Mega Drive – Segas Sprint in den Himmel der Videospiele

by Pandur

Möglicherweise wäre die Laufbahn des 32X besser verlaufen, wenn Nintendo nicht am gleichen Tag Donkey Kong Country veröffentlicht hätte. Das von Rare produzierte Jump’n’Run demonstrierte durch vorberechnete Hintergründe und Animationen wie gut ein Spiel auf einer 16-Bit Konsole aussehen konnte. Ohne irgendeine Art technischer Überlegenheit wies Nintendo das 32X, Jaguar und sogar 3DO in ihre Schranken. Rare erschuf schlichtweg gutes Gameplay gepaart mit exzellenter Grafik. Auf diese Weise war das Schicksal des 32X bereits zum Ende der Weihnachtsferien besiegelt. Sämtliche Drittanbieter wie Capcom oder Konami, die zunächst ihre Unterstützung fürs 32X angekündigt hatten, stellten ihre Entwicklungen in den ersten Monaten 1995 bereits wieder ein. Sega selbst lieferte im April 1995 mit Knuckles‘ Chaotics das am besten bewertete 32X Spiel ab. Was sich gut anhört, war gleichzeitig das schwarze Scharf der Sonic Reihe. Wenn es überhaupt als Sonic Spiel angesehen werden durfte. Seine Existenz zeichnete sich bereits Anfang 1994 in Japan ab. Nachdem Yuji Naka 1991 Japan verlassen und sich STI zugewandt hatte, entwickelten die zurückgelassenen Mitglieder seines alten Teams ebenfalls einen Sonic Nachfolger. Sega Japan veröffentlichte ihn 1993 als Sonic CD fürs Sega CD. Die neu hinzugekommenen angehenden Designer dieses Teams erschufen anschließend „Sonic Crackers“. Den Prototypen eines weiteren 16-Bit Sonic Abenteuers mit einer neuen Spielmechanik. Statt aus dem Stand lossprinten zu können, waren Sonic und Tails darin mit einem elastischen Band verbunden. Geschwindigkeit gewannen sie, indem sie voneinander Weg rannten und das Gummiband sie somit in die entgegengesetzte Richtung schoss. Eine Mechanik die sich leicht anhörte, spielerisch aber derart verwirrend war, dass Sega einen Tutorial Level etablieren musste, damit Spieler überhaupt damit zurecht kamen. Sega selbst hatte dermaßen wenig Vertrauen in das Konzept, dass sie dem Spiel Sonic und Tails entzogen. Stattdessen wurden seine Helden, verworfene Charakterkonzepte der vorangegangenen Spiele. Der Kopfhörer tragende Vector the Crocodile, der mal als Sonic 1 Begleitcharakter vorgesehen war, war noch der coolste dieser Bande. Mighty the Armadillo, welcher kurz im SegaSonic the Hedgehog Automaten auftauchte, war ebenfalls mit von der Partie. Darüber hinaus ließen sie sich weitere Charaktere wie Espio the Chameleon oder Charmy Bee einfallen und machten Knuckles zum Anführer der Bande. Was Knuckles‘ Chaotics, abgesehen vom neuen Beschleunigungsverfahren, in den Abgrund zog, waren die Zufallsfaktoren des Spiels. Nachdem der Spieler seinen Wunsch-Charakter gewählt hatte, entschied der Greifarm eines UFOs wie bei einem dieser Geldschluckenden Kirmesautomaten mit welchem Charakter er gepaart wurde. Das schlechteste Los waren Heavy und Bomb. Während Heavy genau so langsam und klobig war, wie der Name vermuten ließ, explodierte Bomb sobald er Schaden nahm. Was auch den Spieler selbst vernichten konnte. Da das ungleiche Paar durch die Fortbewegungsmechanik unzählige Male stecken blieb, erhielt Knuckles‘ Chaotix eine Unstuck-Funktion per Knopfdruck. Diese versetzte den Begleitcharakter wieder zum Spieler und zog ihm gleichzeitig zehn Ringe ab. Was zu einer weiteren Absurdität führte. Denn der Spieler konnte dadurch erstmalig negative Ringe erlangen. Das war gleichzeitig eine der zwei Möglichkeiten im Spiel überhaupt zu sterben. Erreichte der Zähler -200 Ringe, wurde der Spieler zurück zur Levelauswahl geworfen. Diese 25 Level waren alle gleich leicht, denn das Spiel wählte einen von ihnen rein zufällig für den Spieler aus. Knuckles Chaotix wurde der Tiefpunkt der Sonic Reihe und demonstrierte zeitgleich wie unausgereift Segas 32X war.

Innerhalb eines einzigen Jahres sank der Preis der 32-Bit Erweiterung vom 159$ Startpreis auf 99$, dann 49$ und letztlich auf 17,99$. Im selben Zeitraum erschienen 40 Spiele dafür, die Teilweise ebenfalls ein Sega CD erforderten. Was die Wahrscheinlichkeit, dass jemand die Spiele kaufte noch weiter senkte. An dem Punkt war selbst Segas treusten Mitarbeitern klar, dass ihr Schiff sank. Langjährige Angestellte wie Segas Amerikas Vertriebsleiter, Al Nilsen, oder Marketing-Leiterin Diane Fornasier sprangen von Bord. Al wurde stattdessen zum Chef des neu gegründeten Viacom New Media und Diane vermarktete von dem Punkt an Spyro the Dragon und Crash Bandicoot für Sony. Toms Vorgänger, Michael Katz, tat sein übriges. Er hatte sich zwischenzeitlich als Headhunter selbstständig gemacht und holte nun einen Sega Angestellten nach dem anderen zu Sony. Im Oktober 1995, 11 Monate nach dem 32X Release stellte Hayao Nakayama alle bisherigen Sega Konsolen, ungeachtet ihrer Bit-Anzahl, ein, damit Sega seinen Fokus gänzlich aufs Sega Saturn lenken konnte. Millionen Käufer, die Segas Versprechen des Supports ihres Sega CDs oder 32X Glauben geschenkt hatten, verloren an dem Punkt das Vertrauen in den Videospielriesen. Was es für Tom Kalinske und seinen Nachfolger Peter Moore um so schwerer machte, das Saturn und Dreamcast zu vermarkten.

Ungeachtet der Einstellung des Genesis Supports, verkaufte Sega of America selbst im Folgejahr, 1996, noch 1,3 Millionen weitere 16-Bit Konsolen. Was die Gesamtzahl allein in den USA auf 22 Millionen wachsen ließ. In Japan waren die Verkäufe bereits Ende 1994 zum Erliegen gekommen, da zu dem Zeitpunkt dort das Saturn erschien. Womit Sega dort in der Lebzeit der Konsole 3,5 Millionen Exemplare verkauft hatte. In Europa lebte das Mega Drive etwas länger. Hauptsächlich bedingt durch den späten Start und weil europäische Entwickler die Konsole weiterhin mit neuen Spielen belieferten. Travellers Tales, die ursprünglich Psygnosis entsprungen waren, was nun strenggenommen Sony Computer Entertainment Europa war, führten beispielsweise die Sonic Reihe mit Sonic 3D Blast fort. Dort, in Europa, kamen die Mega Drive Verkäufe 1997 mit gut 9 Millionen um Erliegen.

Abgesehen seiner wenig Ruhmreichen Erweiterungen wird das Mega Drive bis heute als eine der besten Spielkonsolen angesehen, die jemals gebaut wurden. Gut 20 Jahre später, im September 2019, veröffentlichte Sega das Genesis Mini mit 40 eingebauten Spielen. Alle großen Hits, beginnend mit Altered Beast, über Shining Force und Ecco the Dolphin, bis hin zur Sonic Reihe, gehören dazu.

Einzelnachweise:

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