne. Dort hatten 2 Millionen Käufer zum SNES gegriffen und stolze 3,6 Millionen ein Mega Drive mit nach Hause genommen.
Segas europäische Niederlassung war zu dem Zeitpunkt gerade mal ein Jahr alt. Denn sie entstand 1991 durch Segas Übernahme großer Teile von Virgin Games. Das was von Virgins Videospielzweig übrig geblieben war, sorgte aber weiterhin für Aufmerksamkeit. Ihr Gründer, Richard Branson gab im Januar 1993 zusammen mit Tom und Walt Disney Studios Chef Jeffrey Katzenberg die erste derart große Kooperation bekannt. Die drei Firmen würden in den folgenden Monaten und Jahren zahlreiche Disney Filme für Segas Spielkonsolen adaptieren.
Auch Flächenmäßig expandierte Sega of America. Sie waren erst Ende 1991 in ein neues Gebäude gezogen und rüsteten bereits wieder auf. Ihr neuer Firmensitz auf dem Shoreline Drive von Redwood Shores, gleich neben Electronic Arts, war über 10.000 m² groß und wurde von einer Lagune mit Springbrunnen geziert. Zudem eröffnete Sega ein Multimedia Studio in Redwood City, um Kinoreife Filmaufnahmen samt Spezialeffekten für ihre kommenden Sega CD Videospiele produzieren zu können. Tom plante diese Filmproduktion parallel zu ihren Spielen anwachsen zu lassen, um eines Tages Sega Kinofilme produzieren zu können. Für den Moment, also 1993 produzierte Sega aber zunächst zwei Sonic Zeichentrickserien „The Adventures of Sonic the Hedgeog“ für ABC und „Sonic the Hedgehog“ fürs USA Network.

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