Ähnlich wie Civilization das Simtex Team zu Microprose lockte, brachte Railroad Tycoon den Schotten Christopher Sawyer zur Einsendung seines ersten eigenen PC Spiels.
Chris frühe Kindheit wurde von Pong, dem laut Volksmund erstem Videospiel geprägt. Von da an lernte er auf dem Commodore PET seiner Schule Basic zu programmieren und als ihm sein Chemie-Lehrer den Zeitungsartikel über einen Jungen zeigte, der 1.000 britische Pfund mit einem ZX81 Spiel verdiente, stand Chris berufliche Laufbahn fest. Doch der angehende Programmierer erwarb stets die eher unbekannten Computer. Statt den C64 oder ZX81 seiner Freunde, holte Chris sich einen Memotech MTX500, weil der einen eingebauten Z80 Assembler besaß und ihm so erste Experimente mit Maschinen-Code ermöglichte. Als er zu seiner Studienzeit dann einen Amstrad PC1512 kaufte und darauf programmierte, waren seine Spiele technisch bereits so ausgereift, dass Ariolasoft ihm für seinen bevorstehenden Universitätsabschluss einen gutbezahlten Job in Aussicht stellte. Aber als besagter Tag kam, steuerte Ariolasoft auf den Konkurs zu und so landete der talentierte Programmierer auf der Straße.
Mit Hilfe einer der ersten Videospiel-Agentinnen, Jacqui Lyons, zog Chris anschließend einen Portierungs-Auftrag nach der anderen an Land und hob im Laufe der Jahre Spiele wie Elite Plus, Birds of Prey oder Frontier: Elite II auf den PC. Doch die Arbeit, parallel zu der des Original-Entwicklers, resultierte in viel Leerlaufzeit. Weshalb Chris zunächst dazu überging zwei Spiele simultan zu konvertieren und dann nebenbei sein erstes eigenes PC Spiel schrieb. Oder genauer gesagt zunächst ein isometrisches Darstellungssystem. Denn die Iso-Perspektive vermittelte nach Chris Meinung den Eindruck einer dritten Dimension, ohne das Objekte wie bei 3D Projektionen in der Entfernung kleiner wurden und sich der Detail-Level veränderte. Was Chris liebte.
Zunächst gedieh in dieser Pseudo-3D-Welt ein kleiner Platformer a la Rare’s Knight Lore oder Get Dexter. Aber dann kam Chris‘ Begeisterung für Sid Meier’s Railroad Tycoon ins Spiel. Was unentwegt seine Freizeit füllte. Er hielt seine neue Perspektive für deutlich ansprechender und fragte sich, ob man das Spielprinzip nicht durch andere Transportmöglichkeiten erweitern könnte? So wurde „Chris Sawyer’s Transport Game“ geboren, für das er sogar in der Welt seiner Elite II PC Version Werbung machte.
Die Entwicklung dieses Spiels, lenkte ihn von der monotonen Konvertierungsarbeit ab. Und so hatte er am Ende seines letzten Auftrages bereits eine voll funktionsfähige Version des Transportspiels.
Was der Landschaft aus Zügen, Trucks und verschiedensten Gebäuden zu dem Zeitpunkt noch fehlte, war ansprechende Grafik. Denn das vorübergehend „Interactive Transport Simulation“ betitelte Werk, enthielt lediglich klobige handgezeichnete Bitmaps von Chris selbst. Glücklicherweise versuchte Freelance-Künstler Simon Fosters zeitgleich ins Videospielgeschäft einzusteigen und ließ sich von Chris überzeugen, ein paar Entwürfe für die neue SVGA Auflösung damaliger PCs anzufertigen. Durch Simon wanderten sowohl das kleine graue Haus, in dem Chris Sawyer während der Programmierung wohnte, als auch eine Repräsentation von Glasgows Livingstone Tower, in dem er vier Jahre studierte, ins Spiel.
Als Jacqui das Spiel dann an verschiedene britische Publisher zur Vermarktung schickte, war es bereits zu 90% vollendet. Obwohl die amerikanische Microprose Führung Jahre zuvor die Entwicklung von Sid Meier’s Railroad Tycoon 2 ablehnte und das IP längst an PopTop Software verkaufte, stimmten sie der Vermarktung direkt zu. Vermutlich weil Simcity 2000 zur selben Zeit mit der gleichen Perspektive Verkaufsrekorde brach. Die letzten vier Monate des Polierens und Balancen verliehen dem Spiel außerdem seinen dritten und finalen Titel: Transport Tycoon.
Ähnlich wie bei Maxis Kassenschlager lobte die Presse Chris Debütprodukt in den Himmel. Next Generation beschrieb es als „den besten Wirtschaftssimulator seit Civilization, der alle guten Features von Railroad Tycoon mit dem Aussehen von SimCity 2000 verbindet“. Microprose ließ Chris bereits ein Jahr später eine Deluxe Edition nachreichen, die unzählige Features des ersten Exemplars ausbaute und die Verkaufszahlen weiter antrieb.
In Microprose Hunt Valley Hauptquartier arbeitete sich währenddessen ein weiterer vielversprechender Designer hoch. Wie viele Genies programmierte Brian Reynolds bereits in der 8. Klasse sein erstes Spiel. Einen TRS-80 Clone von Epyx’s Temple of Apshai. Denn einen Apple II, auf dem das Originalspiel lief, konnte sich der 13-jährige Junge nicht leisten. Auch wenn ihm das 200$ vom Softside Magazine einbrachte, begriff Brian erst Jahre später, beim Anblick der Ultima VI Credits, dass er damit tatsächlich seinen Lebensunterhalt verdienen könnte. So kaufte er sich während seines Studiums einen C-Compiler sowie Bücher a la Peter Nortons Secrets of MS DOS und schrieb einige Grafik-Demos. Seinen Traumjob, bei Origin Systems an der Ultima oder Wing Commander Reihe zu arbeiten, ergatterte Brian dadurch nicht. Aber Microprose rief in beinahe augenblicklich zurück. Also lud er seine wenigen Habseligkeiten auf seinen Pickup-Truck und zog nach Baltimore, um die MADS Engine für Rex Nebular and the Cosmic Gender Bender zu schreiben. Seine Aufgabe als leitender Programmierer setzte sich über Return of the Phantom zu Microprose drittem Adventure Dragonsphere fort. Aber die Point-and-Click Adventures zahlten sich für die Simulations-Profis nicht aus und so beschlich Brian langsam aber sicher das Gefühl, kurz vor seiner Kündigung zu stehen.
Zur gleichen Zeit erreichte Civilization 850.000 Verkäufe. Was es langsam aber sicher zu einem Verkaufsschlager machte. Doch niemand außer Sid Meier schien an weiteren Strategiespielen zu arbeiten. Beinahe jeder bei Microprose werkelte an Simulationen, deren Umsatz langsam abebbte. Also nahm sich Brian in seiner Freizeit eines ähnlichen Konzeptes an. Sein Prototyp fing mit einer 64 mal so großen Karte wie der des Originals an. Auf dieser konnte der Spieler zunächst nur mit seinem Schiff herumfahren und Kolonisten aussetzen. Er pitchte diesen Prototypen Sid Meier selbst, als Kombination der Civilization Kern-Mechaniken mit dem Handel von Railroad Tycoon im Zeitalter der Entdeckungen. Wenige Tage darauf hatte Brian die befürchtete Entlassungswelle überstanden. Er zog ins Gebäude der kommenden Microprose „Strategy Group“ und erschuf unter der Leitung von Sid Meier Colonization.
Angesiedelt während der Entdeckung Amerikas durch die Europäer 1492, fokussierte sich Colonization weniger auf die Ausbreitung, sondern mehr auf das Rohstoff-Sammeln innerhalb der Spieler-Gesellschaft und das Erproben der Belastbarkeit durch ökologische Herausforderungen. Jeder Kolonist war beispielsweise in der Lage Tabak anzubauen. Aber nur ein Tabakanbau-Meister schaffte es doppelt so schnell, besonders wenn er sich auf Grasland niederließ. Ein anderer Kolonist mochte darauf spezialisiert sein Tabak in Zigarren zu verarbeiten oder genug anbauen, um alle gemeinsam zu ernähren. Sobald der Spieler eine ausreichende Bevölkerung und die Dominanz über die restlichen Kolonisten erreichte, endete das Spiel mit einer alternativen Version der amerikanischen Revolution. Worin der Spieler gegen den König, seiner zu Spielstart gewählten Nationalität, rebellierte und seine Unabhängigkeit erklärte.
Sid Meier selbst machte Brian während der 18-monatigen Entwicklungszeit lediglich Verbesserungsvorschläge, wie die Stadtgröße zu halbieren, um die Mechanik der Berufsspezialisierung stärker hervorzuheben. Er steckte zu der Zeit in einer Art Midlifecrisis oder beginnendem Burnout. Weshalb er ein Produkt schrieb, was so weit wie irgend-möglich von einem Computerspiel entfernt war: den Musikgenerator C.P.U. Bach. Wodurch nicht nur jede Zeile Code Colonizations von Brian stammte, sondern ebenfalls das gesamte Design. Der Name „Sid Meier“ im Spiel-Titel bedeutete fortan nicht länger „von Sid Meier programmiert“, sondern „Sid Meier hat sich mit dem Entwickler unterhalten“. Der Name war zu einer Marke von Microprose geworden und die funktionierte. Sid Meier’s Colonization verkaufte 350.000 Exemplare und festigte das „Strategy Group“ Konzept.